Im April 2018 wählte der Landesverband der Musikschulen Baden-Würt-temberg Friedrich-Koh Dolge, vorher stellvertretender Vorsitzender, zu seinem neuen Vorsitzenden. Dolge ist seit 2002 Leiter der Stuttgarter Musikschule, seit 2008 ist er außerdem Mitglied des VdM-Bundesvorstands, seit 2013 dessen stellvertretender Vorsitzender. Die nmz sprach mit Friedrich-Koh Dolge über seine Pläne und über die Schwerpunkte seiner Arbeit.
neue musikzeitung: Sie sind Leiter einer sehr großen Musikschule, stellvertretender Bundesvorsitzender des VdM und jetzt auch Vorsitzender des Landesverbandes. Wie bekommen Sie das alles unter einen Hut?
Friedrich-Koh Dolge: Unter anderem habe ich aus diesem Grunde bei der diesjährigen Mitgliederversammlung in Sneek nicht mehr für das Präsidium der Europäischen Musikschul-Union kandidiert. Das war ein wesentlicher Schritt, den ich gemacht habe, um den Vorsitz in Baden-Württemberg übernehmen zu können, und natürlich auch, um meine Aufgaben und Verantwortung als Schulleiter wahrnehmen und meinen stellvertretenden Bundesvorsitz inhaltlich ausfüllen zu können. Mir liegt es sehr am Herzen, dass wir uns als Gesamtverband verstehen. Ich sehe den Landesvorsitz in Baden-Württemberg nicht isoliert vom Bundesverband. So kann ich viele Themen auf Bundes- wie auf Landesebene behandeln. Das VdM-„Führungsforum“ ist ein gutes Beispiel dafür: ein Thema, das mir sehr wichtig ist. Das habe ich im Land vorangetrieben, aber insbesondere auch auf der Bundesebene, und da kann ich natürlich viele Parallelen, auch inhaltlicher Art, herstellen.
Ich habe außerdem ein sehr gutes Team an der Stuttgarter Musikschule, das mich sehr unterstützt, insbesondere mein Stellvertreter Andreas Jäger, der mir auf operativer Ebene vieles abnimmt, und mein Leitungsteam, das exzellent arbeitet und die Musikschule insbesondere inhaltlich nach vorne bringt.
nmz: Matthias Hinderberger hat kürzlich im nmz-Interview gesagt, es sei wichtig, junge Menschen früh für die Verbandsarbeit heranzuziehen. Wie gelingt das in Baden-Württemberg?
Dolge: Wir haben in unserem Landesvorstand jetzt einen sehr jungen Kollegen, Christian Wolf, der erst 33 Jahre alt ist. Wir erleben hier definitiv eine Verjüngung, und durch die neue Struktur, die wir im Landesverband beschlossen haben, haben wir ein System geschaffen, in dem viele mitarbeiten, mitgestalten, mit- und vordenken können.
nmz: Auch außerhalb der Vorstandsarbeit?
Dolge: Ja, ein wesentlicher Teil der Reform war, dass wir uns in vier Bezirke aufgeteilt haben. Den Bezirksvorsitzenden kommt die große Aufgabe zu, einerseits die Themen, die den Mitgliedern wichtig sind, in den Vorstand hinein zu kommunizieren, aber auch andererseits Themen aus dem Vorstand zu den Mitgliedern. Insofern hoffen wir, dass wir durch die neue Struktur die Kommunikations-Geschwindigkeit in beide Richtungen verbessert haben.
nmz: Sie haben es angesprochen: Das Thema „Führungsforum“ liegt Ihnen sehr am Herzen. Im gesamten Bundesgebiet ist es nicht immer einfach, Nachwuchs-Führungskräfte für Musikschulen zu gewinnen. Wie sieht das in Baden-Württemberg aus?
Dolge: Wir haben auch einen Generationswechsel in den Musikschulen in Baden-Württemberg, insgesamt sieht die Situation jedoch ganz gut aus. Als Leiter des VdM-Lehrgangs „Führung und Leitung einer Musikschule“ kann ich nur Positives berichten. Die Kurse sind derzeit hervorragend ausgelastet.
nmz: Das heißt, es gibt gute Hoffnung auf Nachwuchs – nicht nur in Baden-Württemberg sondern auch in anderen Bundesländern?
Dolge: Ja, auch in den anderen Bundesländern. Wir müssen auf der anderen Seite natürlich auch dafür Sorge tragen, gemeinsam mit den Trägern der öffentlichen Musikschulen, aber auch mit den Ländern, die ja auch in unterschiedlichen Graden die Verantwortung für die öffentlichen Musikschulen wahrnehmen, dass der Beruf des Musikschulleiters, insgesamt der Beruf des Musikschulpädagogen attraktiv bleibt und attraktiver wird. In diesem Zusammenhang möchte ich den „Stuttgarter Appell“ des VdM nicht unerwähnt lassen. Wir müssen schauen, dass der Beruf des Musikschulpädagogen für junge Menschen, für Musikerinnen und Musiker interessant und erfüllend bleibt.
nmz: Ein großes Thema – nicht nur in Baden-Württemberg, aber auch gerade dort – sind die Kooperationen mit KiTas und allgemeinbildenden Schulen. Wir geht es da in Baden-Württemberg weiter, wo sind die Baustellen?
