In Baden-Württemberg wird am 14. März ein neuer Landtag gewählt: Anlass für den Landesverband der Musikschulen Baden-Württembergs, ein neues Positionspapier mit dem Titel „Musik | bildet | Gesellschaft“ auf den Weg zu bringen. Dieses Papier flankiert die an die Parteien verschickten Wahlprüfsteine, in denen nach konkreter Umsetzung der im Papier erhobenen Forderungen gefragt wird. Verbunden ist das mit einer Kampagne des Verbandes im ganzen Land: Musikschulleiter*innen sind aufgefordert, mit den Landtagsabgeordneten und Kandidat*innen ihres Wahlkreises Kontakt aufzunehmen und die Forderungen der Musikschulen zu diskutieren. Zuletzt hatte der Landesverband 2015 eine solche Positionierung vorgenommen. Seither haben sich einige Schwerpunkte verändert, so Friedrich-Koh Dolge, Vorsitzender des Landesverbands, im Gespräch.
Von besonderer Bedeutung ist die in der ersten Position formulierte Forderung nach Festschreibung der derzeitigen Landesförderung von 12,5 Prozent im Jugendbildungsgesetz. Durch die Erhöhung von vorher 10 Prozent auf diesen Satz für die Jahre 2020 und 2021 konnten trotz der Krise Gebührenerhöhungen vermieden, einige Honoraransätze angehoben und sogar Honorarstellen in Festanstellungen umgewandelt werden, berichtet Dolge. Gerade angesichts einer absehbaren Finanzlücke in den nächsten Jahren ist die gesetzliche Fixierung der Musikschulförderung durch das Land notwendig. Immerhin hatte es in den 1980er-Jahren schon einmal einen Fördersatz von fast 20 Prozent gegeben, der dann kontinuierlich gesenkt worden war. Mittelfristig wird eine Erhöhung auf 15 Prozent angestrebt.
Eine zweite Forderung bezieht sich – wenig überraschend – auf den Ausbau der digitalen Infrastruktur der Musikschulen. Umfangreiche Investitionen zum Beispiel in Breitbandanschlüsse, WLAN-Netzwerke und Endgeräte sind hier nötig, mit deren Finanzierung öffentliche Musikschulen und deren Träger überfordert sind. Ein „Digitalpakt 2.0“ für die außerschulische Bildung wird hier gefordert – und damit auch eine finanzielle Beteiligung von Land und Bund. „Wir brauchen finanzielle Mittel, um die digitale Herausforderung zu bewältigen, um Fortbildungen für unsere Musikschullehrerinnen und -lehrer umzusetzen, auch neue Konzepte zu erarbeiten“, erklärt Dolge.
Punkt drei des Papiers spricht die musikalische Leistungsförderung im Land an. Neben dem Grundsatz „Musikschule für alle“ dürfen die besonders leistungsorientierten Kinder und Jugendlichen nicht in Vergessenheit geraten. „Die gezielte Förderung sollte noch stärker auch als Aufgabe des Landes wahrgenommen werden“, heißt es. Hier orientiert sich Baden-Württemberg am Nachbarland Bayern. „Bayern hat eine Förderung, bei der die zweite Stunde in der Woche für musikalisch besonders leistungsorientierte Kinder unterstützt wird“, so Dolge. Und: „Damit wollen wir auch gemeinsam mit den Musikhochschulen der Feststellung Rechnung tragen, die grundsätzlich zu Recht angeführt wird, dass wir zu wenig dafür tun, den eigenen musikalischen Nachwuchs an ein Musikstudium heranzuführen. Dem wollen wir nachkommen, nicht nur allein für den künstlerischen Bereich, sondern insbesondere für ein künstlerisch-pädagogisches Studium, um dieses aufzuwerten und so einen Beitrag gegen den sich bereits jetzt bemerkbar machenden Fachkräftemangel zu leisten.“
