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Die „Stage School Hamburg“ zu Gast in den Bücherhallen Hamburg. Foto: Falk von Traubenberg
Die „Stage School Hamburg“ zu Gast in den Bücherhallen Hamburg. Foto: Falk von Traubenberg
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Ganz schön viele Noten hier!

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Möglichkeiten der Kooperationen zwischen Musikschulen und Musikbibliotheken
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„Hier gibt es ganz schön viele Noten“, wundern sich immer wieder erstaunt Musikschullehrerinnen und -lehrer, wenn sie eine Musikbibliothek betreten. Als Musikschullehrkraft können sie sich in der Regel kostenfrei in Bibliotheken anmelden, um Noten, CDs, Musik-DVDs, Musikzeitschriften und Bücher auszuleihen.

Die 2014 unterschriebene „Nürnberger Erklärung“ zwischen dem VdM und der Internationalen Vereinigung der Musikbibliotheken, Ländergruppe Deutschland (AIBM) inspirierte Heinrike Buerke, Abteilungsleiterin für Musik und Tanz der Bücherhallen Hamburg, den Kontakt zum VdM-Bundesvorstand zu suchen und auf die Angebote der Öffentlichen Musikbibliotheken aufmerksam zu machen. Während der Hauptarbeitstagung des VdM in Oldenburg im April 2016 stellte Frau Buerke diese in einem Impulsvortrag vor.

Häufig befinden sich die Musikschule und die Musikbibliothek einer Kommune in der Verantwortung eines gemeinsamen Unterhaltsträgers. Beide haben identische Nutzergruppen. Der Musikatlas des MIZ nennt 920 kommunale Musikschulen. Dem stehen bundesweit nur 88 Öffentliche Musikbibliotheken gegenüber, die ebenfalls im Musikalmanach verzeichnet sind. Die Bachelorarbeit von Lydia Sachse „Bildungspartnerschaften von Musikbibliotheken und Musikschulen“ untersuchte den Stand der Zusammenarbeit. 37 Prozent der Musikbibliotheken arbeiten mit der kommunalen Musikschule ihrer Stadt zusammen. Diese Kooperationen zeigen hervorragende Ansätze, die jedoch immer an das Engagement einzelner Personen gebunden sind.

In Berlin rücken die Musikbibliotheken verstärkt in den Fokus der Arbeitsgemeinschaft Musikschulen, nachdem die VG Musikedition aufgrund des Kopierverbotes für Noten mit dem Abschluss von Lizenzverträgen Druck macht. Alle Musikbibliotheken bieten ihrer Musikschule vor Ort an, den Bestandsaufbau entsprechend dem Bedarf der Musikschule auszurichten und Exemplare zu staffeln. Noten können vier Wochen lang ausgeliehen werden mit der Option einer mehrmaligen Verlängerung. Musikbibliotheken leben von Besucher- und Entleihungszahlen so wie das Budget von Musikschulen nach deren Unterrichtsstunden und Schülerzahlen berechnet wird. Viele Musikschulen haben einen eigenen Notenbestand. Was läge hier näher, diesen der Musikbibliothek zur Eingliederung in ihren Bestand anzubieten, um sich auf deren professionelle Möglichkeiten der Katalogisierung und Recherche zu verlassen? Erfolgreiche Beispiele gibt es in der Stadt- und Regionalbibliothek Erfurt und der Musikbibliothek Essen. In Essen verwaltet die Musikbibliothek Orchesternoten der Folkwang Musikschule und verzeichnet sie im Online-Katalog. Musikschulen haben ein Interesse an Orchesternoten, die Musikbibliotheken in der Regel aus Kostengründen nicht anbieten. Die geringe Nutzung und die Stimmenanzahl stellt für die automatisierte Ausleihe in Musikbibliotheken eine Herausforderung dar. Essen zeigt jedoch, dass hier Synergien möglich sind.

