Mit einem Festkonzert wurde im Juli im Konzertsaal der Universität der Künste Berlin (UdK) ein großes Jubiläum gefeiert: 100 Jahre Musikschule City West.
Musikalisches Ausrufezeichen zum Jubiläum
Josef Holzhauser, der Leiter der Musikschule, empfing die zahlreichen Gäste und Ehrengäste, die der Einladung nach Charlottenburg-Wilmersdorf gefolgt waren. Weitere Grußworte sprachen Kulturstadträtin Heike Schmitt-Schmelz, Bezirksbürgermeisterin Kirstin Bauch sowie Sarah Wedl-Wilson, Staatssekretärin für Kultur in der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt. Friedrich-Koh Dolge, Bundesvorsitzender des Verbands deutscher Musikschulen, machte in seinem Grußwort deutlich, dass die Entwicklung der Berliner Musikschulen Ausstrahlung auf die gesamte Musikschullandschaft in der Bundesrepublik habe und mit großem Interesse verfolgt werde. Insbesondere begrüßte er den Willen des Berliner Senats, die Anzahl der Festanstellungen in den Musikschulen weiter zu erhöhen.
Auf höchstem Niveau
Die anspruchsvollen musikalischen Beiträge des Konzertprogramms machten dem würdigen Anlass alle Ehre. Das Blechbläserensemble des Jugendorchesters, der Berliner Mädchenchor, das Jugendsinfonieorchester Charlottenburg sowie die Bigband JayJayBeCe musizierten auf einem Niveau, das höchsten Ansprüchen gerecht wurde. Was für eine grandiose Leistung aller Musikerinnen und Musiker sowie deren Dozentinnen und Dozenten, die diese Ensembles leiten und unterrichten. Nur eine jahrelange kontinuierliche Ensemblearbeit, bei der alle Schülerinnen und Schüler der Musikschule von Anfang an im Zusammenspiel motiviert und gefördert werden, ermöglicht solche hervorragenden musikalischen Ergebnisse.
Im zweiten Teil des Abends hielt Ulrich Mahlert, der als Professor für Musikpädagogik an der UdK Berlin Generationen von Musikschullehrkräften ausgebildet hat, die Festrede. Von der Fragestellung ausgehend, was eine Musikschule ausmache, beleuchtete Mahlert vor allem den Aspekt der Qualität in der Musikschularbeit als Anspruch und Voraussetzung für eine gelingende Bildungsarbeit. Integration, die sich in alle Wirkungsfelder von Musikschularbeit hinein entfaltet und konkretisiert werden sollte, könnte eine wünschenswerte Leitidee von moderner Musikschule sein. Der vollständige Vortrag ist auf der Website der Musikschule nachzulesen.
Musikalischer Höhepunkt des Abends war die Auftragskomposition des Berliner Komponisten und Lehrers an der Musikschule City West, Peer Kleinschmidt, mit dem Titel „Die Töne“, in der alle 100 teilnehmenden Musikerinnen und Musiker gemeinsam musizierten. Mädchenchor, Jugendorchester und Bigband entwickelten eine Klangvielfalt, die sich im Laufe der Komposition durch Farbenreichtum und Dynamik zu einem beeindruckenden Hörerlebnis steigerte. Der euphorische Applaus des Publikums zollte diesem denkwürdigen Konzertabend den verdienten Lohn. Glückliche und zufriedene Gesichter, wohin man auch blickte.
100 Jahre Musikschulen in Berlin
Auf großes Interesse stieß auch die an diesem Tag erstmals vorgestellte Festschrift, die 100 Jahre Musikschulgeschichte in Charlottenburg-Wilmersdorf und damit auch in ganz Berlin dokumentiert. Die Herausgeber, Andreas Eschen und Josef Holzhauser, ziehen in vielfältigen Artikeln, Dokumentationen und Abbildungen einen großen Bogen von den Anfängen der Jugendmusikschule Charlottenburg bis zur heutigen Musikschule City West, die mit 6.500 Schülerinnen und Schülern nicht nur die älteste, sondern auch die größte Berliner Musikschule ist.
