Fünf Jahre „Kultur macht stark!“ – fünf Jahre „MusikLeben!“ des Verbands deutscher Musikschulen: Zeit zurückzuschauen und auszuwerten. Gleichzeitig gilt es aber auch in die Zukunft zu blicken, denn nach Ablauf des Programms „Kultur macht stark I“ wird es eine Neu-Auflage geben. „Kultur macht stark II“ startet 2018. Der VdM hat sich wieder beworben und wiederum den Zuschlag bekommen, ebenso wie 31 weitere Programmpartner und Initiativen. Es kann also weitergehen.
Im Rahmen einer Tagung in Dortmund ließ der Verband die letzten fünf Jahre Revue passieren. Zu Beginn, im Jahr 2013, gab es Skepsis; viele Antragsteller stöhnten über die umfangreiche Bürokratie, ohne die es keine Bewilligung gab. Der VdM richtete ein eigenes Projektbüro ein und stellte mehrere neue Mitarbeiter ein. In ihrem Rückblick auf Zahlen, Daten und Fakten zeigten Projektleiter Dirk Mühlenhaus und Projektreferent Stefan Ohm auch ein Foto der immensen Menge an Aktenordnern: Anträge, Korrespondenzen, Bescheide, Nachweise …
Vieles gab es anfangs auch mit dem geldgebenden Ministerium für Bildung und Forschung zu klären. Zum Beispiel, wer oder was eigentlich „bildungsbenachteiligt“ ist. Denn das Programm richtet sich explizit an bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche. Geklärt werden musste auch, wie genau die „außerschulische Maßnahme“ definiert werden sollte, denn in den geforderten Bündnissen aus mindestens drei Partnern durften zwar Kitas und Schulen mitmachen, aber „schulisch“ durften die Projekte auf keinen Fall sein. Vieles aber hat sich in den Jahren geklärt, eingerenkt und verbessert. „Die Entscheidung zugunsten der Bewerbung für ‚Kultur macht stark II‘ fiel dann auch viel eindeutiger aus, als von vielen Skeptikern erwartet“, berichtete der VdM-Vorsitzende Ulrich Rademacher in seiner Begrüßung der Tagungsgäste. „Wenn wir wissen, welcher Segen von Musik ausgehen kann, wenn wir am Zusammenhalt unserer Gesellschaft mitarbeiten wollen, müssen wir die Musik teilen“, so Rademacher, und dies eben auch mit den Bildungsbenachteiligten. Mit der Potsdamer Erklärung und dem neuen Leitbild des VdM habe auch das Projekt „MusikLeben!“ Fahrt aufgenommen. Und weiter: „Spätestens seit den dröhnenden Massen des 1000-jährigen Reiches wissen wir, dass Musik nicht nur Integration, Toleranz und Verständnis fördert, sondern auch Gräben aufreißen, Mauern bauen und Menschen verführen kann. Gerade in unserem sogenannten postfaktischen Zeitalter der alternativen Fakten müssen wir wieder neu lernen, mit unseren Gefühlen bewusst umzugehen. Wir müssen wieder lernen, Emotion und Ratio zu verknüpfen.“ Schließlich bilanzierte der VdM-Vorsitzende: „Durch ‚Kultur macht stark‘ sind neue Netzwerke auf kommunaler Ebene entstanden. Von diesem Aspekt der Nachhaltigkeit werden die Musikschulen noch lange profitieren.“
Gast der Tagung war auch Catrin Hannken, Referatsleiterin im Ministerium für Bildung und Forschung, und damit verantwortlich für das Programm „Kultur macht stark!“. Bei dem Ziel, den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg aufzubrechen, so Hannken, könne die Kultur eine große Rolle spielen. „Denn wir wissen, dass es für den Bildungserfolg neben den kognitiven Kompetenzen wichtig ist, wie Kinder sich selbst einschätzen.“ Gerade musikalische Erlebnisse, Aufführungen vor Publikum führten dazu, dass Kinder und Jugendliche selbstbewusster würden: ein entscheidender Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung. Wichtig bei der Fortführung, so Hannken, sei dem Ministerium die Einbindung der Eltern. Diese trage entscheidend zur nachhaltigen Wirkung der Projekte bei. Ein Erfolgsfaktor sei auch, dass Projekte mit den Geldern aus dem Programm vollfinanziert werden könnten, dass also nicht, wie es sonst oft der Fall ist, die Beschaffung weiterer Drittmittel Voraussetzung für eine Förderung sei. Insgesamt zeigte sich Hannken sehr angetan von den Bündnispartnerschaften in „MusikLeben!“.
