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Qualifizierungsreihe „Musiktheatervermittlung“

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Neu an der Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel
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Im August 2024 startet an der Bundesakademie für Kulturelle Bildung in Wolfenbüttel eine Qualifizierungsreihe zum Thema „Musiktheatervermittung: künstlerische Praxis und Partizipation“  in Kooperation mit der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover. Die Fortbildung richtet sich an alle Personen. die in Musikkontexten vermittelnd tätig sind oder dies anstreben und sich dem Bereich des Musiktheaters öffnen möchten. Dabei wird Musiktheater nicht nur als geschlossene Form verstanden, in der sich die Handlung am gesungenen oder am gesprochenen Wort orientiert und in der Sinnzusammenhänge vom Librettisten oder von der Komponistin entworfen werden, um dann vom geneigten Rezipienten entschlüsselt werden zu müssen. Im Musiktheater unserer Zeit geht es vielmehr darum, den Klang in seiner Ereignishaftigkeit darzustellen: Die verschiedenen künstlerischen Elemente werden in Bezug zueinander gebracht und kommen ins Zusammenspiel. Mit den beiden Leiterinnen der Weiterbildung Tamara 
Schmidt und Kristina Stang haben wir ein Gespräch über die neue Fortbildungsreihe geführt.

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Bundesakademie: Welche Überlegungen haben zur Konzeption dieses Weiterbildungsangebots geführt?

Tamara Schmidt: Wenn wir auf die Weiterbildungs- und vor allem auf die Ausbildungslandschaft im deutschsprachigen Raum schauen, dann gibt es – mit wenigen Ausnahmen – kaum Möglichkeiten, sich in Musiktheatervermittlung zu qualifizieren. Man kann Theaterpädagogik studieren oder Darstellendes Spiel, man kann Musikpädagogik und Musikvermittlung studieren. aber einen Studiengang Musiktheatervermittlung oder Musiktheaterpädagogik gibt es bislang nicht und die Weiterbildungsmöglichkeiten sind auch noch dünn gesäht. Zudem gehen wir in der Weiterbildung nicht von einem klassischen Vermittlungsverständnis aus, das darauf abzielt, ein Werk an ein Publikum zu vermitteln. In unserem Ansatz stehen die partizipativen Aspekte der Musiktheatervermittlung im Fokus. Es ist eine künstlerische Praxis, die mit Leuten, die mehr oder weniger Erfahrung haben, mit professionellen, aber auch mit nicht-professionellen, gemeinsam entwickelt werden kann.  

Kristina Stang: Im Kunstvermittlungsdiskurs gibt es sowohl in den darstellenden Künsten als auch in den bildenden Künsten schon seit längerem eine sehr lebendige Haltungsdebatte, in der es um Partizipation geht, also auch um gesellschaftliche Wirksamkeit und um Transformationsprozesse. Damit verbunden ist die Frage „Was wirkt auch zurück in die Institutionen, auf die Beteiligten und die Kunstform selbst?“ In diesen Debatten wird Vermittlung diskursiv und praktisch entwickelt und gesellschaftlich gedacht. Das ist auch für uns ein ganz entscheidender Inhalt dieser Weiterbildung: Dass wir Musiktheatervermittlung nicht nur von Musik und Theater her betrachten, sondern auch die gesellschaftliche Komponente mitdenken. 

Große Bedarfe

Bundesakademie: Kann man von einem regelrechten Bedarf in diesem Bereich sprechen und wenn ja, wo macht er sich konkret bemerkbar?

Stang: Dass es einen großen Bedarf an qualifizierten Personen in diesem Bereich gibt, merken wir zum Beispiel an den Theater-, Konzert- und Opernhäusern, aber auch in der Freien Szene, an Musikschulen, im Chorwesen: Offene Stellen an Häusern, Ensembles, die sich mittels Vermittlungsansätzen neuen Publika öffnen wollen, Orchestermusiker_innen, die sich der Vermittlung verschreiben oder Musikschulen, die Musik interdisziplinär unterrichten möchten, Chöre, die mit verschiedenen Communities arbeiten wollen. Daher richten wir uns mit der Weiterbildung nicht nur an Personen, die an den großen Kulturinstitutionen arbeiten wollen. Musiktheatervermittelndes Handeln findet ja auch in anderen Kontexten statt. 

