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Ein Mann in mittlerem Alter in grauem Anzug mit freundlichem Lächeln als Porträt fotografiert.

Holger Denckmann. Foto: Gerhard Sander

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Analoges Musizieren als Zentrum erhalten

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Ein Gespräch mit dem neuen VdM-Geschäftsführer Holger Denckmann
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Holger Denckmann ist seit 1. Juli 2024 beim Verband deutscher Musikschulen (VdM) und wird am 1. Oktober die Geschäftsführung des VdM von Matthias Pannes übernehmen, der Ende September in den Ruhestand geht. Zuvor hat Holger Denckmann zehn Jahre die Musikschule der Stadt Oldenburg geleitet und als Vorsitzender des Landesverbandes der niedersächsischen Musikschulen, als Mitglied des Erweiterten Bundesvorstandes und seit Mai 2023 als Mitglied des Bundesvorstandes Erfahrungen in der Musikschul- und Verbandsarbeit gesammelt. Claudia Wanner (VdM) hat ihn zu seinen ersten Wochen in der Bundesgeschäftsstelle, seinen Plänen und dem, was ihm wichtig ist, befragt.

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VdM: Möchtest Du unseren Mitgliedschulen etwas zu Deiner Person erzählen, um Dich etwas besser kennenzulernen?

Holger Denckmann: Ich habe sowohl Klassik als auch Jazz studiert und möchte mich da auch genremäßig nicht festlegen. Das war immer gut für mich – auch als Musikschulleiter – weder der Klassiker zu sein, der die Jazzer nicht versteht, oder der Jazzer, der die Klassiker nicht versteht. Um meinen Horizont zu erweitern, habe ich auch noch orientalische Musik intensiv kennengelernt. Ich lasse mich ungern in eine eindeutige Schublade stecken.

VdM: Welche Erfahrungen hast Du in Deinen bisherigen Funktionen als Musikschulleiter, Landesverbandsvorsitzender und Bundesvorstandsmitglied gemacht, die Dir jetzt in Deiner neuen Position als Bundesgeschäftsführer helfen werden?

Denckmann: Ich habe eine Sensibilität dafür bekommen, mit positiv verrückt-verdrehten Köpfen aus dem kulturellen Bereich strukturiert zusammenzuarbeiten. Kulturmenschen ticken dann doch anders als Verwaltungsmenschen. Diese Emotionalität und Kreativität für Funktionsträger zu übersetzen, habe ich immer als meine Aufgabe verstanden; dass man die Leidenschaft für die Musik nicht vergisst, sondern sie mitnimmt und versucht, zu vermitteln und zu übertragen. 

Chance auf Veränderung

VdM: Was hat Dich an dieser Aufgabe „Bundesgeschäftsführer des VdM“ gereizt?

Denckmann: Für mich war erstmal der Zeitpunkt gut, mich nach zehn Jahren Musikschulleitung – was mir sehr, sehr viel Spaß gemacht hat, was ich sehr gerne gemacht habe – zu verändern. Und dann war es auch eine Chance, eine Position zu bekommen, die es nur einmal auf der Welt gibt. Diese ganze Verbandsarbeit hat mir sehr viel Freude gemacht und ich habe auch gesehen, wie notwendig sie ist. Da möchte ich gerne Verantwortung übernehmen und mitgestalten. 

VdM: Seit Anfang Juli bist Du in der Bundesgeschäftsstelle, um Dich mit allem vertraut zu machen. Wie ist Dein Eindruck nach diesen ersten Wochen und hast Du besondere Ziele für die nächsten 100 Tage?

Denckmann: Es gibt ein Potential innerhalb der Mitarbeitenden, die Lust auf Musikschulen haben und Lust haben, sich für den Verband einzusetzen. Ich möchte die Geschäftsstelle auf digitale Füße stellen, was das Wissensmanagement, Buchhaltung und Kommunikation angeht. Und ich möchte eine große Transparenz in meine Arbeit hineinschaffen – für die Mitarbeitenden und für die Mitglieder.

VdM: Fühlst Du Dich denn nach den ersten Wochen hier gut aufgenommen?

Denckmann: Ja, da kann ich absolut ja sagen. Ich bin hier von allen sehr offen und warm empfangen worden. Mir ist auch eine große Bereitschaft zu Veränderungen entgegengekommen.

Vernetzung

VdM: Gibt es etwas, das Dich überrascht hat oder was anders als erwartet ist?

Denckmann: Überrascht hat mich, in wie vielen Gremien und Arbeitsgruppen und mit wie vielen Verbänden der VdM vernetzt ist. Diese Verbandsfamilie habe ich zwar groß eingeschätzt, aber dass sie so groß ist, hätte ich dann auch nicht gedacht.

VdM: Was machst Du als erstes, wenn Du morgens ins Büro kommst?

Denckmann: Ich begrüße morgens jede und jeden, die mir begegnen und häufig fängt der Tag mit einer Videokonferenz an, zu der ich gerade punktgenau ankomme.

VdM: Wie sieht ein normaler Arbeitstag bei Dir aus? Womit verbringst Du die meiste Zeit?

Denckmann: Wenn ich einen Tag in der Bundesgeschäftsstelle bin, verbringe ich viel Zeit mit Kommunikation mit dem Team, mit externen Partnern; dann auch damit, mich in Themenfelder einzuarbeiten und mit Projekt- und Prozessmanagement.