Dolge: Die Baustellen sind in Baden-Württemberg die gleichen, an denen auch andere Bundesländer gerade arbeiten. Wir haben mit „Singen-Bewegen-Sprechen“ bereits ein Instrumentarium geschaffen, mit dem wir sehr viele Kinder im Vorschulalter erreichen. Da möchte ich die Arbeit von Matthias Hinderberger fortsetzen, insbesondere den Qualitätsstandard halten sowie weiter entwickeln und verbessern. Dabei müssen wir sicher mit dem Land, insbesondere mit dem Kultusministerium, verhandeln. Im schulischen Bereich müssen wir vor allem in den urbanen Regionen, aber auch im ländlichen Bereich schauen, dass die Musikschule, sprich die außerschulische musikalische Bildung, Bestandteil der Allgemeinbildung wird, und wir räumliche und zeitliche Zugänge zu den Ganztagsschulen erhalten. In diesem Zusammenhang ist meine Vision für Baden-Württemberg, dass wir es erreichen, jedes Kind für zumindest ein Jahr mit qualifizierter musikalischer Bildung mittels entsprechender Angebote einer öffentlichen Musikschule in Berührung zu bringen. Ich bin überzeugt, dass es eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung ist, Kindern zu ermöglichen, sich selbstverantwortlich, sich aus dem Innersten heraus zu entscheiden, ob sie sich der Welt der Musik öffnen, ob sie ein Instrument erlernen oder ihre Stimme ausbilden wollen oder nicht.
nmz: Das ist die Basisarbeit. Auf der anderen Seite ist Baden-Württemberg auch dafür bekannt, dass es sehr gute und sehr begabte junge Musiker heranzieht. Ein Beweis sind die immer wieder – auch in diesem Jahr – sehr guten Erfolge beim Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“. Erschwert der Ganztag die Arbeit mit hochbegabten oder begabten jungen Musikern?
Dolge: Ich möchte in diesem Zusammenhang eher den Begriff der musikalisch besonders leistungsorientierten Kinder nutzen. Für mich ist Kooperation nicht nur im Breitenbereich, also in den Musikalisierungs-Programmen, zu verstehen. In die Kooperation mit allgemeinbildenden Schulen ist der Bereich der Leistungsförderung eingeschlossen. Wir haben in Karlsruhe, in der Region Rhein-Neckar, in Trossingen und im Großraum Stuttgart, bereits verschiedene, aber alle durchweg erfolgreiche Modelle, bei denen Musikschulen in diesem Bereich mit allgemeinbildenden Schulen und Musikhochschulen zusammenarbeiten. Das funktioniert sehr gut.
nmz: Ein anderes wichtiges Zukunftsthema ist die Digitalisierung. Ein Thema, das den Bundesverband sehr beschäftigt, aber zum Beispiel auch an Ihrer Musikschule vorangetrieben wird. Wie will sich der Landesverband hier engagieren und weiterentwickeln?
Dolge: Wir haben unsere Landesvorstandsarbeit nach Ressortzuschnitten neu geordnet; im Zuge dessen haben wir auch ein Ressort „Zukunft MS-Arbeit“ eingerichtet, in dem das Thema „Digitales“ eine maßgebliche Rolle spielen wird. Ich glaube nicht, dass die Digitalisierung die musikalische Bildung ersetzen wird. Aber ich denke, dass wir uns Wege überlegen müssen, wie wir künftig Kinder über die neuen digitalen Medien erreichen und vor allem wie wir digitale Medien als Unterstützung für unsere musikpädagogische Arbeit nutzen und in den Musikschulalltag einbinden können. Das ist ein wesentlicher Punkt, mit dem wir uns im Vorstand beschäftigen werden.
nmz: Gibt es einen Neu-Aufbruch, gibt es Kontinuität im Landesverband durch die neue Besetzung des Vorstands? Was wird sich verändern?
Dolge: Zunächst einmal muss ich betonen, dass ich sehr dankbar für das Vertrauen bin, das mir die Mitgliedschaft ausgesprochen hat, als sie mich zum Landesvorsitzenden gewählt hat. Aber natürlich bin ich nicht neu im Landesverband. Ich arbeite seit 2005 im Landesvorstand Baden-Württembergs und durfte als stellvertretender Landesvorsitzender an verschiedensten Themen maßgeblich mitwirken. Mit Sicherheit wird es eine Herausforderung werden, den Status-Quo zu erhalten, weiterzuentwickeln und auf dem Erbe der vergangenen Vorsitze aufzubauen. Wir wollen vor allem die neue Struktur, die wir im letzten November beschlossen haben, mit Inhalten füllen. Ich möchte außerdem insbesondere daran arbeiten, dass in Zukunft das Land Baden-Württemberg eine höhere finanzielle, förderrechtliche Verantwortung übernimmt.
nmz: Wie sind Sie im Gespräch mit der Landesregierung? Ist der Kontakt gut, oder wird eher gemauert, wenn es um neue Zuschüsse geht?
Dolge: Das werden wir jetzt sehen. Wir werden ein erstes Sondierungsgespräch diesbezüglich führen. Wir haben in den vergangenen Jahren schon intensiv daran gearbeitet, dass wir einen höheren Landeszuschuss erhalten. Insbesondere unsere Präsidentin Christa Vossschulte hat sich dafür eingesetzt. Insgesamt sind wir auf einem guten Weg und ich bin der festen Überzeugung, dass wir alle gemeinsam mit Engagement und Leidenschaft vieles werden erreichen können.