1923 berief Leo Kestenberg, der zu dieser Zeit Musikreferent im preußischen Kultusministerium war, den Hamburger Musikpädagogen und einen der wichtigsten Vertreter der Jugendmusikbewegung, Fritz Jöde, als Professor an die Staatliche Akademie für Kirchen- und Schulmusik in Charlottenburg. Kestenberg beauftragte Fritz Jöde mit der Gründung einer Jugendmusikschule. Im September 1923 nahm die Jugendmusikschule Charlottenburg ihre Arbeit auf und markierte damit die Geburt der Musikschule, die heute „City West“ heißt, sowie die Etablierung der Berliner Musikschulen. Als Leo Kestenberg 1921 die Gründung von Musikschulen forderte, war das Teil eines großen bildungspolitischen Plans. Kestenberg verfasste eine umfassende Programmschrift, in der er eine Neuordnung der musikalischen Bildung beschrieb, die vom Kindergarten über alle Schultypen bis zur Universität und zur Lehrkräfteausbildung reichte. Seitdem ist kein derart umfassender „Bildungsgesamtplan“ (Wilfried Gruhn) mehr entstanden. Viele Kommunen in Berlin und in anderen deutschen Städten folgten dem Vorbild mit der Gründung eigener Musikschulen. Interessant ist der Gedanke, wie sich die Jugendmusikschule und damit auch die nachfolgenden Musikschulen entwickelt hätten, wäre der Leiter der Augsburger Singschule Albert Greiner dem Ruf von Kestenberg nach Berlin gefolgt. Nicht Jöde, der als junger Volksschullehrer „nur“ zwei Semester ergänzendes Musikwissenschaftsstudium und wenige akademische Weihen für die Besetzung einer Professur vorzeigen konnte, war die erste Wahl Kestenbergs und Carl Thiels, Direktor der Akademie für Kirchen- und Schulmusik gewesen, sondern Albert Greiner, der sich als Direktor der Augsburger Sing- und Musikschule einen Namen gemacht hatte und deutschlandweit große Anerkennung genoss. Nach der endgültigen Absage Greiners nach Berlin zu kommen wurde mit der Wahl Jödes auch eine Änderung des Konzepts für die Jugendmusikschule notwendig. Rückblickend kann man Kestenberg für seinen Mut, das Risiko mit der Berufung Jödes einzugehen und damit einen neuen Weg zu beschreiten, nur bewundern.
Vor allem mit seinem Charisma und seiner Tatkraft konnte Jöde überzeugen und nicht nur die Jugendmusikschule erfolgreich aufbauen, sondern auch als Netzwerker Impulse setzen, die mit Gleichgesinnten wie Reichenberg und Ernst-Lothar von Knorr zur Gründung der Musikschule der Musikantengilde sowie der Musikschule Neukölln führten. Tiefere und zum Teil ganz neue Einblicke in diese Entstehungszeit der Berliner Musikschulen kann man bei der Lektüre der Festschrift gewinnen, die man über die Musikschule City West beziehen kann.
Bis heute haben sich die Berliner Musikschulen, trotz der jahrelangen prekären Beschäftigungsverhältnisse mit Honorarkräften, inhaltlich gut entwickelt. Die 25 Prozent Festanstellungen, die der Senat in der vergangenen Legislaturperiode von 2016 bis 2021 umsetzen konnte, haben die Strukturen der Musikschulen gestärkt sowie die musikalischen Angebote abgesichert. Mit insgesamt 57.000 Schülerinnen und Schülern (aktuelle Daten) sind die Berliner Musikschulen ein Schwergewicht in der deutschen Musikschullandschaft. Mit seiner Vielfalt der kulturellen Zusammensetzung der Bevölkerung hat Berlin herausragende Chancen, musikalische Bildung als integratives Bindeglied in der Gesellschaft zu etablieren. Diesen Weg in die Zukunft wollen die zwölf Berliner Musikschulen gemeinsam und hoffentlich erfolgreich weiter beschreiten.
Der Autor des Artikels, Josef Holzhauser, ist Leiter der Musikschule City West.
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