15 Jahre C.H.O.I.R an der Landesmusikakademie Ochsenhausen: begrifflich verbergen sich hinter dem Kürzel die Wörter „Chor“ und „Interregional“. Mit Leben füllen sich diese Begriffe alljährlich in der letzten Augustwoche in Form eines Chorfestivals junger Menschen aus 10 Nationen – eines europäischen Mikrokosmos der Chormusik.
1996 auf Anregen des Kultusministeriums Baden–Württemberg gegründet und von der Landesmusikakademie Ochsenhausen über all die Jahre organisatorisch ausgestaltet und künstlerisch weiterentwickelt , hat sich C.H.O.I.R als ein internationales Chorfestival der europäischen Jugend etabliert, an dem sich alljährlich mehr als 100 junge Sängerinnen und Sänger im Alter von 17 bis 24 Jahren aus den Partnerregionen Baden-Württembergs beteiligen. Sie kommen aus Russland, Polen (Lodz), Ungarn, Kroatien, Italien (Lombardei, Emiglia Romana), Spanien (Katalonien), Portugal, Frankreich (Rhône-Alpes), Belgien (Flandern), Großbritannien (Wales) und aus der deutschen Partnerregion Sachsen.
Der finanzielle Beistand durch das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport und zahlreiche Sponsoren aus Wirtschaft und Industrie, sowie die ebenso wichtige ideelle und organisatorische Unterstützung aus den Regionen haben das Festival über all die Jahre getragen. Sie alle sind wichtige Pfeiler für eine erfolgreiche Weiterentwicklung. Das künstlerische Konzept war von Anbeginn an ausgerichtet auf ein gleichberechtigtes Nebeneinander von Klassik, Werken zeitgenössischer Musik und Kompositionen und Arrangements im Jazz-Gospel Stil. Überdies wurde in den letzen fünf Jahren die jährliche Vergabe eines Kompositionsauftrages durch die Landesmusikakademie zur Tradition. Christoph Schönherr, Mitbegründer und ehemaliger künstlerischer Leiter des Festivals, hat mit einem Magnificat und der Missa in tempore incerta zwei Kompositionen für „sein“ C.H.O.I.R – Ensemble komponiert, die inzwischen weltweit aufgeführt werden. Weitere Komposition von Tilman Jäger und KAB Fischer. Im August dieses Jahres hat der dänische Komponist, Arrangeur und Dirigent Jens Johansen seine Gospel-Pop Suite „Waters“ mit dem Ensemble uraufgeführt. Klaus Brecht, Akademiedozent an der Landesakademie, erarbeitete als Dirigent vor allem Kompositionen zeitgenössischer Komponisten wie z.B. Thomas Jennefelt, Sven-David Sandström, Wolfgang Rihm. Auch Chorwerke von Mozart, Brahms, Mendelssohn, Rheinberger u.a. bedeutender Komponisten unseres Kulturkreises waren zentrale Bestandteile der Konzertprogramme.
Zwei CD Aufnahmen belegen die künstlerische Qualität des Ensembles, dokumentieren den besonderen Chorklang des Festivalchores, bei dem die verschiedenen Klangkulturen aus Ost und West zu einer einzigartigen, faszinierenden emotionalen Farbigkeit zusammenwachsen.
Toleranz, Respekt, Anerkennung, Kommunikation auf Augenhöhe sind wesentliche Bestandteile des Festivalkonzepts. Die soziale Komponente ist der musikalischen Arbeit gleich gestellt. Bewusst werden die genannten außermusikalischen Faktoren einbezogen – hohe Qualität in sozialer Interaktion ist ein fruchtbarer Nährboden für gutes Musizieren und für die reale Umsetzung der Vision eines vereinten Europas en miniature. Kontinuität im Musikalischen wie auch im Sozialen zeigt sich darin, dass ehemalige Teilnehmer/-innen, die inzwischen im professionellen Orpheus Vokalensemble der Landeakademie mitsingen, inzwischen als Betreuer, Stimmbildner und sogar Dirigenten (Nuria Cunillera, Barcelona inzwischen Karlsruhe) wiederkehren und mitarbeiten.
Die friedenspolitische Dimension eines solchen Festivals liegt auf der Hand und ist gleichzeitig statistisch schwer erfassbar. Durch das Zusammenleben, Zusammenwohnen, gemeinsame Musizieren, Tanzen, Feiern, Kochen in den inspirierenden barocken Räumen der ehemaligen Benediktiner Reichsabtei Ochsenhausen, dem Sitz der Landesakademie für die musizierende Jugend in Baden-Württemberg, wird aus dieser Gruppe junger Menschen eine europäische Familie.
Mehr als 1500 junge Sängerinnen und Sänger haben dieses Festival erlebt, sind Teil der C.H.O.I.R-Familie geworden, tauschen sich rege auch nach dem Festival aus, benutzen intensiv die neuen Medien, um in Kontakt zu bleiben. Sie bilden ein kleines, aber stetig wachsendes europäisches Netzwerk von Friedensbotschaftern.
Dieses Chorfestival hat viele Dimensionen: musikalisch-künstlerisch, musikpädagogisch, soziologisch, friedenspolitisch. Eine italienische Teilnehmerin beschreibt es so: C.H.O.I.R – questa esperienza fantastica!