Wenn Konzerte aufgeregt diskutiert werden, der Streit um Probenzeiten im Schlosstheater eskaliert, wenn die Plätze auf der Terrasse zum See nicht ausreichen, seltsame Klangerzeuger geordert und ständig Noten kopiert werden müssen – dann findet die „Rheinsberger Pfingstwerkstatt Neue Musik“ statt.
Ein jährlich wechselnder thematischer Schwerpunkt bestimmt die Auswahl der Kompositionen. In diesem Jahr bietet Frédéric Chopins 200. Geburtstag den Anlass für „Musik Schwarz-Weiß für und mit Klavier“. Spezialisten der zeitgenössischen Musik begegnen Studenten und Schülern, die sich der Neuen Musik verschrieben haben: die Ensembles „work in progress“, Sonar-Quartett, written-not-written mit dem Cellisten Augustin Maurs, der Pianist Frank Gutschmidt, die Flötistin Carin Levine, Kompositionsstudenten der Klasse von Gerhard Müller-Hornbach an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main und das Jugendensemble Neue Musik Rheinland-Pfalz/Saarland.
Innerhalb der Werkstatt arbeitet der Kurs „Jugend komponiert“ Berlin-Brandenburg unter Leitung der Komponisten Helmut Zapf und Johannes Hildebrandt mit weiteren Komponisten als Gastreferenten. Die Stücke der ganz jungen Komponisten werden von Profis gespielt – so findet man als Autor seine Fehler schnell. Der Wettbewerb wurde diesmal ausgeschrieben für Trompete, Kontrabass, Marimbaphon und Alt-Saxophon. Begehrte Preise sind Unterrichtsstunden bei gestandenen Komponisten. Damit die jungen Komponisten auch Anregungen zur Vertonung von Texten erhalten, tagen zeitgleich schreibende Schüler des Landes Brandenburg unter Leitung der Schriftstellerin Carmen Winter.
Im Mittelpunkt der Uraufführungen steht ein Auftragswerk der Musikakademie Rheinsberg an Sebastian Stier. Clara Maida, Trägerin des Berlin-Rheinsberger Kompositionspreises und Stipendiatin der Musikakademie, bringt ihre Komposition „Kine-Diffr(a)ct“ nach Rheinsberg mit. In ihrem Konzert wird der aktuelle Berlin-Rheinsberger Kompositionspreis des Berliner Künstlerinnenprogramms an Eun-Hwa Cho überreicht. Dem Komponisten Paul-Heinz Dittrich, der 1990–2000 das Brandenburgische Colloquium für Neue Musik in Rheinsberg leitete, widmet sich ein Konzert mit seinen Klavierstücken V und VI. Dittrich feiert in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag. Zapf und Stier sind aus seiner Schule hervorgegangen und viele andere auch, die ihr Kommen schon zugesagt haben. Ein besonderes Ereignis wird das Spiegelsaal-Konzert im Rheinsberger Schloss mit den Streichquartetten 1, 3 und 4 von Georg Katzer. Schließlich präsentieren sich Dozenten und internationale Teilnehmer des Flöten-Meisterkurses von Carin Levine in jeweils einem Konzert, denn bei so viel Kreativität im Lehrer-Schüler-Verhältnis lernen alle voneinander, es herrscht ein sympathisches Verhältnis professioneller Gleichberechtigung. Wichtig ist der Erarbeitungsprozess, ein oft multimedialer Ansatz, die Aufführung selbst und die Diskussion danach. Seit 1991 wird die Rheinsberger Pfingstwerkstatt Neue Musik jährlich von der Musikakademie Rheinsberg unter Leitung der Musikwissenschaftlerin und Akademiedirektorin Ulrike Liedtke durchgeführt.
Aus den Werkstatttagen der Neuen Musik zu Pfingsten ist inzwischen eine umfangreiche internationale Werkstatt geworden, die jährlich mehr als 200 junge Komponisten, Interpreten und Musikwissenschaftler aus verschiedenen Ländern anzieht. Seit dem Jahr 2000 steht das wieder aufgebaute und von der Musikakademie betriebene Schlosstheater für Aufführungen zur Verfügung. Angestrebt wird jährlich eine szenische Produktion – Uraufführungen erlebten abendfüllende szenische Werke von Georg Katzer, Helmut Zapf, Thomas Bürkholz, Paul-Heinz Dittrich, Alf Rogge, Jörn Arnecke, Lothar Voigtländer, Mayako Kubo, Matthias Jann, Susanne Stelzenbach und Ralf Hoyer. Ausgerechnet 2009 war nicht genug Geld da für ein Uraufführungswerk zum zehnjährigen Jubiläum des Schlosstheaters in diesem Jahr. 2011 wird Pei-Yu Shi Komponistin der szenischen Uraufführung sein. Das schon fertig vorliegende Uraufführungswerk „L’absence“ von Sarah Nemtsov kommt 2012 in Kooperation mit der Münchener Biennale heraus.
Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg fördert die Rheinsberger Pfingstwerkstatt Neue Musik, die bereits den Ehrenplatz des Weiterbildungspreises des Landes Brandenburg erhielt, weil sie für die Vermittlung Neuer Musik sorgt: Parallel zur Werkstatt Neue Musik finden in Rheinsberg die traditionellen Rheinsberger Musiktage zu Pfingsten statt. Die Musikakademie richtet auch dieses Fest im Auftrag der Stadt Rheinsberg aus. Neugierige Parkbesucher landen nach Divertimento oder Bläserserenade im Konzert Neue Musik und staunen nicht schlecht – „Da wäre ich eigentlich nie hingegangen, aber das ist ja richtig spannend“. Nächtlicher Höhepunkt eines jeden Tages werden „Schwarz-Weiße Hecken“ sein, eine multimediale Performance, die von Chopins wegweisenden Präludien ausgeht und den Bogen zu früheren und nachfolgenden Präludienkompositionen schlägt. Die Performance im Heckentheater der Schloss-anlage und ohne Eintritt bringt jährlich sämtliche Rheinsberger und ihre touristischen Gäste zu Pfingsten auf die Beine, Neue Musik als verblüffende Illusion, grüne Hecken schwarz-weiß …
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