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Tendenzen auf dem Markt der Meisterkurse

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Die Angst vor der Freiheit · Teil II
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Zahlreiche kompetente und engagierte Leserbriefe gingen als Reaktion auf Ivo Csampais Artikel über Klavierpädagogik in der Redaktion ein. Auszüge daraus finden Sie im Forum (Seite 10). Auf dieser Seite stellen wir Teil II des Artikels „Angst vor der Freiheit“ aus der nmz 12-98/1-99 zur Diskussion. Die pädagogisch produktive Arbeit, welche Hertha Bier (Nürnberg), Marco Antonio de Almeida (Halle), auch Nelly Ben-Or oder Harold Taylor (beide in London) und ganz besonders Elgin Roth (Hamburg) an ihren Schülern und Studenten erbringen, wird angesichts der gravierenden Lückenhaftigkeit der allgemeinen Instrumentalausbildung unserer Musikhochschulen zynisch fast schon zu einer Ausnahmepädagogik fälschlich degradiert – oder wenn man so will, fälschlich hochstilisiert und überhöht. An sich müßte das verdienstvolle Wirken der oben Genannten als die Norm oder mögliche Mitte angesehen werden und nicht noch von einflußreichen Klavierpropheten verfehmt, mit Publicityaufwand „der Boden entzogen“, bestenfalls totgeschwiegen weiterhin das Gewohnte falsch tradiert werden, bis zum Sankt Nimmerleinstag und so weiter. Können wir uns solch ein falsches Musikprophetentum immer noch leisten? Nein – dem Studenten und Lernenden sei geraten, sich von diesen personellen Mißständen rechtzeitig abzuwenden und sich nach besseren Lehrmeistern umzusehen. Peter Feuchtwanger zählt in der internationalen Klavierszene unstrittig zu den berühmtesten und namhaftesten Persönlichkeiten dieses künstlerischen Berufszweiges. Er gibt sich ein wenig wie ein stiller Philosoph und erinnert in seinen Gesten und Bewegungen zumindest äußerlich an Horowitz. Auch seine „Philosophie der Nicht-Methode“ könnte zu Horowitz passend sein, ebenso seine nicht nur auf den ersten Blick kurios anmutenden Spezial-Übungen entsprechen (oberflächlich betrachtet) scheinbar auf seltsame Weise der horowitz’schen Klavierspielhaltung. Eine musikalische Demonstration von Feuchtwangers Klaviervortrag fand leider nicht statt, und so blieben diese Eindrücke und verbalen Vergleiche mit Horowitz nur vage haltbar, jedoch weiterhin unterbewußt spürbar in einer Präsenz von Gegensätzlichkeiten wie Enge (!) und Weite, innere Gelassenheit gepaart mit „blitzschneller Sensation“ der Bewegungen, Mehrstimmigkeiten „gut lanciert“ innerhalb einer musikalischen/pianistischen Situation. Hinzu tritt einer von Feuchtwangers sympathischen Zügen, nämlich sein musikalisches Wissen, unspektakulär, fast schon bescheiden weiterzugeben. Das verleiht ihm gewissermaßen eine Erhabenheit. Wie sollte es auch anders sein – er gilt in der breiten klavierspielenden Öffentlichkeit als ein angesehener Pädagoge, hat bestimmt viel Einfluß (was ihm vergönnt sei) und ist ein quasi klavier(„nicht“-)methodischer Multiplikator. Hinter Peter Feuchtwanger stehen Berühmtheiten wie Martha Argerich, Dinorah Varsi, Shura Cherkassky, Tatjana Nikolajewa, nur um einige zu nennen. Er ist Mitglied der Jurys internationaler Wettbewerbe und Vizepräsident der EPTA (European Piano Teachers Association). „Na, wenn’s der nicht kann – ja – wer dann?