Von Juli bis September 2023 beleben verschiedenste Musikensembles den Schlossberg in Gadebusch. Bisher sind Probenräume, Unterkunft und Küche provisorisch, doch der zukünftige vielfältige Kulturbetrieb ist schon jetzt im ambitionierten und vorausweisenden Projekt „Zukunftsschloss Gadebusch“ angelegt. „Kommt an Bord, diese Reise führt uns fort, an ’nen ganz besond’ren Ort, denn wir haben Großes vor!“, singen die Kinder des dritten Gadebuscher Musikcamps mit leuchtenden Augen.
„Zukunftsschloss Gadebusch“ lebt
Über 100 Eltern, Großeltern und Geschwister lauschen der Abschlussaufführung mit dem selbstgetexteten Song in der Aula auf dem Schlossberg. Hier in Gadebusch – einem 5.000-Seelen-Ort schönster norddeutscher Backstein-Idylle zwischen Schwerin und Lübeck – beginnt seit einigen Jahren tatsächlich eine Reise mit großen Zielen: Das sanierungsbedürftige Renaissanceschloss soll der Ort für die bisher fehlende Landesmusikakademie Mecklenburg-Vorpommern werden – und damit eine seit mehr als 30 Jahren klaffende Lücke schließen. „In zehn Jahren ist Schloss Gadebusch ein lebendiger Ort voller Begegnungen, Klänge und Ideen für ALLE Menschen aus nah und fern“, so die Vision. Für das Gemeinschaftsvorhaben „Zukunftsschloss Gadebusch – musisch. magisch. mittendrin.“ haben sich 2017 die Stadt Gadebusch, der Schlossverein Gadebusch und die gemeinnützige Organisation kultursegel zusammengeschlossen und setzen seither Schritt für Schritt ihre Ideen um. Sie werden dabei durch den Landesmusikrat Mecklenburg-Vorpommern sowie durch das Lebenshilfewerk Mölln-Hagenow fachlich begleitet. Eng verbunden mit den Themen Inklusion, Nachhaltigkeit, Demokratie und Digitalität entwickeln sie gemeinsam den Ort weiter und schaffen Gelegenheiten für musikalisch-kulturelle Bildung und Vernetzung, innerhalb der Region und weit darüber hinaus. Auch die wachsende touristische Strahlkraft sowie die Stärkung der Regionalentwicklung sind nicht zu unterschätzende Faktoren, die bei der Wiederbelebung des Gadebuscher Schlossensembles eine wichtige Rolle spielen.
Seitdem 2019 das Schloss als „Kulturdenkmal nationaler Bedeutung“ anerkannt worden ist, konnten wichtige öffentliche und private Sanierungsförderungen akquiriert werden. Die Schlosssanierung wurde zum Beispiel in das Programm „Nationale Projekte des Städtebaus“ sowie in die „Städtebauförderung von Bund und Land“ aufgenommen, sodass in den kommenden Jahren die Anlage sukzessive weiter denkmalgerecht saniert werden kann.
Wie der zukünftige Musikakademiebetrieb aussehen wird, ist bereits während der diesjährigen Sommermonate zu erleben, nachdem auch im letzten Sommer bereits viele Akademie-Aktivitäten gestaltet werden konnten: Zwischen Juli und September bewohnen und beseelen verschiedenste Gruppen den kleinen Hügel samt Schloss, Kutscherhaus, Remise und Aula. Eine Berliner 7. Klasse eröffnet, begleitet von Musiker:innen des Stegreif-Orchesters, mit einer musikalischen Klassenfahrt die Saison Anfang Juli. Die Schüler:innen weihen die großen Gemeinschafts-Zelte ein und machen sich den Schlossberg zu eigen. In den folgenden Wochen übernehmen die Kinder des dritten Gadebuscher Musikcamps sowie die jungen Musiker:innen der jungen norddeutschen philharmonie (jnp), des Landesjugendjazzorchesters Mecklenburg-Vorpommern und schließlich des sich hier gründenden Norddeutschen Schulmusikstudierendenorchesters übergangslos die Zelte und die Duschwagen – sowie die Lust am Abenteuer. Eine besondere Festival-Stimmung liegt über dem Berg und den Gästen gefällt die Atmosphäre des Aufbruchs und des Unperfekten.
Während ab 6.30 Uhr morgens der Baulärm bei der Remisen- und der Schlossfassadensanierung beginnt, improvisieren knapp 20 Meter weiter Musikensembles und „Zukunftsschloss“-Akteur:innen nicht nur musikalisch, sondern auch logistisch auf professionellste Art und Weise: Unter einem großen Sonnensegel, das eine Holzterrasse überspannt, drängen sich Anfang August die über 80 Musiker*innen der jnp beim selbstorganisierten Frühstück an Biertischgarnituren. Für die öffentliche Generalprobe mit Klaviersolist Frank Dupree zieht das Orchester kurzerhand ins Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr Gadebusch ein, um genügend Platz für Publikum und Konzertflügel zu schaffen. Die Feuerwehr war es übrigens auch, die zusammen mit dem örtlichen THW-Ortsverein dabei half, die großen Gruppenzelte und Feldbetten Mitte Juni auf dem Schlossberg für die musikalischen Gäste aufzubauen. Als abendlicher Treffpunkt dient auf dem Schlossberg eine Open-Air-Bar aus Sperrmüll-Sitzmöbeln, Lichterketten und Diskokugel, deren Gefunkel bis weit über den angrenzenden Burgsee zu sehen ist. Es lässt sich feststellen: Die „Zukunftsschloss-Akademie“ – seit Januar 2023 offizielles Mitglied im Verband der Bundes- und Landesmusikakademien – lebt und ist handgemacht.
Dank des großen Engagements von kultursegel und lokalen und überregionalen Kulturakteur*innen wie dem Schlossverein Gadebusch oder dem Landesmusikrat Mecklenburg-Vorpommern wird in Gadebusch seit einigen Jahren dieser rege Kultur- und Bildungsbetrieb ermöglicht – auch über die Sommermonate hinaus. Alle Akademie-Aktivitäten finanzieren sich bisher ausschließlich projektgebunden im Kontext des „Zukunftsschloss Gadebusch“, das neben der Musikakademie auch die Themen Museum, Engagement, Erleben und Willkommen in sich trägt. Als Abschluss des diesjährigen „Zukunftsschloss-Sommers“ wartet noch ein Highlight: Vom 1. bis 3. September 2023 wird das „zusch festival“ aus der Taufe gehoben, bei dem weit über 50 Künstler:innen und Kreative für Performances, Vernetzung und Austausch zusammenkommen. Beim Festival werden dabei auf einer Konferenz auch Themen vom kreativen Leben und Arbeiten in Mecklenburg-Vorpommern verhandelt. Begleitet wird das Festivalprogramm von einer Kulturnacht in den verwunschenen Ecken der Gadebuscher Altstadt, Mitmach-Konzerten und Schlossführungen. Auch die Kinder des Musikcamps werden hier nochmal mit ihrem Sommer-Song auftreten und singen: „Leinen los, wir gemeinsam auf ‘nem Floß, diese Reise wird famos, Fantasie ist grenzenlos!“
Man kann gespannt sein, was die weitere Reise der jungen Musikakademie noch alles mit sich bringen wird.
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