Hat man erstmal einen Bibliotheksausweis, ist der Gang in die Bibliothek häufig nicht mal mehr notwendig. Die Bibliotheksausweisnummer genügt, um sich kostenfrei auf der Bibliothekswebsite in die Musikstreaming-Angebote Naxos Music Library (NML) mit mehr als 110.000 Alben der Klassischen und Jazzmusik oder Freegal Music für Popmusik einzuloggen. Die Bücherhallen Hamburg, die Stadt- und Landesbibliothek Potsdam und der Verbund der Öffentlichen Bibliotheken Berlins bieten diesen Komplettservice. Die NML gibt es inzwischen in recht vielen Musikbibliotheken. Beispielhaft kommentierte Linksammlungen mit Webseiten für den kostenfreien Notendownload haben mit großem Sachverstand die Ebene Musik der Stadtbibliothek Stuttgart und die Musikabteilung der Zentral- und Landesbibliothek Berlin zusammengestellt.

Kann Ihr Musikschüler nicht so viel üben, weil sich die Nachbarn beschweren? Dann bietet vielleicht die Musikbibliothek Ihrer Stadt einen Überaum. Viele Bibliotheken sind mit einem Flügel ausgestattet, der nicht nur zum Üben, sondern vor allem für Konzerte genutzt wird. Musikschulen finden in Musikbibliotheken die Möglichkeit, öffentlich zu musizieren und den Schülern aller Altersstufen Auftrittserfahrung zu bieten. Besonders gelungene Beispiele dieser jahrelang gewachsenen Konzerttätigkeit gibt es in den Bücherhallen Hamburg, der Stadtbücherei Frankfurt/Main, der Stadtbibliothek Reutlingen sowie der Musikbibliothek Marzahn-Hellersdorf in Berlin. Etablierte Konzertreihen bei freiem Eintritt sind entstanden, die von den Bibliotheksbesuchern dankbar und aufgeschlossen angenommen werden. All diese Bibliotheken und Musikschulen befruchten sich in ihrer Zusammenarbeit. Gegenüber der politischen Ebene vermitteln sie gestärkt gemeinsame Handlungsfelder. Immer schwieriger wird jedoch auch die Organisation eines Konzertes, da Honorarlehrkräfte zusätzlich für diese Arbeit bezahlt werden müssen oder den festangestellten Fachgruppenleiterinnen und -leitern damit noch mehr Arbeit aufgebürdet wird.

Personelle Engpässe gibt es in beiden Einrichtungen. Sowohl Musikschulen als auch Musikbibliotheken haben mit großen unterschiedlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Wie hilfreich ist dann jedoch der gegenseitige Austausch zum Beispiel im jeweiligen Landesmusikrat. In Berlin ist die Situation in den Musikschulen nach Einführung der Ausführungsvorschrift Honorare im Jahr 2012 nahezu untragbar geworden. Die Musikbibliotheken wissen immerhin von diesen Nöten. Sie sind im Beirat der Musikschulen Berlins vertreten, der die verantwortliche Senatsverwaltung fachlich berät. Sie zeichneten den „Masterplan Musikalische Bildung in Berlin“ des Landesmusikrates mit. Nicht zuletzt standen sämtliche zwölf Musikschulen Berlins und die Musikbibliotheken beim „Tag der Musikschulen“ im Juni 2016 im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie Seite an Seite beisammen.

Kennen Sie Ihre Musikbibliothek? Sie werden herzlich willkommen sein!

Cortina Wuthe ist Sprecherin der AG Öffentliche Musikbibliotheken der AIBM. Sie ist Musikbibliothekarin im Musikbereich der Ingeborg-Drewitz-Bibliothek in Berlin Steglitz-Zehlendorf. Die genannte Arbeit von Lydia Sachse findet sich im Internet unter http://www.aibm.info/wp-content/uploads/2013/10/ATT13VRK2.pdf

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