VdM: Was macht Dir am meisten Spaß bei Deiner Arbeit?

Denckmann: Probleme identifizieren und Lösungsmöglichkeiten erarbeiten. Es gab einmal ein Interview mit Angela Merkel, in dem sie gefragt wurde, was denn so schön daran sei, Bundeskanzlerin zu sein. Und da hat sie gesagt: „Man wacht auf und hat eigentlich jeden Tag neue Probleme.“ Das ist herausfordernd, motiviert aber auch, Lösungswege zu finden und beispielsweise einer Musikschule, die an irgendeiner Stelle nicht weiterkommt weiterzuhelfen.

VdM: Gibt es etwas, worauf Du bei Deiner Arbeit lieber verzichten würdest?

Denckmann: Die Verspätungen und Baustellen bei der Deutschen Bahn. Gerade auf der Strecke Bonn – Berlin, habe ich mir schon manches Mal einen Teleporter gewünscht.

VdM: Was ist Dir bei Deiner Arbeit wichtig?

Denckmann: Die Sinnhaftigkeit der Arbeit ist mir wichtig und durchaus auch deren Wirksamkeit. Außerdem ist mir wichtig, in einem motivierten Team zu arbeiten.

Goldstandard VdM

VdM: Wie hast Du in den letzten Jahren den VdM in Deinen bisherigen Funktionen erlebt? 

Denckmann: Als Musikschulleiter war der VdM der Goldstandard, der ganz viel Kompetenz vereint. Als ich 2017 als Regionalsprecher in Niedersachsen auf den Plan getreten bin, habe ich den VdM auf regionaler Ebene als sehr positiv empfunden, weil dieses kollegiale Miteinander in der Region Weser/Ems sehr gut lief. Auf Landesebene auch die politische Wirksamkeit und eben durchaus die Fragilität, dass Strukturen erhalten bleiben. Auf Bundesebene ist mir vor allem das ehrenamtliche Engagement, das den Verband trägt, und der so viel Hauptamtliche eben doch nicht hat, bewusst geworden. Das ehrenamtliche Engagement ist ein Vorteil, aber manchmal auch ein Nachteil, weil es manche Prozesse auch verlangsamen kann. 

VdM: Welche Konsequenzen ziehst Du jetzt daraus für Deine künftige Arbeit?

Denckmann: Ich möchte durchaus auch mal Verantwortung zugunsten einer schnelleren Entscheidung abgeben. Wir müssen als VdM insgesamt schneller werden – ohne in Aktionismus zu verfallen. Das heißt für mich als Bundesgeschäftsführer eben auch Vertrauen vorzuschießen, Verantwortung abzugeben und in unsere Strukturen – haupt- wie ehrenamtlich – zu vertrauen.

VdM: Was werden für Dich die größten Herausforderungen in den nächs­ten 100 Tagen sein?

Denckmann: Erstmal war es für mich wichtig, dass das Team der Geschäftsstelle mich kennenlernt, versteht, was mir wichtig ist und wie ich arbeiten möchte. Und dann mich eben bei unseren Partnerinnen und Partnern vorzustellen. Aktuelle Ereignisse wie das „Herrenberg-Urteil“ und die derzeit laufende Arbeitsgruppe des Bundesarbeitsministeriums überlagern manchmal beide Prozesse. Das heißt, das Tempo und die Dichte sind hier schon hoch. Es ist für mich auch eine große Umstellung, dass ich viel unterwegs und nicht immer im direkten Kontakt mit dem Team der Geschäftsstelle bin.

Blick in die Zukunft

VdM: Was wünschst Du Dir für die nächsten Jahre?

Denckmann: Ich wünsche mir, dass Musikschularbeit weiterhin so viel und noch mehr Wertschätzung erfährt. Diese darf sich dann auch gerne in Zahlen gerade im Hinblick auf die Länderfinanzierung ausdrücken. Und ich wünsche mir, dass auch im Zuge von KI & Digitalisierung – Themenfelder, die mich sehr interessieren –, der Wert, analog ein Instrument oder Gesang zu lernen und im Ensemble gemeinsam mit anderen zu musizieren, erhalten bleibt. Bei allen Mails und Prozessen sind wir alle als Musikschulen und VdM da, weil – meist junge – Menschen Musik machen und Musik lernen wollen. Das muss als Zentrum erhalten und sichtbar bleiben.

VdM: Du hast von Veränderungen gesprochen. Kann man sagen, dass sich der Bundesverband in einem Transformationsprozess befindet?

Denckmann: Ich glaube schon, dass der Bundesverband bemüht ist, die Mitglieder mehr mitzunehmen und eben auch eine größere Transparenz zu schaffen in dem, was der Verband für die Mitglieder tut. Da können wir meiner Meinung nach besser werden.

VdM: Bei all den vielfältigen Aufgaben und der damit zusammenhängenden Verantwortung: Wie entspannst Du Dich?

Denckmann: Das Erste, was ich gemacht habe, ist, mir ein Fitnessstudio in Bonn zu suchen, wo ich zweimal die Woche hingehe und das bisher auch durchhalte. Mir ist wichtig, auch körperlich gesund zu bleiben. Ich entspanne mich auch bei Fahrradtouren oder Wanderungen im Siebengebirge oder an der Nordsee – oder auch beim Polnischunterricht, der komplett andere Gehirnregionen beansprucht als die Arbeit beim VdM.

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