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Ein älterer Mann hinter einem modernen Rednerpult. Er trägt einen blauen Anzug und sein weißes Haar als zurückhaltende Halbglatze.

Gerd Eicker bei der EMU Generalversammlung 2023 in Stuttgart.

Foto: Wanner/VdM

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Bundesvorsitzender in einer bewegten Zeit

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Gerd Eicker zum 80. Geburtstag
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Dr. Gerd Eicker konnte kürzlich seinen 80. Geburtstag feiern! Gerd Eicker war von 1996 bis 2005 Bundesvorsitzender des Verbands deutscher Musikschulen (VdM); schon zuvor war er Landesvorsitzender im Landesverband Baden-Württemberg. Er übernahm den Verband von Reinhart von Gutzeit und hat gemeinsam mit Rainer Mehlig dessen Profil und Strukturen ausgebaut. Viele Projekte haben sich in dieser Zeit mit neuen Herausforderungen in der Musikschullandschaft beschäftigt, zum Beispiel das Projekt „Pro Kontrabass“, mit dem versucht wurde, dem Mangel an Kontrabassnachwuchs entgegenzuwirken. Ein weiteres Beispiel ist die „Neue Kammermusik“, mit der die spannende Welt neuer Kompositionen für Kammermusik in der Musikschularbeit weiter erschlossen wurde.

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Es ergaben sich damals auch viele strukturelle Fragen. Nach der deutschen Wiedervereinigung hatten viele Kommunen Haushaltsengpässe. Man hat sich immer stärker in Richtung Vertragsdienstleistung auf Honorarbasis orientiert. Der Verband musste sich fragen, wie er Musikschulen in finanzieller Bedrängnis unterstützen könnte; so wurden Handreichungen und Arbeitshilfen erarbeitet.

Gerade im Osten Deutschlands gab es viele Fusionen bei den Musikschulen, die nach der Wiedervereinigung dem Verband beigetreten waren. Direkt nach der Wende waren es zunächst 1.040 Mitgliedsschulen. Die damaligen Kreisgebietsreformen hatten dann zahlreiche Musikschul-Fusionen zur Folge. Und auch in anderen Bundesländern gab es Tendenzen zu Trägerformwechseln; Entkommunalisierung war damals ein Stichwort. Man versuchte Ausgründungen von Musikschulen, wollte sie teilweise in die wirtschaftliche Selbständigkeit führen. Der Trend scheint heute gestoppt. Damals war es aber ein Thema, bei dem der Verband Musikschulen helfen und neue Wege aufzeigen musste.

Gerd Eicker hat immer die Werte musikalischer Bildung und musikalisch-künstlerischer Arbeit in den Musikschulen hochgehalten. Das hat er auch in seiner eigenen Musikschule in Winnenden vorgelebt und dort immer gut auf die Balance zwischen Breite, offenen Zugängen, aufbauender musikalischer Bildungsarbeit einerseits und einer künstlerischen Orientierung andererseits geachtet. Es war ihm wichtig, dass Musikschule als vitale und interessante Struktur für Kinder und Jugendliche aufgestellt und mit Leben und Inhalten gefüllt wurde, um Schülerinnen und Schülern den Weg in die spannende Welt der Musik bestmöglich zu erschließen.

Im VdM wurden in den Kongressen, Hauptarbeitstagungen und Herbstsymposien viele Themen am Puls der Zeit aufgenommen und bearbeitet. In Eickers Amtszeit fand auch 2001 der erste Musikschul-Kongress im Osten Deutschlands, in Leipzig, statt. Es gab in dieser Zeit noch Ausgleichsnotwendigkeiten zwischen den Perspektiven des Bundesverbandes VdM und der sich profilierenden Landesverbände, die ja häufig später gegründet worden waren. Diese Ausgleichsnotwendigkeiten waren deutlich zu spüren. Gerd Eicker hat versucht, die bestmögliche Balance zwischen der Ebene des Bundesverbandes und den Landesverbänden zu schaffen. Es zeigte sich, dass man die Zusammenarbeit neu organisieren musste. Dass es eine große Verbandsgemeinschaft zwischen Bundesverband und den Landesverbänden gibt, dass „wir“ gemeinsam ein Verband sein müssen, war Gerd Eicker schon sehr bewusst. Dieses Bewusstsein habe ich, als ich 2005 als Bundesgeschäftsführer angefangen habe, aufgenommen und weitergeführt. Mittlerweile ist diese Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern so gut gewachsen, dass heute von diesen unterschiedlichen Ansätzen kaum etwas mehr spürbar ist.

Gerd Eicker hat damit angefangen, der Kooperation mit dem Schulmusikerverband – damals war das der VDS – Wege zu bereiten, einer Kooperation zwischen dem Personenverband der Schulmusiker VDS und dem Fachverband der Musikschul-Träger VdM. Das ist in einer Kooperationsvereinbarung gemündet, die wir bis heute immer wieder erneuern und mit Leben erfüllen. Damals wurde in der kommunalen Bildungslandschaft zunehmend die Öffnung der allgemeinbildenden Schule in den Lebens- und Sozialraum aktuell, so dass Kooperationsformen zwischen Musikschule und allgemeinbildender Schule entwickelt wurden, später auch in Richtung Kindertageseinrichtungen. In dieser Zeit sind viele solcher Kooperationen gewachsen.

In Eickers Vorstandschaft wurde auch versucht, eine stärkere Verbindung zwischen dem Fachverband VdM und den kommunalen Spitzenverbänden zu schaffen. Es gab ein erstes Positionspapier des Städtetages zur Musikschule, das wir dann 2010 aufgegriffen haben und – noch einmal harmonisiert – in ein gemeinsames Positionspapier aller kommunalen Spitzenverbände zur Musikschule zu fassen. Ein Thema in dieser Zeit war außerdem das Verhältnis von Einzel- und Gruppenunterricht in der Musikschule. Eicker hat selbst Notenmaterial für Geige im Gruppenunterricht herausgegeben und hat sich im Verband für die Öffnung zum Gruppenunterricht eingesetzt. In seiner Zeit wurde auch die Hinwendung zu Angeboten im Erwachsenenunterricht gestärkt.

Gerd Eicker engagierte sich nicht nur im Präsidium des Deutschen Musikrats, sondern auch international. Als langjähriger Präsident der Europäischen Musikschulunion EMU hat er die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene und den Austausch zwischen den Musikschulorganisationen von rund 25 Ländern engagiert geprägt und gefördert. Viele Musikfeste der europäischen Jugend wurden in seiner Amtszeit veranstaltet. Für alle seine Verdienste wurde er 2008 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.

Er ist bis heute als Geiger im Orches-ter seiner alten Musikschule aktiv. Das hält ihn genauso fit wie die Liebe zum Handwerken, zu seiner Familie und zu seinem Oldtimer. Als „musikpolitische Kämpfernatur“ bezeichnete Reinhart von Gutzeit seinen Nachfolger im Vorstandsamt in einem nmz-Artikel anlässlich von Eickers 60. Geburtstag. Zwanzig Jahre später wünscht ihm der Verband zu seinem Achtzigsten viele weitere gesunde und glückliche Jahre – verbunden mit einem großen Dank für sein Engagement im Sinne der musikalischen Bildung. 

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