„Musik braucht Zeiten und Räume – Die Schulbesuchsverordnung praxisnah modernisieren“ und „Mit Musik wird Schule gemacht – Ein Landesprogramm für Bildungskooperationen entwickeln“ heißen die folgenden Forderungen des Positionspapiers. Eine Überarbeitung der Schulbesuchsverordnung ist notwendig, damit Kinder und Jugendliche auch in der Betreuungszeit durch die allgemeinbildende Schule Angebote an dritten Orten, zum Beispiel der Musikschule, wahrnehmen können. Um Kooperationen zwischen Musikschulen und allgemeinbildenden Schulen qualitätvoll realisieren zu können, braucht es weitere finanzielle Unterstützung. „Der Landesverband (…) plädiert für ein Landesprogramm für Kooperationen zwischen allgemeinbildenden Schulen und anerkannten Einrichtungen der außerschulischen Jugendbildung.“ Bereits 2015 hatte es eine Kooperationsvereinbarung des Landes mit dem Landesverband gegeben: „Öffentliche Musikschulen als Bildungspartner im Ganztagsbetrieb“. „Da muss ich unseren Dank gegenüber der Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann aussprechen, die deutlich gemacht hat, dass diese Vereinbarung, die nicht unter ihrer Ägide unterzeichnet wurde, nach wie vor Gültigkeit hat“, erklärt Dolge. „Damit haben wir Verlässlichkeit. Aufbauend auf diese Vereinbarung wollen wir das Programm Singen–Bewegen–Sprechen (SBS), das wir im Vorschulbereich als Landesförderprogramm seit 2010 etablieren konnten, auch in die Grundschulen weiterführen.“ Damit spricht der Verbandsvorsitzende die nächste Forderung im Positionspapier an, nach der das Programm SBS gestärkt und erweitert werden soll.
Die „Erfolgsgeschichte Landesjugendorchester“, das unter der Trägerschaft des Landesverbandes steht, muss weiter gestärkt und unterstützt werden, so lautet Position Nummer sieben. Unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten müssten junge Talente in den Genuss dieser Begabtenförderung kommen können. Stabile Teilnehmerbeiträge sind dafür nötig – und damit eine auskömmliche Finanzierung des Projekts. 2022 kann das Nachwuchsensemble seinen 50. Geburtstag feiern. „Wir hoffen, dass wir das inhaltlich mit dem 70-jährigen Bestehen Baden-Württembergs vernetzen können“, kündigt Friedrich-Koh Dolge an.
Zu guter Letzt fordert der Landesverband eine Musikschulverordnung für Baden-Württemberg. Auch hier liefert Bayern mit seinem Sing- und Musikschulgesetz die Vorlage. Es geht darum, die Bezeichnung Musikschule zu schützen und damit die Qualität dieser Einrichtung hochzuhalten. Nur ein umfassendes Angebot an Instrumental- und Vokalfächern, Ensembleunterricht und Kammermusik erfüllt die Qualitätskriterien, die an eine Musikschule gestellt werden sollten.
„Wie sehen Sie die Perspektive in den kommenden vier Jahren für die Musikschulen in Baden-Württemberg?“, lautet die abschließende Frage an Dolge, der im Hauptberuf Direktor der Stuttgarter Musikschule ist. „Grundsätzlich sehe ich eine sehr gute Perspektive“, so die Antwort. „Wenn ich betrachte, wie gut wir als Verbandsmusikschulen bisher durch diese Corona-Krise gekommen sind und auch die restlichen Monate hoffentlich kommen werden: Hier können wir schon sehr stolz darauf sein, wie rasch, kreativ und mutig vorangehend unsere Musikschulen auf die für uns alle schwierige Situation reagiert haben und wie sie die Krise meistern. Trotzdem glaube ich, dass die anschließenden finanziellen Auswirkungen und die Sparmaßnahmen einschneidend sein werden. Ich hoffe, dass gerade wertgeschätzt und respektiert wird, welch positiven Beitrag wir als öffentliche Musikschulen in dieser Krise geleistet haben und – nach dem hoffentlich baldigen Ende der Pandemie – für die musikalisch-kulturelle Bildung unserer Kinder, unserer Jugendlichen und der Erwachsenen, insgesamt für alle Menschen, leisten werden.“