Seit einigen Jahren werden wieder vermehrt Kompositionsaufträge von der Landesakademie für die musizierende Jugend in Baden–Württemberg vergeben All diese Auftragskompositionen werden im Rahmen der Lehrgangsarbeit der Landesakademie erarbeitet und einstudiert, Uraufführungen aus den Bereichen Chormusik, Kinder- und Jugendchor sowie Werke für Streicher bereichern das aktuelle Konzertprogramm an der Landesakademie. Die Grundlage für die Kompositionsaufträge entspringt der Satzung der Landesakademie mit der Forderung, „die musisch-kulturellen Kräfte bei der Erziehung der Jugend zu stärken“.
Dabei wird die Arbeit der Landesakademie mit Schülerinnen und Schülern von dem Spannungsverhältnis zwischen jugendlichem Lifestyle einer Jugendakademie und historischem Gebäude der Landesmusikakademie, das heißt zwischen Popkultur und in Stein gehauener Tradition bestimmt. Musik kann dazu beitragen, dieses Spannungsfeld zu lösen. Verschiedene Kompositionsaufträge gingen darauf ein und erzielten faszinierende Ergebnisse.
Christoph Schönherr erhielt 2005 den Auftrag für ein Magnificat. Es entstand das „Magnificat – the groovy version of OX“ reiht sich in die jahrhunderte alte Tradition der Magnificat-Vertonungen ein, richtet jedoch den inhaltlichen Fokus auf die Lage der Frauen in Lateinamerika und spannt in seiner musikalischen Sprache des Jazz und Funk den Bogen zur heutigen Lebenswelt. Gerade die Verbindung der sich vordergründig entgegenstehenden Aspekte von Tradition und Moderne kann der heranwachsenden Generation kulturelles Erbe näher bringen.
Seine „MISSA in tempore incerto“, die 2008 in Ochsenhausen uraufgeführt wurde, ist nach dem gleichen Prinzip gearbeitet.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgte der Jazzer Wolfgang Dauner bei seiner, dem Interregionalen Sinfonieorchester IRO gewidmeten Komposition „Auftakt zum Urschrei“ aus dem Jahr 2007. Musikalisch sprengt Dauner alle Grenzen zwischen Rock und Free Jazz, aber auch zwischen Musik und angrenzenden Künsten. Dies zeigt sich in der Kombination der klassischen Orchesterbesetzung (Vorlage: Schuberts „Unvollendete“) mit jazzigen Rhythmen sowie der Verwendung des Orchesters als Sprechchor, wenn es die Kernaussage des Stücks „Musik ist das Schönste“ rezitiert.
„Die Landesmusikakademie begleitet die musikalische Entwicklung des jungen Menschen vom Kindergarten bis zum Berufseinstieg. Gerade Kinder brauchen dabei gute Lieder für ihre Entwicklung“. Peter Schindler komponierte 2006 das stimmungsvolle Singspiel „Großer Stern, was nun?“, das die Vorfreude auf das Weihnachtsfest kindgerecht transportiert.
Gute Lieder sind die eine Seite, ihre Vermittlung die Andere. Kinderchorarbeit ist ein Schwerpunkt in Ochsenhausen und wird in der Lehrgangsarbeit vermehrt vermittelt.
Skandinavien verfügt über eine reiche Chortradition, seine aktuelle Chorszene nimmt einen mit auf einen spannenden Weg, der durch den ungezwungenen Umgang mit der Tonalität fasziniert. Auf diese Tradition greift die Akademie zurück, indem sie Komponisten aus dieser Region Kompositionsaufträge erteilte.
Der Schwede Bo Hanson komponierte 2005 ein „Salve Regina“, in dem minimalistische Elemente melodiebetonten Passagen gegenüberstehen. Knut Nystedt schrieb 2005 mit „Es sollen wohl Berge weichen“ einen spätromantisch geprägten Satz mit expressionistischen Elementen. Die Werke des Esten Urmas Sisask sind durch einen sehr persönlichen Stil mit eigenen Tonskalen geprägt, sie erinnern an die Kirchentonarten des Mittelalters. „An die Sterne“ sowie „Psalm 8“ entstanden 2008.
Auch zum 20-jährigen Jubiläum der Landesmusikakademie wurden Kompositionsaufträge erteilt. Jürgen Essl vertonte in „Auf der anderen Seite des Monds“ Gedichte Hilde Domins. “In meinem Werk habe ich versucht, die Gedichte nicht anzutasten, also habe ich den Chor quasi den Text rezitieren lassen, nicht viel anders als in italienischen Madrigalen. Dem Klavier dagegen habe ich den sinnlich-klanglichen Part anvertraut“, erläutert der Komponist.
Improvisation für Streicher führt in eine ungewohnte Kombination aus traditioneller Streichermusik, lateinamerikanischer Rhythmik und jazzorientierter Improvisation. Der in New York lebende Jazzmusiker Gregor Hübner verkörpert mit seinem Werk diese gelungene Symbiose. Während der Solopart virtuose Fingerfertigkeit verlangt, ist die Begleitung des „Concerto con violin Latina op. 22 für Violine, Congas und Streicher“ (2006) von guten Schulorchestern zu bewältigen. Diese Kombination ist neu und stellt einen innovativen Ansatz dar, der Schülerinnen und Schülern zeitgenössische Musik zugänglich macht. Er zeigt sich ebenso in Gregor Hübners „Cuban Impressions op. 28“ (2007) sowie seinem „Cellokonzert op. 31“ (2008).
Die Vielzahl der in Ochsenhausen uraufgeführten Werke zeigen, dass Neue Musik auch Jugendliche begeistern kann.