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Zeitgenössische Musik für Amateurmusiker

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Symposium UNerHÖRTes in Hammelburg
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„Fördern, was es schwer hat“ – unter diesem Motto widmete sich die Bayerische Musikakademie Hammelburg in ihrem Symposium „UNerHÖRTes“ am 20.11.2022 dem Anliegen, der zeitgenössischen Musik im Amateurmusikbereich einen gebührenden Platz einzuräumen. Vorausgegangen war ein Profilbildungsprozess, über den die Kuratoriumsmitglieder inhaltliche Schwerpunkte der Akademiearbeit für die nächsten 10 Jahre definierten: Zeitgenössische Musik im Amateurbereich gehörte zu den Themen, denen sich die Akademie nach übereinstimmender Meinung in besonderer Weise annehmen sollte.

Zum Symposium waren alle im Kuratorium vertretenen Verbände und Organisationen, Musikschulen, Vertreter der Ausbildungsinstitute und Komponisten eingeladen. Nach einem musikalischen Auftakt mit „Peace“ des englischen Komponisten Ian Watson, dargeboten von „Akkordeonissimo“, dem Akkordeonorchester der städtischen Musikschule Marktheidenfeld unter Leitung von Dr. Alma Flammersberger und Mathias von Brenndorffs „EfA für Flöte solo“, dargeboten von Enrique Perez, folgten drei Impulsreferate.

Der Musikwissenschaftler und Vizepräsident der Hochschule für Musik Würzburg, Prof. Dr. Andreas C. Lehmann, berichtete von seiner Lehrtätigkeit in den 1990er-Jahren in den USA und den Begegnungen dort mit zeitgenössischer Musik. Am Beispiel des Ende der 1950er-Jahre in den USA initiierten Programms „Contemporary Music Program in Schools“ (CMP) zeigte er auf, wie über die Fördermaßnahme eines Stipendiums der Ford-Foundation junge Komponisten für ein Jahr einem Schulbezirk zugeordnet waren, um für Schüler unterschiedlicher Schulen zu schreiben. „Zehn Jahre lang lief das Projekt mit wechselnden jungen Komponistinnen und Komponisten. Die Drucklegung aller Werke, die Aufführungen in den Schulen und die daraufhin verbesserte Ausbildung der Musiklehrer (oft Chor- und Ensembleleiter) hat zu einem klaren Platz zeitgenössischer Werke in der amerikanischen Schullandschaft geführt. Ich möchte damit sagen: eine Verbesserung der Situation braucht Zeit und eine sehr gute Idee (und vielleicht auch etwas Geld). Vor allem aber braucht es Kommunikation vor Ort auf Augenhöhe zwischen Komponisten und ihren Performern“, so Lehmann in seinem Eingangsstatement.

Stephan Adam beschäftigte sich in seinem Referat mit Musik im Amateurbereich aus der Sicht des Komponisten, der inneren Perspektive eines klanglichen Ideals und den Einschränkungen, die Besetzung, Dauer, Schwierigkeitsgrad und Zeitpunkt der Fertigstellung der Komposition mit sich bringen. Dieser Konflikt entsteht in besonderem Maße bei der Komposition für eine Besetzung, die aus semiprofessionellen Musikern oder Sängern besteht. Die Anpassung der eigenen Bedürfnisse an die sich bietenden Möglichkeiten stellt eine besondere Herausforderung dar. Komponisten unserer Zeit stellt er die Frage, ob sie es sich nicht gerade durch elitäres Auftreten leicht gemacht haben. Insbesondere unter jüngeren Komponisten sieht er steigende Bereitschaft, das Empfinden von Hörern und Ausführenden zu berücksichtigen.

Der Präsident des Maintal-Sängerbunds Hermann Arnold beleuchtete das Thema aus der Sicht eines Vertreters der Chormusik. An den Anfang stellte er sein Postulat, dass Chormusik berühren sollte. Kategorisierungen nach U- und E-Musik hält er für wenig hilfreich. Insbesondere junge Chöre sind flexibler in der Umsetzung von Ungewohntem und Neuem.  „Zeitgenössische Chormusik“ mit Volksliedern in neuem Gewand, Patterns im Calypso-Sound im Bass oder Circle-Songs wie bei Bobby McFerrin erleichtern den Zugang. Für die Chorleiter besteht Ausbildungs- und Orientierungsbedarf, was neue, zeitgenössische Musik betrifft. Reading Sessions, Dirigier- und Interpretationskurse, auch Angebote für neue Notationsformen können helfen, an zeitgenössische Musik heranzuführen.

Drei Arbeitsgruppen beschäftigten sich anschließend mit den Themen „Komponist im Dialog mit Amateurmusikern“, „Zeitgenössische Musik im Chorbereich“ und „Zeitgenössische Musik im Instrumentalbereich“. Die Diskussionen in den Arbeitsgruppen erbrachten folgende Ergebnisse:

AG Komponist im Dialog mit Amateurmusikern
Die Kommunikation zwischen Komponisten und Ausführenden wird als Schlüssel zum Erfolg angesehen. Erfahrene Interpreten können Hilfe bei der Realisierung zeitgenössischer Musik anbieten und den Geist des Werkes erschließen. Die zeitgenössische Musik lässt sich dann am ehesten vermitteln, wenn sie aus einer Mischung aus Vertrautem und Fremden besteht, zum Beispiel Dissonanzen tonal „abgefedert“ werden und Strukturen nachvollziehbar sind.

AG Zeitgenössische Musik im Instrumentalbereich
Auch hier steht die Begegnung mit dem Komponisten an erster Stelle. Sie soll Verständnis für die Realität des Amateurmusizierens entwickeln. Improvisationsworkshops können insbesondere jungen Musikern den Zugang zu zeitgenössischer Musik erschließen.
Als konkrete Maßnahme wird ein Kompositionsauftrag vorgeschlagen, der die Verbindung zwischen Komponisten und ausführenden Musikern herstellt. Es ist darauf zu achten, dass die Musik nicht zu komplex ist und Cross-Over-Formate einbezogen werden. Es könnten Stipendien für Composer in Residence angeboten werden.

AG Komponist im Dialog mit Chormusik
In Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik Würzburg sollte ein Kompositionsstudent gefunden werden, der sich bereit erklärt, ein Stück für Akkordeonorchester und Jugendchor zu schreiben. Der Student sollte vorher die Probenarbeit beider Ensembles kennenlernen, um einen Eindruck von deren Leistungsfähigkeit zu erhalten. Nach Fertigstellung des Stückes sollen die Ensembles das Werk zunächst getrennt erarbeiten. Der Zusammenbau erfolgt später an einem gemeinsamen Probenwochenende mit abschließendem Konzert an der Akademie. Das Vorstandsmitglied der Bayerischen Musikakademie Hammelburg e.V. Ernst Oestreicher bedankte sich zum Abschluss des Symposiums für eine lebendige und ertragreiche Diskussion. Eine Arbeitsgruppe wird nun ausgehend von den Ergebnissen dieses Symposiums konkrete Maßnahmen zur Weiterführung von UNerHÖRTes an der Musikakademie Hammelburg beschließen.

 

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