Schmidt: Personen, die in diesem Bereich tätig sind, haben entweder einen Theaterhintergrund oder kommen aus der Musik. Die Verschränkung und den Ausgleich zwischen den Bereichen des jeweils anderen, das schaffen sich die meisten „on the job“ drauf. Das ist ja sicherlich auch eine gute Aneignungspraxis, aber sie ist es vor allem dann, wenn sie ergänzt und es trotzdem irgendwo einen Ort gibt, an dem man das grundständig lernen kann. Was wir etwa an den großen Kulturinstitutionen außerdem sehen, ist eine hohe Fluktuation, was wiederum zur Folge, dass die Leute, die sich das on the job angeeignet haben, einen Großteil des Wissens mitnehmen, wenn sie die Häuser verlassen. Die Nachfolgerin oder der Nachfolger fängt dann wieder fast bei Null an. Und das, so glauben wir, ist fatal, weil Vermittlung eine Beziehungsarbeit ist; eine Beziehungsarbeit in Richtung Communities, in Richtung Einzelpersonen, in Richtung andere Institutionen, Bildungsinstitutionen oder Sozialinstitutionen.

Bundesakademie: Die Fortbildung besteht aus insgesamt neun Modulen von denen fünf in Präsenz und vier Online stattfinden. Könnt Ihr etwas über die Inhalte sagen?

Schmidt: Die Hauptlinie, die wir verfolgen, sieht vor, dass wir gemeinsam mit den Teilnehmenden verschiedene Strategien erproben, wie man gemeinsam mit diversen Gruppen Musiktheater entwickeln kann, und da verfolgen wir verschiedene Ansätze. Der eine Ansatz ist eher biografisch-dokumentarisch, der andere geht in die ästhetische Forschung, der andere ist aus einem Stück heraus entwickelt und anlassbezogen – also verschiedene-künstlerisch-pädagogische Strategien, um gemeinsam partizipativ Musiktheater zu entwickeln. Das unterfüttern wir parallel mit theoretischen Grundlagen. Zudem gehen wir auch viel in die eigene künstlerische Praxis, um eigene ästhetische Erfahrungen zu ermöglichen. Die Teilnehmenden erleben nicht nur Anleitungsmomente, sondern probieren auch selber aus – auch wenn am Ende nicht immer Musiktheater draufsteht, sondern vielleicht Inszeniertes Konzert, Begehbare Klanginstallation, Community-Projekt oder Ähnliches.

Stang: Wenn wir in die Musiktheatervermittlung schauen, sehen wir eine sehr umtriebige Praxis, in der ganz viel passiert, in die unterschiedliche Einflüsse aus verschiedenen Handlungsfeldern und Berufsfeldern hineinwirken. Und uns ist es wichtig, diese Weiterbildung nicht als einen Satelliten anzusiedeln, sondern sie mit der Praxis zu verschränken. Daher holen wir zahlreiche renommierte Expert_innen aus verschiedensten Bereichen als Gastdozierende und mit Projektbeispielen dazu um ins Gespräch zu kommen, um daraus Erkenntnisse abzuleiten. Unser Ziel ist, dass die Teilnehmenden im Laufe der Weiterbildung eine eigene Vermittlungshaltung für sich finden.

Passend zum Arbeitskontext

Bundesakademie: Welche Perspektiven bietet Musiktheatervermittlung den Teilnehmer*innen?

Stang: Uns ist es sehr wichtig auf die Teilnehmenden-Gruppe konkret einzugehen. Wir fragen „Welche Hintergründe haben sie, in welchen Kontexten arbeiten sie oder wollen sie arbeiten?“ Unser Ziel ist es nicht, dass alle Teilnehmenden der Weiterbildung aus ihren Jobs rausgehen und an die großen Opernhäuser strömen. Unser Ziel ist es, die Leute dort zu befähigen, wo sie stehen und wo sie hinmöchten – in der Kirchgemeinde, im Chor, in einem Orchester oder vielleicht auch an einem Theater. Dafür sollen ihnen Strategien aufgezeigt werden, die zu ihren Biografien und Arbeitskontexten passen.

Schmidt: Man sieht auch an unseren Kooperationspartnern, dass wir von einem sehr weiten Handlungsfeld der Musiktheatervermittlung ausgehen: Die Deutsche Chorjugend, das Kinder- und Jugendtheaterzentrum der Bundesrepublik Deutschland, unisono - Deutsche Musik- und Orchestervereinigung und  die ASSITEJ. Diese sind übrigens nicht nur inhaltlich involviert, sondern einige von ihnen bieten ihren Mitgliedern Stipendien für die Teilnahme an.

Stang: Das ist ein wichtiger Punkt: Diese Offenheit der Weiterbildung für die Teilnehmenden. Wir sind entschlossen Inhalte anzupassen, wenn wir wissen, wer die Gruppe ist. 

Informationen zur Qualifizierungsreihe „Musiktheatervermittung: künstlerische Praxis und Partizipation“ erhalten Sie über die Homepage der Bundesakademie Wolfenbüttel oder direkt von Roberto Reale (Programmleitung Musik).

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