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Musikschulen nicht digital abhängen

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Strategie muss von Bund, Ländern und Kommunen unterstützt werden
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Auf der Bundesversammlung im Oktober 2021 haben die Mitglieder des VdM ein Forderungspapier zum Thema „Musikschulen und Digitalität“ verabschiedet. „Musikschulen dürfen digital nicht abgehängt werden“, heißt es in der Überschrift.

Eine zentrale Botschaft lautet: „Die Notwendigkeit einer digitalen Offensive an den öffentlichen Musikschulen in Deutschland erfordert die gemeinsame politische Unterstützung auf den Ebenen des Bundes, der Länder und der Kommunen. Rund 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche an den Musikschulen dürfen nicht von der Teilhabe an der digitalen Entwicklung abgehängt werden. Öffentliche Musikschulen in Deutschland haben, wie andere Einrichtungen der kommunalen Bildungslandschaft und allgemeinbildende Schulen auch, einen erheblichen Nachholbedarf in der Transformation ihrer Bildungsarbeit in eine digitale Zukunft. Dies zeigt sich auch im europäischen Vergleich. Der Nachholbedarf einer Digitalisierungsstrategie in der kommunalen Bildungslandschaft wurde zudem durch die aktuelle Phase des ‚Lockdown‘ der Corona- Pandemie eindrucksvoll offengelegt.“

Nachholbedarf

Friedrich-Koh Dolge, Direktor der Stuttgarter Musikschule und Stellvertretender Bundesvorsitzender im VdM, erklärt im Gespräch, dass die Forderungen des Verbandes nicht erst seit Beginn der Corona-Pandemie auf der Agenda stehen. Vielmehr wurde bereits im Jahr 2018 mit dem Hamburger Memorandum deutlich gemacht, dass Musikschulen in Sachen Digitalisierung Nachholbedarf haben und Unterstützung benötigen. Aber natürlich, so Dolge, habe Corona in Hinblick auf Transformationsprozesse als Katalysator gewirkt. „Wir können als Verband deutscher Musikschulen sehr stolz darauf sein, mit welchem Mut und mit welcher Leidenschaft unsere Musikschulen diese großen Herausforderungen annehmen. Durch Corona mussten wir mit zusätzlichen Anstrengungen in einer enormen Geschwindigkeit an die ganze Sache herangehen“, so Dolge. Weiter heißt es im Papier: „Öffentliche Musikschulen haben zwar schon seit Jahren proaktiv Maßnahmen eingeleitet, um aus eigenen Kräften vorhandene Defizite zu beheben, stoßen jedoch jetzt ohne weitergehende politische Unterstützung auf unüberwindliche finanzielle und rechtliche – auch förderrechtliche – Hürden und Grenzen.“

In der Tat: „Musikschulen fallen durch fast alle Raster der Fördermöglichkeiten“ erklärt Dolge. „Es gab den Digitalpakt von Bund und Ländern für die allgemeinbildenden Schulen. Wir haben versucht, an diesen Geldern über die Kommunen zu partizipieren, aber es war nicht möglich. Es gibt aktuell keinen Fördertopf, auf den wir zurückgreifen könnten.“ Während allgemeinbildende Schulen zusätzliche Ressourcen beantragen können und finanzielle Förderung erhalten, sind außerschulische Bildungseinrichtungen von der Antragstellung ausgeschlossen.

Was fehlt?

Vor allem leistungsfähige digitale Infrastrukturen in den Musikschulen, so lesen wir im Forderungspapier. Dabei ist es Dolge wichtig, dass es hier auch und vor allem um kleinere Musikschulen im ländlichen Raum geht, die zum Beispiel dringend einen Breitband-Anschluss ans schnelle Internet benötigen. „Vor allem die Musikschulen im ländlichen Raum können über die Digitalität neue Zielgruppen erreichen“, erklärt der Musikschulleiter.

