Das gemeinsame Musizieren in Schulklassen und Arbeitsgemeinschaften wird zunehmend ein fester Bestandteil in dem neu gestalteten Unterrichtsangebot der allgemeinbildenden Schulen. Musikpädagogen/-innen und Musiker/-innen aus dem außerschulischen Bereich sind gesuchte Kooperationspartner, die aufgrund ihrer praktischen Erfahrung neben dieser wesentlichen Ergänzung des Schulunterrichts auch die Musikalisierung von Kinder fördern können, die bisher keinen Zugang zu den Angeboten der Musikschulen, der Privatmusiklehrer/-innen oder der Musikvereine und Chöre hatten.
Die inhaltliche Planung dieses Fortbildungsangebots konnte sich nur auf geringe Erfahrungswerte stützen; tragfähige didaktische und methodische Modelle, die sich an den neuen Anforderungen orientieren, werden derzeit erst entwickelt und erprobt. Ein bundesweit umsetzbares Lehrgangsangebot zu diesem neuen Themenbereich muss sich zudem auch an den unterschiedlichen politischen Anforderungen der Bundesländer orientieren. Unter diesen Voraussetzungen wurde eine Fortbildung konzipiert, die wesentlich auf der Übertragung der Gruppenunterrichts- und Ensemblemethodik aus dem Grundstufenstufenbereich und dem Instrumentalunterricht der Musikschularbeit aufbaut.
In diesem neuen berufsbegleitenden Lehrgang wird ein Konzept vermittelt, das auf langjähriger Erfahrung in der Unterrichtspraxis der allgemein bildenden Schulen beruht und die Methoden der außerschulischen Musikerziehung integriert: Das Projekt „MuKi“ (Musik für Kinder in der Grundschule und Kindertagesstätte) wurde als erster Modellversuch zu der neuen Unterrichtsform vom Ministerium für Arbeit und Soziales des Landes Rheinland-Pfalz eingerichtet und gefördert; die dort erarbeiteten Materialien wurden für den Lehrgang zur Verfügung gestellt. Als Partner für die Fortbildung wurden die Musikhochschule des Landes Rheinland-Pfalz an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und der Verband deutscher Musikschulen gewonnen.
Das inhaltliche Angebot orientiert sich an erprobten Unterrichtsinhalten aus der Grundstufenarbeit der Musikschule, die für den Einsatz in Großgruppen bis hin zur Schulklasse modifiziert wurden. Neben den methodischen Grundlagen war die Integration in das Konzept der Ganztagsschule ein zentraler Bereich: Was erwarten die kooperierenden Träger, die Eltern und Schüler/-innen von dem neuen Angebot? Welche politischen, rechtlichen und organisatorischen Grundlagen müssen beachtet werden, wie steht es mit Aufsichtspflicht und Haftung, gibt eine Versicherung? Wie können die neuen Partner der Ganztagsschule das spezifische Profil ihrer eigenen Einrichtung darstellen und so die Schüler/-innen für ein Anschluss-Angebot gewinnen?
Nach dem erfolgreichen ersten Durchlauf und der nun laufenden Evaluierung wird der Lehrgang (erweitert auf fünf Akademiephasen) im Februar 2008 neu beginnen.
Die allgemeine Musikalisierung wird wesentlich ein „offenes Angebot“ der Ganztagsschule sein, während im „gebundenen Angebot“ das Musizieren in der Klasse im Vordergrund steht. Die Fortbildung zum Thema „Klassenmusizieren“ konzentriert sich wesentlich auf den Bläserbereich; Lehrgänge zum Klassenmusizieren mit Streichinstrumenten wurden bisher nur vereinzelt und ohne qualifizierenden Abschluss angeboten. Diese Lücke schließt der berufsbegleitende Lehrgang.
Seit zirka 40 Jahren wurden von Paul Rolland (USA), Sheila Nelson (GB) und Rodney Slatford (GB) und ihren Schülern Methoden für den Gruppenunterricht mit Streichinstrumenten und in der Konsequenz zum “Streicherklassenunterricht“ entwickelt, wobei mit diesem Terminus ausdrücklich und differenzierend ein planvoller, kontinuierlicher und bindender Instrumental-Unterricht im Klassenverband bezeichnet wird. Auf der Methode von Paul Rolland basiert der neu konzipierte berufsbegleitenden Lehrgang, dessen Inhalte bisher von dem Dozententeam um Regine Schultz-Greiner und Bernd Zingsem bereits in Wochenend- und Wochenseminaren vermittelt wurde. Der Lehrgang wird zum erstenmal bundesweit angeboten und zertifiziert in Zusammenarbeit mit dem Verband deutscher Musikschulen und der Musikhochschule Detmold mit ihrem Fachbereich Musikpädagogik, im Fach Methodik vertreten durch Prof. Dr. Ortwin Nimczik.Schwerpunkt der Fortbildung ist der heterogene Streicherklassenunterricht: nach Hospitationen in Streicherklassen und eigener Musiziererfahrung mit der speziell eingerichteten, progressiv angeordneten Literatur erarbeiten die Teilnehmer/-innen Lehrproben mit Streicherklassen verschiedener Schulformen in unterschiedlichen Altersstufen. Ergänzend zum studierten Hauptfach werden Spieltechnik und Methodik von zwei weiteren Streichinstrumente im homogenen Nebenfachunterricht erarbeitet. Neu und bereichernd ist für fast alle Teilnehmer/-innen die Integration von Solmisation und Rhythmussprache in den Klassenunterricht.
Für den Lehrgang wurden von den Dozenten die grundlegenden Texte von Paul Rolland erstmals übersetzt, wodurch die Übertragung der Methode erheblich erleichtert wurde.
Im kommenden Jahr werden auf der Grundlage und nach den Erfahrungen dieser Lehrgänge weitere Angebote zu „Kreativen Klassenmusizieren“ auch mit andern Instrumenten (zum Beispiel Zupfinstrumente oder Keyboard) konzipiert und angeboten werden. In alle unterrichtsmethodisch orientierten Lehrgänge wurden Aspekte der Ganztagsschule und Fragen der Didaktik und Methodik des Großgruppen- und Klassenunterrichts integriert, geeignete Konzepte werden dort von den Autoren vorgestellt. Die Ganztagsschule erfordert einen neuen „Methodenkoffer“ für den Umgang mit großen Gruppen, der zum Beispiel durch den Besuch aktueller Wochenseminare zur Chor- und Ensembleleitung, zum Elementaren Musiktheater, zum Einsatz von Boomwhackers & (Body)percussion oder besonders von E-Medien weiter gefüllt werden kann – niedrigschwellige Angebote, die in das Konzept der Ganztagsschule passen und den Musikschulen und der Laienmusik sicher neue Schülerkreise erschließen.
Bundesakademie für musikalische Jugendbildung
René Schuh & Rolf Fritsch
www.bundesakademie-trossingen.de
info(at)bundesakademie-trossingen.de