Wie in jedem Jahr seit 2004 fand auch in diesem Jahr am letzten Januar-Wochenende die Tagung „Dance Dynamics“, organisiert vom VdM, speziell vom Fachausschuss für die Arbeit mit Menschen mit Behinderung/Inklusion, mit Wolfgang Stange an der Akademie Remscheid statt. „Entwicklung einer kreativen Erfahrung im Tanz zur Entfaltung individueller Fähigkeiten“ lautete der vollständige Titel der Veranstaltung.
Wolfgang Stange, ein an der Londoner Contemporary Dance School bei Hilde Holger ausgebildeter Tänzer und Choreograf, gründete 1980 in London das „AMICI Dance Theatre“. Was diese Kompanie auszeichnet ist, und auch das war schon ein Element der Ausbildung bei Hilde Holger, dass sie seit ihrer Gründung inklusiv arbeitet, also von Beginn an keinen Unterschied macht zwischen Menschen mit und ohne Behinderung. Es geht vielmehr darum, jeden Menschen nach seinen Fähigkeiten in kreative tänzerische Improvisationen und Gestaltungen zu integrieren. Die Workshops, Veranstaltungen und Produktionen von „AMICI“ und Wolfgang Stange, die in der Regel alle zwei Jahre stattfinden, genießen einen weltweiten Ruf und höchste Anerkennung. So ist es auch nicht verwunderlich, dass zu der jährlich stattfindenden Veranstaltung in Remscheid regelmäßig Menschen mit und ohne Behinderung aus dem ganzen Bundesgebiet anreisen.
Wolfgang Stange stellt in seiner Arbeit keinerlei Vorbedingungen oder Voraussetzungen an das motorische oder musikalische Können. Zentrales Medium sind sowohl freie als auch themengebundene tänzerische Improvisationen und Gestaltungen. Getanzt wird natürlich zur Musik, die von den Teilnehmern oder auch von Wolfgang Stange nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wird. Während der Aufwärmübungen ohne Material, die dazu dienen, dass die gesamte Gruppe – in der Regel sind es zirka 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus unterschiedlichen Arbeitsfeldern – miteinander vertraut wird, entstehen aus den Bewegungen heraus Figuren und Skulpturen unterschiedlicher Form und Größe.
Im Anschluss folgen Übungen mit Material, seien es Bänder, Tücher, chinesische Essstäbchen oder aber Alltagsgegenstände wie Regenschirme oder Stühle, die der Bewegung und dem Gestaltungswillen freien Lauf lassen. Es geht dabei insgesamt weniger um Einzelarbeit als um Gruppengestaltungen, wobei Wolfgang Stange Wert darauf legt, dass in den Gruppen immer Menschen mit und ohne Behinderung zusammenarbeiten und ihre jeweiligen Ergebnisse vor allen anderen vortragen. Auch hier wird die Begleitmusik nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Zentral ist bei der Erarbeitung nicht das Leistungsprinzip; es geht vielmehr um Stimmigkeit und Originalität, um Kreativität und Einfallsreichtum hinsichtlich der Bewegungen und der Gesamtdarstellung. Vor allem geht es aber darum, die Fähigkeiten und Ideen der einzelnen Gruppenmitglieder sowohl in der Planung als auch in der anschließenden Darstellung zu entdecken, zu berücksichtigen und auch zu erweitern.
Ein Beispiel für Stanges Vorgehensweise: Ausgewählt werden ein oder zwei Personen nach dem Zufallsprinzip (Bleistiftdrehen), die eine musikalisch unterlegte Performance mit oder ohne Material beginnen; nach und nach gesellen sich weitere Tänzer und Tänzerinnen von alleine oder nach Aufforderung dazu. Dabei geht es um Entdeckung und Schulung musikalischer und körperbezogener Wahrnehmungen und um die Verbindung beider zu einer in sich stimmigen Darstellung.
Dass die an dem Wochenende erarbeiteten Stücke und die Vielfalt der Ideen einen hervorragenden Einstieg bieten in die bewegungsorientierte improvisatorische Arbeit mit inklusiven Gruppen in und außerhalb von Musikschulen, ist nicht von der Hand zu weisen.
Der Erfolg dieser Arbeit beruht nicht nur auf der Tatsache, dass Stange völlig unterschiedliche Teilnehmer über den Modus Kreativität zu einem Gruppenerlebnis führen kann, sondern auch darin, auf welche Art er die Gruppen führt. Er ist ständig präsent, zeigt jedem Einzelnen gegenüber Respekt und Achtung vor der individuellen Leistung. Durch genaue Beobachtung und empathische Anleitung gelingt es ihm immer wieder, kreative Ressourcen in jedem zu wecken und Interaktionsprozesse in der Gruppe in Gang zu setzen. Hinzu kommt ein hohes Maß an Flexibilität in Bezug auf die Einstellung auf unterschiedlichste Teilnehmer und deren Bedürfnisse und die flexible Handhabung einer gestellten Aufgabe. Das, was Wolfgang Stange jedoch besonders auszeichnet, sind sein ganz besonderer Humor und seine innere Bereitschaft, jeden mit einem Lachen zu begrüßen.
So wird dieses Wochenende für alle zu einem Erlebnis, das jeder gerne wiederholen möchte. Nicht zuletzt deshalb trifft man jährlich auch immer wieder bekannte strahlende Gesichter, die sich auf ein erlebnisreiches Wochenende freuen. Die Gesichter derer, die zum ersten Mal dabei sind, strahlen dann spätestens bei der Abfahrt.
Wer sich darüber hinaus einen Einblick in die äußerst anregende Arbeit von Wolfgang Stange und der „AMICI Dance Company“ machen will, sei auf folgende Internet-Seite verwiesen: www.amicidance.org