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Wie klappt es mit der Gruppe?

Untertitel
Zum berufsbegleitenden Lehrgang für Musikschullehrkräfte an der Landesmusikakademie Berlin
Publikationsdatum
Body

Im November letzten Jahres fragte mich eine Freundin, ob ich vielleicht Interesse hätte, mit ihr eine Informationsveranstaltung der Berliner Landesmusikakademie zu einem Lehrgang über Gruppenunterricht an Grundschulen zu besuchen. Ich lehnte dankend ab. Netter Versuch, die fehlenden Musiklehrer mit billigen, gut ausgebildeten Musikschullehrkräften zu ersetzen, dachte ich.

Meine Freundin korrigierte mich: Es geht um ein zusätzliches Musik-Angebot für Halbklassen in der Schulanfangsphase im Rahmen der Kooperation mit Grundschulen. So ließ ich mich dazu hinreißen, zum Schnuppertag in die Universität der Künste zu fahren: drei Stunden mit Professor Enno Granas, der einen praktischen Einblick in den Kurs gab und mich mit seinen Body-Percussion- und Rhythmusspielen sofort begeisterte. Antje Valentin, die Leiterin des Lehrgangs, die seit 2007 an dem Konzept und der Finanzierung getüftelt hatte, stand in der anschließenden Diskussionsrunde ehrlich Rede und Antwort. Da konnte ich meine brennenden Fragen loswerden: Wie schaffe ich es, eine Gruppe von 12 bis 15 Kindern zu unterrichten? Wie kriege ich das mit der Disziplin hin? Muss ich nach dem Kurs weiter in der Grundschule arbeiten, wenn ich mich dem nicht gewachsen fühle? Am Ende waren meine Zweifel zwar nicht gänzlich ausgeräumt, aber die Neugier, das Interesse, die offene Atmosphäre und meine Freundin bewogen mich zur spontanen Anmeldung.

Im Januar 2010 begann unser erstes Wochenendseminar zum Thema Rhythmus, Sprache und Bewegung bei Enno Granas. Ich hatte mir das ziemlich anstrengend vorgestellt – anderthalb Tage lang klatschen, tanzen, singen, sich bewegen. Es war anstrengend. Aber die vielen neuen Ideen, das Material, die Spiele, die Möglichkeiten, die sich mir dort eröffneten, rüttelten mich auf, gaben mir Kraft und ließen mich bis zur nächsten Woche wie auf Wolken schweben. Ich hatte das Gefühl, das Kind in mir wäre wieder aufgewacht. Es folgten bis April noch drei weitere Seminare: bei Meinhard Ansohn zum Thema Singen und Liederwerb, bei Monika Ferber zum Thema Musizieren auf elementaren Instrumenten und abschließend bei Enno Granas ein praxisorientierter Einstieg in die Musikalische Gruppenarbeit. Damit war die Seminarphase abgeschlossen. Es folgte die Hospitationsphase, während der wir an mindestens fünf Terminen in einer Grundschulgruppe der Schulanfangsphase (1./2. Klasse) hospitierten bzw. kleinere Unterrichtssequenzen selber übernahmen. Mich hatte es nach Neukölln verschlagen und ich habe sehr viel Hochachtung vor der jungen Kollegin bekommen, die gerade in Gruppen mit hohem Migrantenanteil enorm wichtige Arbeit nicht nur auf musikalischem Sektor leistet! Seit September läuft nun die spannendste, aber auch anstrengendste und aufwändigste Phase – die pädagogische Praxis an den Grundschulen. Zum Einstieg gab es einen Ganztages-Workshop bei Micaela Grohé mit Tricks und Kniffen zur Gruppenleitung. Und dann ging es los, das heißt jeden Dienstag um 7.30 Uhr auf der Schwelle zur Grundschule stehen und versuchen, eine Unterrichtsstunde lang die Kleinen für Musik zu begeistern – das ist manchmal verdammt schwer! Begleitend zum Praktikum treffen wir uns einmal im Monat unter Anleitung zu kleineren Reflexionsrunden, in denen wir Erfahrungen aus dem Grundschulunterricht austauschen und auswerten. Das empfinde ich als enorm wichtig, um das Selbstbewusstsein zu stärken, Probleme zu klären, Verhalten im Umgang mit Gruppen zu lernen und zu verstehen, wie und warum etwas funktioniert oder nicht.

Mein Fazit bis hierher: Ich habe die Teilnahme an diesem Pilotprojekt noch keine Sekunde bereut! Die Dozenten sind hervorragend – sie schaffen ein sehr entspanntes, angenehmes und offenes Arbeitsklima. Die Teilnehmenden (von anfänglich 40 sind noch 36 dabei) arbeiten enthusiastisch, hochkonzentriert, mit unglaublicher Spiel- und Entdeckerfreude und enormem Fleiß. Der vermittelte Stoff ist reichhaltig und vielfältig. Er könnte noch besser auf die Altersgruppe (6/7 Jahre) zugeschnitten sein. Die Organisation und das Konzept des Lehrgangs sind meiner Meinung nach sehr gut durchdacht und scheinen voll aufzugehen. Auch die momentanen Reflexionsrunden sind genau richtig platziert. Ich habe an keiner Stelle das Gefühl, mit meinen Problemen allein gelassen zu sein. Der persönliche Nutzen für den Instrumentalunterricht ist unübersehbar. Die Finanzierung über Mittel des Europäischen Sozialfonds und die Berliner Landesmusikakademie bzw. den Berliner Senat ist sehr hilfreich. Es stellt sich mir nur die Frage: Wie wird dieses Zusatzangebot an den Grundschulen in Zukunft finanziert? Bedarf ist offensichtlich mehr als genug da. Aber das ist eine politische Entscheidung.

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