Notwendig ist eine Digitalisierungsstrategie von Bund, Ländern und Kommunen für die Musikschulen in der kommunalen Bildungslandschaft. Entsprechend werden drei konkrete Forderungen erhoben, die sich jeweils an eine Ebene richten:
1. Bundesmittel in Höhe von einmalig 26 Millionen Euro für digitale Infrastrukturen an öffentlichen Musikschulen (durchschnittlich 650 Euro pro Lehrkraft)
2. Bundesländer stellen Mittel in Höhe von jährlich 6 Millionen Euro von 2022 bis 2027 für eine „Digital-Offensive für öffentliche Musikschulen“ zur Verfügung (7.500 Euro pro Musikschul-Standort, insgesamt 30 Millionen Euro)
3. Digitale Bildungsallianzen in der kommunalen Bildungslandschaft auf- und ausbauen

Angesprochen werden also alle drei Verantwortungsebenen. Dazu erklärt Dolge: „Wir werden als außerschulische Bildungseinrichtungen innerhalb der kommunalen Bildungslandschaft immer wieder zwischen den Zuständigkeiten hin und her geschoben. Wenn wir auf unsere Träger, auf die Kommunen, zugehen, stoßen wir zwar zunächst auf viel Verständnis. Sie fühlen sich jedoch außerstande, diese immensen Investitionssummen alleine zu stemmen. Also werden wir auf die Bundesländer verwiesen. Die Länder wiederum verweisen uns wieder zurück an die Kommunen, weil wir öffentlichen Musikschulen in kommunaler Trägerschaft stehen. Unser Hilferuf an die Bundesebene wird aufgrund des Kooperationsverbotes, aber auch mit dem Verweis auf die Kulturhoheit der Länder, nicht erhört. Wir werden wie ein Pingpong-Ball zwischen diesen drei Ebenen hin- und her gespielt. Deshalb haben wir als Bundesvorstand nochmal deutlich formuliert, dass wir für die öffentlichen Musikschulen dringend eine Digitalisierungsstrategie benötigen, die zwischen Bund, Ländern und Kommunen abgestimmt ist.“

Positive Signale gibt es bereits: Zum einen zeigen Initiativen in einzelnen Bundesländern, dass diese durchaus den Bedarf sehen und die Musikschulen unterstützen. In Nordrhein-Westfalen wurden den Musikschulen über den Landesverband kürzlich 6,2 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt, um den nötigen digitalen Transformationsprozess in verschiedenen Bereichen der musikalischen Bildungsarbeit in Gang zu setzen (s. nmz 10/21 und 12/21). Auch andere Länder, zum Beispiel Schleswig-Holstein oder Sachsen-Anhalt, sind bereits aktiv und unterstützen die Musikschulen und ihre Landesverbände auf dem Weg in die Digitalität. Im Blick auf die Kommunen kann Dolge berichten, dass auch hier viel Verständnis und Bereitschaft spürbar sind. Das Papier sei mit den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmt. „Insofern sind wir auf einem guten Weg, zumindest was das Verständnis und die Einsicht betrifft, dass wir öffentliche Musikschulen dringend eine Unterstützung benötigen.“

„Wir machen das Ganze ja nicht zum Selbstzweck“, betont der engagierte Verbandsmensch Dolge. „Mir liegt es am Herzen, klar und deutlich zu machen, dass wir unsere Kinder und Jugendlichen in den Mittelpunkt unserer Überlegungen stellen und hier einen dringenden Handlungsbedarf sehen. Digitalität soll den analogen Zugang zur Musik nicht ersetzen, aber stark unterstützen. Wir befinden uns ja noch ganz am Anfang der Entwicklung hin zu einer digitalen Gesellschaft. Wir Musikschulen müssen uns hier jedoch einmischen! – mit viel Mut und viel Leidenschaft, damit die musikalische Bildung digital nicht abgehängt wird.“

 

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