Die Geschichte beginnt im Herbst 2012, Hauptprotagonist ist Giampaolo Vicere aus Benevento, einer Stadt im südlichen Italien, gute 1,5 Stunden von Neapel entfernt im Landesinneren gelegen. Das Telefon klingelt und in gebrochenem Englisch wird mir die Frage gestellt, ob die Landesmusikakademie (LMAB) denn ein Akkordeon für die Teilnahme am Workshop mit den 17 Hippies zur Verfügung stellen könne – der Start einer äußerst produktiven, wie sich später herausstellen wird, bis heute andauernden Zusammenarbeit. Bejaht, getan, kommt es noch am Rande des Workshops zu ersten Gesprächen über die Zielstellung von Landesmusikakademien und deren Aufgabenstellung innerhalb der bundesrepublikanischen Musiklandschaft. Unser italienischer Gast ist von der Idee fasziniert und träumt von nun an davon, ein Pendant in Italien auf die Beine zu stellen – was mit der Cooperativa Immaginaria konkret wird.
Es folgt eine mehrwöchige intensive E-Mail-Kommunikation, an deren Ende die Realisierung eines freiwilligen europäischen Jahres 2013/14 steht, finanziert durch das Grundvig-Programm zum Studium von Erwachsenenbildung, in dem Giampaolo noch intensiver die Aufgabenstellungen einer Akademie kennenlernen kann. Bei vielen Veranstaltungen der LMAB von Samba Syndrom bis Musikfestival unterstützt Giampaolo mit helfender Hand – immer wieder zwischengeschaltet laufen Informationsgespräche über die Struktur und die Vernetzung der Akademie in die Berliner Musiklandschaft.
Zum Jahresende 2014 findet dann das erste – von Italien aus organisierte – europäische Begegnungsprojekt für Jugend- und Sozialarbeiter an der LMAB statt. Die rund 30 Teilnehmenden des Projekts „LovEarth through Art – musical activities for youth workers“ finanziert durch das EU-Programm ERASMUS+ kommen vornehmlich aus osteuropäischen Ländern wie Ukraine, Georgien, Armenien, Aserbaidschan und Polen, aber auch aus Spanien, Italien, Frankreich und Deutschland. Neben Tagesworkshops mit unterschiedlichen Dozenten aus dem Pool der LMAB zur Arbeit mit Perkussionsinstrumenten werden auf einer Exkursion Best-Practice-Beispiele zu sozialer Inklusion durch Musik aus der Berliner Projekte-Landschaft besucht.
Im Spätherbst 2015 dann die Wiederauflage von LovEarth through Art mit der Erweiterung um die Kunstgattungen Theater und Tanz für Jugend- und Sozialarbeiter/-innen vornehmlich aus den Balkanländern Albanien, Mazedonien, Serbien, Kroatien, Kosovo, aber auch aus Polen, Deutschland, Spanien und Italien.
Im Frühsommer 2017 kommt es dann zur Begegnung an der LMAB von insgesamt 45 jungen Musiker/-innen, Jongleuren/-innen, Tänzer/-innen und Straßenkünstler/-innen, die unter dem Titel „Music for Chameleons“ eine Performance für den legendären Berliner Karneval der Kulturen entwickeln und diesen während des Straßenumzugs vor einer halben Million Menschen präsentieren. Die jungen Künstler*innen bringen jeweils Material aus ihrer Heimatregion mit, erarbeiten und „performen“ es dann gemeinsam. Beeindruckend dabei, die Intensität und Ausgelassenheit, der sich das Publikum nicht entziehen kann – jede/r, die/der in die Nähe der Gruppe gerät, wird hineingesogen und muss mittanzen.
Seit Oktober dieses Jahres ist die LMAB nun Mitglied einer strategischen Partnerschaft, die Institutionen aus Polen, Rumänien, Italien und Portugal einschließt. Über einen Zeitraum von 2,5 Jahren werden innerhalb mehrerer Termine bei den beteiligten Institutionen vor Ort Best-Practice-Beispiele für die Kunstformen Musik, Tanz, Theater, Computeranimation vorgestellt und ausgetauscht. Zentrales Thema ist soziale Inklusion, die über die vermittelnde Rolle der unterschiedlichen Kunstformen direkt gelingen soll. Ein beeindruckendes Beispiel dafür konnten die Musikerkollegen aus Portugal beisteuern, die in einer Kleinstadt ein 120-köpfiges Musikensemble aus allen gesellschaftlichen Schichten, mit unterschiedlichsten Fähigkeiten, Alte und Junge, mit und ohne Behinderung, bereits dementiell erkrankt oder noch im Vollbesitz ihrer mentalen Möglichkeiten, zusammenbringen und in acht Terminen ein Musikstück vorbereiten, um es bei einem Stadtfest als Höhepunkt zu präsentieren.
Die Landesmusikakademie Berlin wird sich in diesem Kontext als Netzwerkerin präsentieren und den Kolleg/-innen der europäischen Partnerinstitutionen im Mai 2018 Beispiele musikalisch-inklusiver Arbeit mit geflüchteten Jugendlichen, im Nachbarschafts-Zusammenhang beziehungsweise mit Menschen im dritten Lebensabschnitt vorstellen.
Flankierend findet während der 2,5 Jahre ein Seminar zur Kommunikation über die sozialen Medien statt, sämtliche Ergebnisse der Treffen werden auf einem eigens dafür eingerichteten Internetportal der Allgemeinheit zugänglich gemacht – eine Fundgrube von Projektansätzen, die über ihre lokale Verwurzelung hinaus in anderen regionalen Zusammenhängen eine Realisierung finden können. Wir werden im Frühjahr 2020 darüber berichten.