“ könnte man denken, doch Spaß beiseite: Feuchtwanger läßt verbal und in praxi trotz allem subtile Fragen offen. Die verbalen und schriftlichen Äußerungen zu einer natürlichen Klavierspieltechnik schienen sich in seiner Unterrichtspraxis nicht eindeutig genug zu bestätigen. Der Oberarm ist passiv relaxed und daher zu gewichtig und zu passiv schwer. Solch ein Arm verhindert geradezu die physiologische Anpassung in punkto differenzierter Tonbildung und subtiler Klanggestaltung auf dem Klavier. „Wir alle haben eine große Angst vor der Freiheit im Spiel“, sagt Feuchtwanger und hat damit sicherlich recht. Doch gleichzeitig besitzen wir eine riesige Sehnsucht nach Freiheit, die vom Standpunkt des Lehrers aus fürsorglich und verantwortungsvoll im errungenen Wissen um die wahren Dinge des Klavierspiels beim Studenten in erster Linie grundlegend zu fördern sind. Wenn man erst erraten muß, welche Art von Freiheit Peter Feuchtwanger denn meint, weiß man nie genau, ob Freiheit nicht mit falscher Toleranz zu verwechseln in Gefahr gerät. Da das Wesentliche im Musikstudium weder pädagogisch noch methodisch von Grund auf gelehrt wird (Friedrich Rabl), nimmt es nicht Wunder, daß der Markt der internationalen Meisterkurse expandiert. Die „Ware“ „Klaviertechnik“ läßt sich so, gerade wenn es sich um das „Elementarste“ handelt, sehr erfolgreich verkaufen. Der gefährlichen Beliebigkeit sind keine Grenzen gesetzt. Peter Feuchtwanger wendet sich erfolgreich gegen alles Stereotype einer Methode und propagiert die sogenannte „Nicht-Methode“. Doch aus dem kann wiederum dasselbe, nämlich eine (kuriose) Methode werden und zu stereotypen Mustern erstarren. Daran ändern dann selbst die flottesten Zen-Sprüche nichts mehr. Gottlob ist den wahren Anforderungen des künstlerischen Klavierspiels so nicht beizukommen. Die noch so beste Lehre kann nicht zur wahren Freiheit führen, entspringt sie nicht der Wahrhaftigkeit, dem tiefen Wissen und der Liebe, was die Kunst des Klavierspiels angeht. Nun: Feuchtwangen(r) ist schon eine Reise wert, geht es einem darum, aus seinen eingefleischten Gewohnheitsmustern auszubrechen, das akademisch-stereotype Spiel aufzuweichen, um eine neue Spielfreude zu etablieren. Seine unkonventionellen Fingersatzempfehlungen (die Innenrotation des Handgelenks und des Unterarmes berücksichtigend) können in diesem Zusammenhang durchaus von sinnvoller Bedeutung sein und tragen sicherlich viel dazu bei, das eigene Spiel auf „befreiende“ Art zu inspirieren. Die Angst vor falscher Umstellung der eigenen Technik ist doch durchaus berechtigt, demzufolge ist diese Angst ja ein wichtiger Ratgeber und Schutz vor methodischer Willkür mancher Klavierpropheten. Feuchtwangers Spezial-Übungen un-terstützen das Aufkommen einer kraftvollen „Freiheit“, nur sie entbehren einer physio/logischen Systematik und wirken aber momentan psycho/somatisch befreiend, quasi wie ein psychologischer Stimulus. Deshalb empfiehlt auch Feuchtwanger den Kursteilnehmern, viel zu improvisieren und zu transponieren. Seine Schüler zeichnen sich meist nicht ohne Grund durch ihre hohe Selbstsicherheit aus. Selbstsicherheit ist psychologisch wichtig für die eigene Motivation, doch darf sie nicht anarchisch als falsch verstandene „Freiheit zur individuellen Gestik mit Risiko zu unökonomischer Bewegung aus Furcht vor ‚Standardisierung‘“ (Elgin Roth) führen. Die „Flucht nach vorne“ kann in diesem Sinne für den Studenten zu keiner längerfristig wahren Befreiung führen. Ganz im Gegenteil, sie kann ihn vom Wege abbringen, weil momentan stimulierend und ihn für weitere kostbare Jahre blind oder besser gesagt taub machen für die primär klangbewußte Realisierung von Klaviermusik. Auch im Barockzeitalter achtete man nicht nur auf Freiheit der Deklamation, sondern ebenso auf klangliche Feinabstufung. Der Klaviermeisterkurs in Feuchtwangen brachte für einige doch so manche grundlegende Fragen auf und das ist auch notwendig, da darunter Fragen sein können, die sich in Zukunft nicht mehr abwenden lassen und Antworten fordern, die keiner Verschleierung mehr bedürfen und die Angst vor (falscher) Freiheit der Sehnsucht nach wahrer Freiheit nicht mehr weichen muß.

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