Das Deutsche Musikinformationszentrum (miz) im Deutschen Musikrat hat eine Studie zu Infrastruktur und Nutzergruppen öffentlicher Musikschulen veröffentlicht. Kooperationspartner dieser Studie war der Verband deutscher Musikschulen, der hierfür umfangreiches Zahlenmaterial zur Verfügung stellen konnte. Dieses wurde erstmals mit Bevölkerungsdaten des Statistischen Bundesamts in Beziehung gesetzt. Dabei wurden sowohl die Gesamtbevölkerung als auch unterschiedliche Altersgruppen berücksichtigt. Ziel war es außerdem, die Bundesländer untereinander zu vergleichen sowie die Abstände zwischen Unterrichtsstätten in einzelnen Ländern und Regionen zu erfassen und diese in eine Beziehung zu bringen mit dem Anteil von Musikschülerinnen und -schülern an der Gesamtbevölkerung. Die Studie brachte interessante Zahlen und Erkenntnisse zutage.
Mehr als 1,5 Millionen Menschen besuchten im untersuchten Zeitraum (2019) eine der 933 öffentlichen Musikschulen, die wiederum insgesamt über knapp 21.000 Unterrichtsstätten verfügen. Insgesamt liegt der Musikschüleranteil an der Gesamtbevölkerung bei 1,82. Wenn man nur die Gruppe der Kinder und Jugendlichen betrachtet – nach wie vor die Hauptklientel der Musikschulen –, so erhöht sich dieser Anteil auf 8,7 Prozent.
Der Überblick über die Bundesländer zeigt Erwartbares und Überraschendes. So liegt Baden-Württemberg in fast allen Altersgruppen mit seinen Musikschüleranteilen ganz vorne. Lediglich in der Gruppe der 6- bis 9-Jährigen läuft Hamburg dem südlichen Bundesland den Rang ab, was sicher mit der großen Zahl an Kooperationsprojekten zwischen Grundschulen und Musikschulen im Stadtstaat zusammenhängt. Bremen ist bezüglich der Anteile an Musikschülern Schlusslicht. Insgesamt ist die Altersgruppe der Grundschulkinder, die ein Angebot der Musikschule wahrnehmen, am häufigsten vertreten, danach werden die absoluten und relativen Zahlen wieder geringer.
Die erfassten Abstände zwischen den Unterrichtsstätten lassen auch einen Rückschluss auf die Abstände vom Wohnort zur Musikschule zu. Es zeigt sich: Es gibt eine deutliche Negativ-Korrelation zwischen diesen Abständen und den Musikschüleranteilen. Dort, wo Unterrichtsstätten nahe (und damit leichter und schneller erreichbar) sind, ist der Anteil der Musikschüler/-innen an der Gesamtbevölkerung in der Regel größer. Dass diese Abstände vor allem in den großen Stadtstaaten Hamburg und Berlin eher gering sind, in den ländlichen Regionen eher groß, verwundert nicht. „Kurze Wege fördern die musikalische Bildung“ lautet das Fazit, das das miz in seiner Pressemeldung zieht. VdM-Bundesgeschäftsführer Matthias Pannes kommentiert dies so: „Die Studie unterstreicht, wie wichtig eine wohnortnahe Versorgung durch Musikschulen ist. Außerdem zeigt sie die Bedeutung von Kooperationen mit Bildungsträgern, um vielen Kindern und Jugendlichen eine musikalische Bildung zu ermöglichen. Nordrhein-Westfalen und Hamburg, wo große Förderprogramme für Grundschüler existieren, zeigen, dass die Entwicklung in die richtige Richtung geht.“
Dies war auch Tenor einer Pressekonferenz des miz, in der die Ergebnisse der Studie präsentiert und diskutiert wurden. Dass Kooperationen mit Kitas und allgemeinbildenden Schulen eine wesentliche Rolle spielen, wenn möglichst viele Kinder erreicht werden sollen, ist kein Geheimnis. Gefragt, wie es zu erreichen sei, dass die Kurve nach der Grundschule nicht zurückgeht, dass also möglichst viele Kinder auch nach der Grundschulzeit am Instrument bleiben, erklärt der Bundesvorsitzende des VdM, Ulrich Rademacher: „Da zeigt sich, wie weit mit öffentlichen Mitteln auch individuelle Förderung möglich ist, wie Länder und Kommunen da einsteigen (…). Baden-Württemberg zeigt eindrucksvoll, dass durch gut geförderten Einzel- oder Kleingruppenunterricht, der für Eltern finanziell tragbar ist, die Zahl derer, die auch nach der Grundschulzeit leidenschaftlich ein Instrument oder das Singen erlernen, vergrößert werden kann.“
Die Bedeutung von Kooperationen betonten alle Panelteilnehmer, auch die Vorsitzende der Bundeselternvertretung, Sibylle Gräfin Strachwitz, die aus eigener Erfahrung, aber auch aus der Erfahrung vieler Eltern sprechen konnte. Dabei geht es – gerade im ländlichen Raum – nicht nur um Kooperationen zwischen Schulen und Musikschulen, sondern um das Zusammenwirken in der kommunalen Bildungslandschaft zwischen vielen „playern“. Das funktioniert, so konnten sowohl Gräfin Strachwitz als auch die Stellvertretende Landesverbandsvorsitzende des VdM in Mecklenburg-Vorpommern und Musikschulleiterin Christiane Krüger bestätigen, vor Ort oft sehr gut. Hier habe der ländliche Raum womöglich sogar einen Vorteil, so Christiane Krüger, weil man sich untereinander einfach gut kenne.
