Musizieren fördert den Menschen. Gleichzeitig fordert es ihn auch. Deshalb hat die Stiftung Schloss Kapfenburg mit ihren Partnern 2009 das Projekt „gesunde musikschule®“ ins Leben gerufen. Es ermöglicht Schüler*innen zertifizierter Musikschulen von Anfang an, das notwendige Wissen im Bereich der Musikergesundheit zu erwerben.
Kaum etwas verbindet Körper, Geist und Seele so sehr wie das Musizieren. Wenn ein Mensch musiziert, werden gleich mehrere Gehirnareale aktiviert und stimuliert, die entspannend auf Körper und Geist wirken. Zudem schult aktives Musizieren Fähigkeiten wie Feinmotorik, Koordinations- und Konzentrationsvermögen. Deshalb ist es wichtig, alle Ebenen zu fördern und gesund zu erhalten. Denn nur wer sich in seinem Körper wohl fühlt, kann auch ausdrucksstark spielen oder singen – und das unabhängig vom Alter.
Häufige Erkrankungen
Ohne präventive Maßnahmen kann Musizieren jedoch mit körperlichen und psychischen Belastungen einhergehen. Die entstehenden Krankheitsbilder kommen aus allen medizinischen Fachgebieten, besonders häufig leiden Musizierende an Erkrankungen des Bewegungsapparats, der Bewegungssteuerung und Stimmbeschwerden. Auch seelische Belas-tungen bis hin zu Angststörungen oder Burnout-Syndrom können zu Beeinträchtigungen führen.
Genau hier setzt die Arbeit der Stiftung Schloss Kapfenburg an, die die Öffentlichkeit seit nahezu 20 Jahren für die Thematik sensibilisiert und Möglichkeiten der Prävention aufzeigt. 2005 wurde eine empirische Studie durchgeführt an der 705 junge Mitglieder von Leistungsorchestern teilnahmen. Auf einem standardisierten Fragebogen machten sie Angaben zu Punkten wie psychischer Gesamtbelastung, Gesundheitszustand, Praktiken des Übens und Gesundheitsbeschwerden. Das Ergebnis der Studie war ernüchternd und zeigte dringenden Handlungsbedarf: 24 Prozent der Teilnehmenden gaben an, Beschwerden nach dem Spiel zu haben, bei 30 Prozent traten diese während und nach dem Spiel auf. Maßnahmen wurden von den Betroffenen erst nach Eintritt gesundheitlicher Probleme ergriffen. Zudem gaben die jungen Musizierenden an, Informations- und Wissensdefizite bezüglich Entspannungs- und Stressbewältigungstechniken zu haben, signalisierten jedoch großes Interesse, die Methoden in den Musikunterricht und die Proben einzubauen.
Alltagstauglich, praxisnah
Die Ergebnisse der Studie führten zur Idee für das Projekt „gesunde musikschule®“: die Erkenntnisse der Musikermedizin und Musikphysiologie sollten alltagstauglich und praxisnah in den Musikschulunterricht integriert werden, um Musizierende schon vom Kindesalter an dabei zu unterstützen, sich für und durch das Musizieren fit zu halten.
Mentor*innen
Nach vier Jahren Konzeption ließen 2009 die ersten acht Musikschulen Mentor*innen ausbilden. In mehreren vom Freiburger Insititut für Musikermedizin konzipierten Modulen wurden Inhalte wie Körperwahrnehmung und Somagogik, die physiologischen Grundlagen des Musizierens und die psychologischen Aspekte beim Musizieren vermittelt. Da die Mentor*innen die Inhalte später direkt an ihrer Musikschule umsetzen sollen, wurde ein weiterer Ausbildungsschwerpunkt auf die Anwendung in der Praxis gelegt.
Nach Abschluss der Weiterbildung und der Implementierung der Inhalte an der Musikschule erhielten die ersten Musikschulen das Zertifikat „gesunde musikschule®“. Mittlerweile haben Musikschüler*innen in bundesweit 73 Städten die Möglichkeit, eine „gesunde musikschule®“ zu besuchen und die optimale Ausbildung am Instrument zu erhalten. Dazu zählen Musikschulen in Berlin, Hamburg und Bremen sowie zahlreiche Schulen in Baden-Württemberg.
Nicht nur die Schüler*innen profitieren vom Status „gesunde musikschule®“, auch die Musikschulen selbst. Denn mit dem Zertifikat haben sie ein Alleinstellungsmerkmal, mit dem sie sich deutlich von anderen Musikschulen abheben. Dies bietet auch Chancen auf fruchtbare Kooperationen mit musisch-kulturellen, gesundheitlichen, sozialen und bildungspolitisch engagierten Vereinigungen.
Sie nehmen damit eine aktive Vorreiterrolle in der Bildungslandschaft ein und sind die ersten Einrichtungen, die den Trend erkannt haben, der in wenigen Jahren eine Selbstverständlichkeit sein wird – die Integration von Gesundheit in den Lebensalltag. Während andere später nur reagieren können, agieren sie bereits jetzt und haben die Möglichkeit, die Zukunft mitzugestalten.
Die Bedeutung einer gesundheitlichen Ausbildung von Kindesbeinen an ist auch den Krankenkassen bewusst. Allen voran nimmt die Techniker Krankenkasse als Partner der Stiftung im Projekt eine Vorreiterrolle ein und unterstützt das Projekt „gesunde musikschulen®“ auch finanziell. Weitere starke Partner sind der Landesverband der Musikschulen Baden-Württembergs e.V. und die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg.
Die nächste Ausbildung zu Mentor*innen „gesunde musikschule®“ beginnt im November 2023.
Mehr Informationen auf www.schloss-kapfenburg.de. Die Studie zur Musikergesundheit kann dort auch bestellt werden.