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v.l.n.r.: Andreas Kolb, Klaus-Dieter Anders und Ortwin Nimczik im Musik-Café. Foto: Jörg Lohner
v.l.n.r.: Andreas Kolb, Klaus-Dieter Anders und Ortwin Nimczik im Musik-Café. Foto: Jörg Lohner
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Musikpädagogische Diskussionen im Musik-Café

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Der Verband deutscher Musikschulen auf der Leipziger Buchmesse
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Zusammen mit der neuen musikzeitung (nmz) präsentierte sich der VdM in diesem Jahr erstmals auf der Leipziger Buchmesse. In der Halle 4 hat sich dort inzwischen eine ansehnliche Musiklandschaft etabliert: Musikverlage stellen dort ebenso aus wie Verbände oder Veranstalter. Im „Musik-Café“ inmitten dieser Stände können Aussteller ihre Produkte vorstellen oder auch zu Themen-Gesprächen einladen. So auch die nmz und der VdM. „Musiklehrerdarben. Prekäre Verhältnisse in der musikalischen Bildung“ und „Was ist eigentlich Inklusion?“ hießen die Themen, moderiert von den Chefredakteuren der nmz, Andreas Kolb und Juan Martin Koch.

Klaus-Dieter Anders, Leiter der Musik- und Kunstschule Leipziger Land „Ottmar Gerster“, Mitglied des Bundesvorstands des VdM und Vorsitzender des Landesverbands der Musikschulen in Sachsen, sprach mit Ortwin Nimczik, Vorsitzender des Bundesverbandes Musikunterricht und Professor an der Musikhochschule Detmold für Musikpädagogik und Musikdidaktik, über prekäre Verhältnisse in der Musikpädagogik. Anders bestätigte, dass in Deutschland in den letzten Jahren Arbeitsplätze mit Festanstellung an Musikschulen abgebaut wurden. In Sachsen sei dieser Trend in den vergangenen zwei Jahren allerdings gestoppt worden. Mit dem Wegfall der Festanstellungen, so Anders, sei aber nicht die Leistung weggefallen.

Im Gegenteil: die Nachfrage ist nach wie vor groß, an vielen Schulen gibt es Wartelisten. Dass wenig neue, vor allem junge Kollegen eingestellt würden, sei allein schon prekär, natürlich auch die Situation der freiberuflichen Kollegen, die vielleicht ihr Leben lang keine sicheren Einkünfte, in den Ferien und im Krankheitsfall überhaupt keine Einkünfte haben. Ortwin Nimczik äußerte seine große Sorge über die Differenzierung zwischen Musiklehrern an allgemeinbildenden Schulen und den Instrumental- oder Vokalpädagogen an Musikschulen, zwischen „zwei Systemen, die eigentlich zusammen gedacht werden müssen“, so Nimczik. Das Problem an allen Schulformen, besonders in den Grundschulen, sei der Lehrermangel. Zu wenig junge Menschen ergreifen das Studium der Schulmusik und gehen dann später auch in den Lehrerberuf. Im Zusammenhang mit immer wichtiger werdenden Kooperationen zwischen schulischen und außerschulischen Partnern sprachen die Diskutanten vor allem zwei Punkte an: die bereits genannte Differenzierung, die die Bezahlung, aber auch die Konstanz betrifft: Honorarkräfte werden öfter ausgetauscht und können die geforderte Zuverlässigkeit in der Zusammenarbeit nicht garantieren.

Beide Verbandsvertreter waren sich auch darin einig, dass es allgemeingültige Qualittätsstandards geben müsse. Diese gelte es zu entwickeln. Schließlich verwies Ortwin Nimczik noch auf den Musiklehrertag, den der BMU in Kooperation mit der Leipziger Messe im Rahmen der Buchmesse veranstaltet: interessant für Schulmusiker wie für Lehrkräfte an Musikschulen.

Robert Wagner, Leiter der Musikschule Fürth, reiste mit einer Combo aus Musikern der Band „Vollgas“ nach Leipzig. Die jungen Musiker gaben im Musikcafé ein Konzert, anschließend sprach Wagner mit Irmgard Merkt, bis 2014 Professorin im Lehrgebiet Musikerziehung und Musiktherapie in Pädagogik und Rehabilitation bei Behinderung an der TU Dortmund, über die Frage „Was ist eigentlich Inklusion?“ Die UN-Behindertenrechtskonvention, so Merkt, habe die Dinge in Deutschland umgekehrt. Traten vor der Ratifizierung im Jahr 2009 behinderte Menschen eher als Bittsteller auf, so haben sie nun verbriefte Rechte. Inklusion bedeutet aber mehr als die Arbeit mit Menschen mit Behinderung. Es gehe um die Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben, so Wagner. Jeder, da waren sich Merkt und Wagner einig, müsse das tun können, was seinen Möglichkeiten entspricht und eine entsprechende Förderung erfahren. Menschen müssten auch die Chance bekommen, der Gesellschaft etwas zu geben. Neben dem viel benutzten Begriff der Teilhabe fiel hier also auch der der „Teilgabe“. Und, so Merkt, Pädagogen sollten die Angst vor der musikalischen Arbeit mit Behinderten verlieren. Sie mache einfach auch sehr viel Spaß. Der VdM ist dabei sehr weit vorne. Wagner: „Wir müssen keiner Funktionslogik gehorchen wie die allgemeinbildenden Schulen. Die Musikschule kann ‚just for fun‘ zum Schwerpunkt machen, aber auch wenn man Spaß hat, kann man gute Leistungen vollbringen. Darum geht es. Diese Funktionslogik an den Musikschulen braucht eine handwerkliche Basis, die wir durch den berufsbegleitenden  Lehrgang an der Akademie Remscheid ‚Instrumentalspiel mit Menschen mit Behinderung‘ schaffen.“ Die Musiker der Band „Vollgas“ sind übrigens Menschen mit Behinderung, die – neben ihrer Tätigkeit in Werkstätten – eine musikalische Berufsausbildung absolviert haben und jetzt in öffentlichen Konzerten auftreten, immer mit großem Erfolg: Inklusion vom Feinsten. 

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