Schwungvoll starten die Proben ins neue Jahr. Denn das Deutsch-polnische Jugendsinfonieorchester Görlitz/Zgorzelec hat Grund zu feiern. Seit 35 Jahren besteht es in seiner heutigen Form als eines von mehreren Ensembles an der Görlitzer Musikschule „Johann Adam Hiller“.
Wolfgang Behrend, seit 2001 Orchesterleiter in der Neißestadt, nutzt dieses Doppeljubiläum, um für das Festkonzert neue Stücke einzustudieren. Und die jungen Musiker ziehen während der wöchentlichen Proben mit. Rund 35 sind es derzeit, darunter etwa acht Musikschüler aus der benachbarten polnischen Stadt Zgorzelec. Da ihnen die deutsche Sprache nicht fremd ist, klappt es mit der Verständigung gut. Und Musik verbindet ohnehin. Das Orchester wurde 1953 zunächst für Streicher gegründet. Sieben Jahre später kamen die Bläser hinzu. Frühe grenzübergreifende Aktivitäten gaben den Ausschlag für das deutsch-polnische Miteinander, das seit 1973 lediglich kurz durch die Grenzschließung 1980/81 unterbrochen werden musste.
„Woche für Woche machen sich die Jugendlichen aus Polen auf den Weg; und sie kommen nicht nur aus Zgorzelec, sondern aus einem Einzugsgebiet, das bis nach Luban (Lauban) reicht“, sagt Kati Kasper, Leiterin der Görlitzer Musikschule. „Manchmal wurden die Orchestermitglieder bei Grenzkontrollen lange aufgehalten. Nicht selten wurden die Instrumentenkästen auf Schmuggelware untersucht und die Proben dadurch verpasst“, denkt sie zurück. Das ist Geschichte, seit Polen zum Gebiet des Schengener Abkommens gehört.
Inzwischen sind auch Verträge unterschrieben, in denen die Orchesterarbeit der jungen Musiker auf polnischer Seite anerkannt, also auch zensiert und bewertet wird. „Da die Musikschularbeit in den beiden Ländern ganz unterschiedlich strukturiert ist, stehen wir immer wieder vor neuen Herausforderungen“, so Kati Kasper. Aber gerade das sei interessant an der grenzüberschreitenden Arbeit, die sich längst nicht mehr nur auf das Jugendsinfonieorchester beschränkt.
Das wiederum spielt jedes Jahr mehrere Konzerte in der Region. Und nicht nur da: Orchesterfahrten führten die jungen Künstler in den vergangenen Jahren bereits nach Italien, Belgien oder Ungarn. Diese Reisen sowie die regelmäßigen Probenlager schweißen noch ein Stück enger zusammen. „Das ist wichtig, wenn wie hier Sprachen, Kulturen und Traditionen aufeinander treffen“, sagt die Musikschulleiterin, die durchaus stolz darauf ist, dass die Orchesterarbeit zwischen beiden Seiten der Neiße so viele Jahre Bestand hat. „Das gibt es entlang der deutsch-polnischen Grenze in dieser Form nicht häufig“, sagt sie. Unterstützung finden die Jugendlichen immer wieder von ehemaligen Mitgliedern. Auch die langjährige Zusammenarbeit mit dem gebürtigen Görlitzer Soloflötisten an der Staatskapelle Dresden, Eckart Haupt, ist nicht zu vergessen.
Dass in Görlitz in 35 Jahren trotz aller Hürden und gelegentlicher Rückschläge etwas gewachsen ist, möchte das Deutsch-polnische Jugendsinfonieorchester Görlitz/Zgorzelec am 20. April in einem Matinee-Konzert im Theater der Stadt einmal mehr beweisen.