Der Landesverband niedersächsischer Musikschulen lud am 8. und 9. Juni 2023 zu seiner Mitgliederversammlung nach Wolfsburg ein. Zentrales Thema war die Förderung öffentlicher Musikschulen durch das Land Niedersachsen. In einer Podiumsdiskussion „Abstieg oder 1. Liga – Weichenstellung für die musikalische Bildung in Niedersachsen“ erörterten der Niedersächsische Minister für Wissenschaft und Kultur, Falko Mohrs, die kulturpolitischen Sprecher*innen der Landtagsfraktionen von SPD (Ulf Prange), CDU (Cindy Lutz) und B90/Die Grünen (Eva Viehoff) sowie Verbandsvorsitzender Holger Denckmann die Perspektiven der Landesförderung.
Niedersachsen soll nicht länger Schlusslicht sein
Hintergrund ist die trotz gestiegener Kosten seit über 20 Jahren unverändert geringe Strukturförderung für die 74 kommunal verantworteten Bildungseinrichtungen. Im Ländervergleich bildet Niedersachsen mit rund 1,5 Prozent Finanzierungsanteil das Schlusslicht. 10 Prozent Landesanteil sollen es nach dem Willen des Verbandes mindestens sein, denn so viel investieren die Bundesländer durchschnittlich in die öffentlichen Musikschulen. Dass alle angrenzenden Bundesländer ihre Musikschulförderung gegenwärtig erheblich steigern, erhöht den Druck auf die Einrichtungen in Niedersachsen. Die kommunalen Träger der Musikschulen, die zusammen mit den Eltern mehr als 90 Prozent der Einrichtungskosten tragen, stellen sich hinter den Musikschulverband: „Öffentliche Musikschulen sind Teil der kommunalen Daseinsvorsorge. Die Forderungen des Landesverbandes sind gerechtfertigt und werden von uns in vollem Umfang unterstützt“, so die Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen Spitzenverbände Niedersachsens.
Kulturminister Falko Mohrs (SPD) betonte in seinem Grußwort die hohe Wertschätzung, die er persönlich der Arbeit der Musikschulen entgegenbringe: „Mir ist sehr bewusst, welche Rolle die Musikschulen für die Gesellschaft und bei der Ausbildung des Nachwuchses spielen. Und ich weiß, dass das Land seiner Verantwortung für den Betrieb der Einrichtungen bei weitem nicht gerecht wird“. Deshalb sei er bereit, gemeinsam mit den Musikschulen dafür zu kämpfen, die Landesförderung an die gegenwärtigen Anforderungen anzupassen.
In der von Barbara Haack umsichtig geleiteten Diskussionsrunde wurde deutlich, dass diese Haltung des Ministers über Parteigrenzen hinweg geteilt wird. Herausgehoben wurden Qualität und Vielfalt der Angebote, die gelingende kulturelle Teilhabe etwa durch die Zusammenarbeit mit Kitas und Schulen sowie die Nachwuchsförderung, die angesichts des akuten Lehrkräftemangels dringend intensiviert werden müsse. Einigkeit bestand auch darin, den letzten Platz im Länderranking möglichst schnell verlassen zu wollen.
In der Diskussion wurde auch deutlich, dass der ländliche Raum gerade in einem Flächenland wie Niedersachsen besonderer Beachtung bedarf. In den Musikschulen außerhalb von Großstädten ist der akute Fachkräftemangel besonders spürbar, die Arbeitsbedingungen aufgrund von langen Anfahrten zu Unterrichtsstätten sind besonders verbesserungswürdig. Hier wurde die Möglichkeit ins Auge gefasst, über andere Fördertöpfe die Musikschularbeit zu unterstützen.
„Das Land braucht die öffentlichen Musikschulen mehr denn je. Nur mit einer deutlichen Stärkung der Einrichtungen können sowohl der Mangel an Musiklehrkräften an Schulen und Musikschulen wirkungsvoll bekämpft als auch die gewaltigen Herausforderungen der Ganztagsschule bewältigt werden“, betont die Präsidentin des Landesverbandes, die ehemalige niedersächsische Kultusministerin Frauke Heiligenstadt MdB.
Mit einem speziellen Präsent an Minister Mohrs unterstreicht sie augenzwinkernd die Wünsche des Landesverbandes. Dank einer glücklichen Verbindung zu dem bekannten Kinderbuchautor Paul Maar gelang es, dem Minister ein „Sams“ (für Unkundige: ein wunschmächtiges Phantasiewesen) zu besorgen. Hintergrund des Geschenkes ist ein Presseinterview, in dem sich der Minister angesichts des unterfinanzierten Kulturetats verzweifelt ein „Sams“ herbeiwünschte.
Die mit einer Grußbotschaft des Autors signierte Zeichnung kommt treffsicher zum (Wunsch)Punkt.Die Diskussion hat allen Beteiligten deutlich vor Augen geführt, dass ohne ein stärkeres Engagement des Landes die flächendeckende Infrastruktur öffentlicher musikalischer Bildung bedroht ist. Der Landesverband niedersächsischer Musikschulen wird seine Ziele und Forderungen deshalb auch weiterhin entschlossen in den politischen Raum tragen.
Für einen Hoffnungsschimmer sorgt der Minister, der sich für einen stufenweisen Anstieg der Förderung ausspricht. Zwar dämpft er angesichts der geringen finanziellen Spielräume die Erwartungen auf schnelle Lösungen, schließt aber mit Blick auf die in Kürze beginnenden Haushaltsberatungen nicht aus, dass erste konkrete Schritte bereits mit Wirkung für das kommende Haushaltsjahr erfolgen könnten.
Im weiteren Verlauf der Tagung setzten sich die zahlreich nach Wolfsburg angereisten Vertreter*innen öffentlicher Musikschulen mit aktuellen Herausforderungen des Arbeitsfeldes und möglichen Strategien, diesen zu begegnen, auseinander. Der Tagesordnungspunkt „Und wer unterrichtet morgen?“ war dem Thema Personalmarketing gewidmet. Holger Denckmann und Saskia Reher stellten Perspektiven für das Berufsbild Musiklehrer*in und konkrete Ansatzpunkte für die künftige Personalsuche und Personalentwicklung vor.
In verschiedenen Arbeitsgruppen arbeiteten die Tagungsteilnehmer*innen ferner an konzeptionellen Entwürfen zur Zusammenarbeit mit Ganztagsschulen sowie unter der Überschrift „Musikschule 2030“ zu künftigen Qualifizierungsangeboten. Die Social-Media-Beauftragte des Landesverbands stellte Ziele und Umsetzungsstrategien für Social-Media Marketing vor.
Die Tagung schloss mit einem herzlichen Dank und Applaus, gerichtet an den Leiter der Musikschule Wolfsburg Matthias Klingebiel und sein kompetentes Team für die hervorragende Unterstützung der Veranstaltung und ganz besonders auch an die zahlreichen jungen Musikschüler*nnen und Lehrkräfte, die mit ihren beeindruckenden musikalischen Vorstellungen Teilnehmer und Gäste der Tagung zu begeistern wussten.
Autor des Textes, Klaus Bredl, ist Geschäftsführer des VdM-Niedersachsen.
- Share by mail
Share on