In der anschließenden Diskussionsrunde, an der neben Catrin Hannken und Ulrich Rademacher auch der Vorsitzende der BKJ, Gerd Taube, und der Geschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Orchesterverbände (BDO), Lorenz Overbeck, teilnahmen, wurde über den Tellerrand der Musikschulen hinausgeschaut. Die BKJ als Dachverband vieler am Programm teilnehmender Verbände, hatte sich auch mit einem eigenen Projekt „Künste öffnen Welten“ beteiligt. Darüber hinaus war sie Gastgeber für die „Ständige Konferenz“ der Programmpartner, in der man sich austauschen konnte und die gleichzeitig eine Plattform für neue Kontakte darstellte. Insgesamt, so Taube, habe das Programm der Kommunikation der Verbände untereinander gut getan. Die Initiative der BKJ soll auch in den kommenden Jahren fortgesetzt werden.
Die BDO hatte sieben verschiedene Formate in ihrem „Kultur macht stark“-Portfolio. Ein Effekt unter vielen anderen, so Overbeck, sei die zunehmende Professionalisierung der meistenteils ehrenamtlich agierenden Antragsteller gewesen. Bürokratische Vorgaben erfordern ganz einfach ein Mehr an administrativer Arbeit.
Schließlich diskutierten die Beteiligten auch über die häufig – vor allem von den Musikschulen – kritisierte Einschränkung des Programms, aus dessen Mitteln keine angestellten (Teilzeit-)Lehrkräfte finanziert werden dürfen. Hier erklärte Hannken dezidiert, dass das Format der Projektförderung eine strukturelle Unterstützung von Institutionen geradezu ausschließe. Deshalb werde es in diesem Punkt keine Veränderung in „Kultur macht stark II“ geben.
Ulrich Rademacher schließlich betonte, der VdM habe in den letzten Jahren viel über den Begriff „Kernangebot“ der Musikschule diskutiert. „Wir müssen noch das Bewusstsein dafür entwickeln, dass das, was ‚Kultur macht stark‘ bewirkt hat, auch zum Kern unsere Aufgaben gehört und dies auf kommunaler Ebene immer wieder deutlich machen.“
Am Ende der Diskussion überraschte Catrin Hannken mit der ungewöhnlichen Aufforderung, „möglichst viel Geld auszugeben“. Die Mittel seien nicht alle ausgeschöpft worden, erklärte sie. Das könne und solle sich in den nächsten fünf Jahren ändern.
Schon in seinem Grußwort hatte Rademacher erklärt, die Tagung diene dazu, Bilanz zu ziehen und das bisher Geleistete zu analysieren. „Aber wir brauchen zum Auftakt für die Fortsetzung auch die Freude am Gewinn.“ Diese durfte sich im weiteren Verlauf der Tagung entfalten, in dem 12 Musikschulen dem Plenum ihre Projekte vorstellten. Hier zeigte sich eine große Vielfalt: Vielfalt bei der Wahl der Bündnispartner, bei der Ansprache der Zielgruppen und vor allem bei der Gestaltung der Projektinhalte. Workshops, Ferienfreizeiten, Musiktheateraufführungen, Chor-, Orchester- und Bandprojekte, Arbeit mit Geflüchteten oder mit Menschen mit Behinderung: die Kreativität bei der (Weiter-)Entwicklung neuer oder bekannter Formate war immens. Das Interesse ebenso wie die Begeisterung unter den Zuhörenden war entsprechend groß. In der Broschüre „MusikLeben!“ hat der VdM neben vielen allgemeinen Informationen zum Programm eine Vielzahl solcher Projekte vorgestellt. Schließlich wurden in Dortmund 15 Best-Practice-Projekte in fünf Kategorien (Kursprojekte, Freizeiten und Workshops, Aufführungen, Inklusionsprojekte, Bandprojekte) mit Gold-, Silber- und Bronzeauszeichnungen geehrt.
Den musikalischen Auftakt der Tagung lieferte die Band „Kinderhaus rockt“ der Musikschule Münster. Am Abend brachte die Band „Studio 13“ der TU Dortmund selbst die Tagungsmüdesten noch einmal in Schwung. Dass es sich hier um ein „inklusives“ Ensemble handelte, wurde den Zuhörern erst nach „Ankündigung“ deutlich: Zeichen dafür, dass Inklusion ganz offensichtlich ein Erfolgsrezept sein kann.
- Die Broschüre „MusikLeben!“ kann beim VdM (info [at] musikschulen.de (info[at]musikschulen[dot]de)) bestellt werden.