Aus Gründen der Kostenersparnis und zur Flexibilisierung des Lehrkräfteeinsatzes nach der jeweiligen Schülerzahlentwicklung ist seit Jahren die Führung einer Musikschule ausschließlich oder doch mit einem zunehmenden Anteil von freien Mitarbeitern in der Diskussion. Die Umsetzung dieses Konzeptes in jüngster Zeit durch die Musikschule Trossingen und die daraus folgenden Arbeitsgerichtsverfahren geben Anlass, die arbeitsrechtlichen Möglichkeiten und Grenzen dieses so genannten Outsourcing aufzuzeigen.
Zum Sachverhalt: Der Trägerverein der Musikschule Trossingen hat im Frühjahr 2005 alle Arbeitsverhältnisse der Lehrkräfte, auch soweit sie teilweise nach BAT unkündbar waren, gekündigt und für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist eine Weiterbeschäftigung als freie Mitarbeiter befristet auf sechs Monate mit Vergütungen nach einem Baukastensystem auf der Grundlage des erteilten Unterrichts und der sonstigen Leistungen angeboten, nach dem inzwischen so genannten „Trossinger Modell“.
Soweit die betroffenen Lehrkräfte Kündigungsschutzklage erhoben haben, wurde in den Arbeitsgerichtsverfahren vor dem Arbeitsgericht Freiburg, Kammern Villingen-Schwenningen und dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg die Rechtmäßigkeit der Kündigung und damit die Möglichkeit einer solchen Umwandlung des Rechtsstatus der Lehrkräfte durch arbeitgeberseitige Kündigung geprüft mit folgendem Ergebnis:
Das Arbeitsgericht hat in der I. Instanz die Kündigung durch klageabweisendes Urteil bestätigt, gestützt auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 09.05.1996 zum Outsourcing der Vertriebsorganisation der „Weight Watchers“ und auf eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 22.11.1999 zum einschlägigen Fall des „Outsourcing“ an einer Musikschule betreffend einen nach BAT unkündbaren Musikschullehrer. Diese Urteile beruhen auf dem Grundsatz der freien Unternehmerentscheidung insbesondere zur Organisation „des Betriebes“.
In der II. Instanz der Trossinger Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, die durch Vergleiche beendet wurden, haben sich demgegenüber aber entsprechend dem Sachvortrag der Klage und Berufungsbegründung erhebliche und deutliche Fragezeichen zum „Outsourcing“ an Musikschulen ergeben unter folgenden rechtlichen Gesichtspunkten:
Im Fall des nach BAT unkündbaren Klägers wurde unter Berufung auf eine Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24.6.2002, wonach eine betriebsbedingte Kündigung nur in Ausnahmefällen und nur dann zulässig ist, wenn absolut keine Beschäftigung möglich ist und das Arbeitsverhältnis deshalb sinnentleert wird, die streitbefangene Kündigung als äußerst zweifelhaft angesehen, weil die Musikschule ja nicht geschlossen wird und der Arbeitsplatz weiter bestehen bleibt.
Als weiteres Argument gegen die Wirksamkeit der Kündigung auch unabhängig von der Frage der Unkündbarkeit wurde geprüft, ob die „Weight Watcher“-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts von 1996 noch ohne weiteres die Umwandlung von Arbeitsverhältnissen freier Mitarbeiter durch betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen könne, nachdem das Bundesarbeitsgericht in einer Grundsatzentscheidung vom 26.9.2002 entschieden hat, dass aus der Berufsfreiheit des Art. 12 GG nicht nur die unternehmerische Freiheit folge, sondern auch ein Mindestbestandsschutz für den Arbeitnehmer, der auf das Kündigungsschutzrecht ausstrahlt. In dem zitierten Urteil ist das Bundesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Verlagerung von Arbeitsplätzen auf eine eingegliederte Tochtergesellschaft nicht die betriebsbedingte Kündigung der Belegschaft rechtfertigt im Sinne von § 1 KSchG. Es erscheint deshalb fraglich, ob die bloße Statusänderung der Lehrkräfte an Musikschulen, die im Übrigen mit den bisherigen Arbeitsplätzen, das heißt Beschäftigungsmöglichkeiten weitergeführt werden soll, eine betriebsbedingte Kündigung im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes begründen kann.
Ein weiterer Einwand gegen die betriebsbedingte Kündigung zum Zwecke der Statusänderung war unter dem Gesichtspunkt der Scheinselbständigkeit zu prüfen, der sich im Einzelfall daraus ergeben kann, dass zwar formal freie Mitarbeiterverträge abgeschlossen werden, aber tatsächlich – und darauf kommt es grundsätzlich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entscheidend an – doch bei der Durchführung der Tätigkeit die Kriterien für Arbeitsverhältnisse, insbesondere Weisungsgebundenheit und Eingliederung in die Organisation der Musikschule weiter gegeben sind. Für diesen Fall würde in Wahrheit Scheinselbständigkeit entstehen und die betriebsbedingte Kündigung unzulässig und unbegründet sein.
Zusammenfassend lässt sich deshalb als Ergebnis der arbeitsrechtlichen Überprüfung des „Outsourcing“ an der Trossinger Musikschule feststellen, dass der Statuswechsel von der angestellten Lehrkraft zum freien Mitarbeiter keineswegs arbeitsrechtlich unbedenklich und ohne weiteres möglich ist, im Gegenteil zu erheblichen Risiken im Arbeitsgerichtsprozess führen kann und zu hohen Abfindungen als Grundlage für eine vergleichsweise Beendigung der Kündigungsschutzverfahren.
Der Autor ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Bonn und Syndikus des Verbandes deutscher Musikschulen.