Musikratspräsident Martin Maria Krüger hob die Gemeinschaftsaufgabe von Schulen und Musikschulen im Bereich der Ganztagsbetreuung hervor. Er stellte die Bedeutung der öffentlichen Musikschulen im Gesamtfeld der Musikalischen Bildung heraus; sie seien ein zentraler Baustein des Bildungsbereichs. Er bezog sich auf die Vorgängerstudie des miz, in der es um das Amateurmusizieren gegangen war. Hier seien die öffentlichen Musikschulen zentral, die ja mit ihrer Arbeit zum Gedeihen der Amateurmusik in Deutschland wesentlich beitragen. Viele derjenigen, die heute regelmäßig oder punktuell nicht-professionell Musik machen, haben irgendwann eine Musikschule besucht. Auch Ulrich Rademacher betonte, die Musikschulen verständen sich unter anderem als Ermöglicher der Amateurmusik in den unterschiedlichsten musikalischen Zusammenhängen.
Ein weiterer Gegenstand der Untersuchung war der Anteil an Musikschülern gemessen an der Besiedlungsdichte einzelner Regionen. Das Ergebnis: „In der Gesamtschau (…) zeigt sich, dass die ermittelten Werte für dicht und mittelgradig besiedelte Regionen recht nah beieinander liegen. In mittelgradig besiedelten Gebieten werden dabei im Schnitt trotz etwas größerer Entfernungen zwischen den Unterrichtsstätten sogar leicht höhere Musikschüleranteile an der Bevölkerung erreicht. In gering besiedelten Regionen der Länder liegen die Unterrichtsstätten deutlich weiter voneinander entfernt und es werden prozentual eher weniger Menschen von den Musikschulen erreicht.“
In der Diskussion ging es abschließend auch um die Finanzierung der öffentlichen Musikschulen. Eine Drittelfinanzierung sei hier das Ziel, erklärte Rademacher: Land, Kommune und Eltern sollten die Kosten möglichst zu gleichen Teilen tragen. In der Realität sieht dies noch anders aus. Die Verteilung ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, wobei die Landeszuschüsse in der Regel hinter den Anteilen der Kommunen und der Eltern zurückbleiben. Dass die Eltern-Gebühren nicht immer weiter steigen dürften, betonte Gräfin Strachwitz. Sonst sei zu befürchten, dass immer mehr Eltern diesen Unterricht nicht mehr finanzieren könnten.
Ulrich Rademacher schließlich nannte eine weitere Erkenntnis der vorliegenden Studie: In den Bundesländern, die sich besonders für frühkindliche Bildung in der Kitazeit engagierten, so der Verbandschef, könnten signifikant mehr Kinder erreicht werden. „Das ist das Alter, in dem Kinder infiziert werden mit Musik. Wir müssen mehr unterwegs sein in den Bundesländern, in denen das noch nicht geschieht“, erklärte Rademacher. Er wies in seinem Fazit auf den Nachwuchsmangel im Bereich der Musikschullehrkräfte hin, der unbedingt zu bekämpfen sei. Und er betonte einmal mehr die wichtige Vernetzungsfunktion, die den Musikschulen in ihren Regionen zukommt.