Am 4. November 2008 verlieh die Hamburg-Mannheimer-Stiftung „Jugend & Zukunft“ zum dritten Mal ihren Natio-nalen Förderpreis. Im Rahmen eines Festaktes wurden drei Hauptpreise und acht Förderpreise vergeben. 155 Projekte aus ganz Deutschland hatten sich um die renommierte Auszeichnung beworben, die 2008 unter dem Motto „Musizieren bewegt“ stand. Die Ausschreibung richtete sich an musisch-künstlerische Projekte, die sich der Förderung und Integration benachteiligter Kinder und Jugendlicher widmen. An der Musikschule der vhs Reutlingen war die Freude über den Erhalt eines Förderpreises groß, die Weiterentwicklung des prämierten Projekts kann so realisiert werden.
Musik zum Leben“ ist eine Kooperation der Musikschule mit der Peter-Rosegger-Schule (PRS) Reutlingen, einer Sonderschule für geistig behinderte Kinder und Jugendliche. Das Konzept unterscheidet sich in Organisation und Form, im Selbstverständnis der beteiligten Lehrkräfte und bezüglich der Unterrichtsziele vom gewohnten Ablauf eines Musikschulalltags und auch von Kooperationen, die mit anderen Ganztagesschulen gepflegt werden.
Den Kernpunkt der Arbeit stellt das Ensemblespiel dar. Das Instrumentalspiel des Einzelnen ist nicht Ziel, sondern Mittel. Sämtliches Unterrichtsmaterial ist auf das gemeinsame Musizieren ausgerichtet und wird von sechs Lehrkräften im Team entwickelt. Zwölf Schülerinnen und Schüler der PRS kommen jeden Mittwochvormittag in Begleitung einer Lehrerin der Sonderschule in die Räume der Musikschule. Der Unterricht verläuft in drei Phasen zu je dreißig Minuten; dieser Ablauf ist Grundlage des rhythmisch-musikalisch-ganzheitlichen Ansatzes.
Die erste Phase beinhaltet eine rhythmische Einstimmung, Tanz und Bewegung in der Gruppe mit Perkussionsinstrumenten und Body-Percussion. Die Einheit dient der Förderung rhythmischer Stabilität und grobmotorischer Bewegungsabläufe.
In der zweiten Phase steht der Instrumentalunterricht in Zweiergruppen im Mittelpunkt: Die Jungen und Mädchen erhalten Unterricht auf ihrem Wunschinstrument. Die Instrumente sind gegebenenfalls umgebaut, umgestimmt oder präpariert. In der dritten Einheit bilden dann alle ein Ensemble: Die Bausteine des Instrumentalunterrichts werden zusammengesetzt. Jeder hat die Möglichkeit, seine „Neuigkeiten“ vorzuspielen und in das gemeinsame mehrstimmige Musizieren einzubringen. Die Musik und auch die Elemente der rhythmischen Einstimmung sind einem Thema zugeordnet. Dieses Motto wird über einen längeren Zeitraum nicht verändert und letztlich entsteht ein Programm, das die Schülerinnen und Schüler präsentieren. Das Ensemble hat sich seit seiner Gründung im September 2005 zu einem attraktiven Klangkörper entwickelt, die Aufführungen finden aufgrund ihrer Intensität und direkten Aussagekraft immer mehr Beachtung. Die Schülerinnen und Schüler erfahren Wertschätzung, sie können ihre künstlerischen Begabungen leben. Ihr Zuwachs an Selbstbewusstsein ist unübersehbar.
Nun soll die Gruppe behutsam erweitert werden und gemeinsam mit nicht-behinderten Schülerinnen und Schüler musizieren. „Integration andersrum“ ist die Absicht, um Jugendlichen aus dem Regelunterricht Berührung und Erfahrung mit der emotionalen Kraft und Ausdrucksstärke der behinderten Musikerinnen und Musiker zu ermöglichen.