Der Tonkünstlerverband Baden-Württemberg (TKV BW) hat unter dem Titel „Ungleichbehandlung muss aufhören“ am 21. Mai 2019 eine Kampagne gestartet, um eine angebliche „ungleiche Behandlung von selbstständigen und angestellten Musiklehrern und Musiklehrerinnen“ anzuprangern. Bestandteil dieser Kampagne ist die Aufforderung an die TKV-Mitglieder, einen Fragenkatalog an ihre Landtagsabgeordneten und kommunalen Verantwortungsträger zu senden. Der Text ist auch an die lokale und regionale Presse gerichtet und wird von einer breit angelegten Offensive in den „Social Media“ flankiert. Mit der Kampagne werden viele Unwahrheiten und Unschärfen kommuniziert.
Faktencheck des VdM
Eine Ungleichbehandlung von kommunalen und kommunal verantworteten Musikschulen gegenüber privaten Anbietern gibt es aufgrund fehlender Vergleichbarkeit nicht. Es gibt hier weder Ungleichbehandlung noch Gerechtigkeitslücken. Die öffentlichen Musikschulen halten gemäß ihrem Auftrag ein umfassendes Bildungsangebot mit breiten Zugangsmöglichkeiten vor. Private Anbieter haben hingegen zum Teil nur eine sehr geringe Reichweite und ein zumeist eingeschränktes Angebot, das von unternehmerischen Zielen geleitet ist und auf wirtschaftlichen Erwägungen beruht.
Aufgrund mangelnder Vergleichbarkeit kann es hier auch keine „willkürliche Ungleichbehandlung“ geben.
Die Behauptung, die privaten Anbieter bildeten die zweite Säule der musikalischen Jugendbildung in Baden-Württemberg, diskreditiert sämtliche anderen Akteure der musikalischen Jugendbildung (wie z.B. Blasmusikvereine und Instrumentalensembles aller Genres, Chöre, Kirchen, Akademien für musikalische Jugendbildung etc.).
Die Annahme einer Wettbewerbsverzerrung ist gegenstandslos. Das kommunal verantwortete Musikschulangebot erfolgt nicht in den Geltungsbereichen von EU-Wettbewerbsrichtlinie und EU-Beihilferichtlinie. Die kommunale Daseinsvorsorge ist somit nicht Teil eines Wettbewerbs. Private Anbieter werden zudem sehr wohl staatlicherseits durch die Umsatzsteuerbefreiung unterstützt.
Die pauschale Behauptung, die privaten Anbieter würden Wartelisten an öffentlichen Musikschulen „abfedern“, erweist sich bei näherer Betrachtung als haltlos. Die Anmeldung an einer öffentlichen Musikschule beruht auf dem Wunsch nach dem dortigen vielfältigen Angebot, das private Anbieter in der Regel so nicht bieten können. Zudem suggeriert die Behauptung, dass es bei privaten Anbietern keine Wartelisten gäbe.
Jede öffentliche Förderung von privaten, kommerziellen Anbietern am Standort einer kommunal verantworteten Musikschule wäre daher kein Gewinn an Vielfalt und Fördergerechtigkeit, sondern würde lediglich Doppelstrukturen schaffen. Dies würde die Kommunen unnötig belasten und musikalische Bildung letztlich verteuern.
Eine Förderung musikalischer Bildung über „Bildungsgutscheine“ mag zwar auf den ersten Blick attraktiv und kreativ erscheinen, bedeutet aber den endgültigen Abschied von jeglicher Qualitätssicherheit und verkennt die Bedeutung des Netzwerkes einer Schule, die für Menschen jeglichen Alters, jeglicher Herkunft, unabhängig von finanziellen Spielräumen ein abgestimmtes, von musikalischer Vielfalt geprägtes Angebot bereithält.
Gewinnerzielung ist das Wesen unternehmerischen Handelns. Die öffentliche Bezuschussung privater Musiklehrkräfte und die strukturelle Förderung privater Anbieter mit Steuergeldern zum Zweck der Gewinnsteigerung sind unzulässig.
Im Folgenden nehmen wir Stellung zum Fragenkatalog des TKV BW:
Zu Frage 1 „Wie schätzen Sie den bayerischen Weg ein, zusätzliche Mittel für die musikalische Bildung zur Verfügung zu stellen und diese durch den Tonkünstlerverband ausreichen zu lassen?“
Bayern sticht damit heraus, dass es die Bayerische Sing- und Musikschulverordnung gibt, die – anders als in anderen Bundesländern – Namen und Qualität von Musikschulen definiert, schützt und sichert. Eine öffentliche Förderung in Baden-Württemberg ist nicht auf kommunale und kommunal getragene Musikschulen beschränkt. Auch private Anbieter können gemäß §§4 und 9 JBG eine Landesförderung erhalten, sofern sie die dort genannten Voraussetzungen erfüllen. Dies ist bereits geübte Praxis.
Zu Frage 2 „Wie ist Ihre Haltung zu einem Bildungsgutschein, bei dem die Förderung direkt beim Empfänger ankommt?“
Es ist nicht tragbar, dass Nutzer privaten Musikunterrichts direkt Bildungsgutscheine (Geld) erhalten sollen. Voraussetzung für die öffentliche Förderung wäre, dass zur Überprüfung des Angebots und seiner Qualität sowie der tatsächlichen korrekten Verwendung der Fördermittel für diesen Zweck eine kommunale „Aufsicht“ hergestellt werden müsste. Denn bei den Fördermitteln handelt es sich um Steuergelder. Öffentliche Förderung muss regelmäßig in öffentlichem Auftrag fachlich eingesetzt und evaluiert werden. Dies gewährleistet, dass öffentliche Mittel nachweislich immer den Schülerinnen und Schülern zu Gute kommen und nicht in Strukturen und privaten Gewinnspannen hängen bleiben.
Eine regelkonforme Verwendung dieser Mittel durch „Bildungsgutscheine“ im Sinne des TKV BW (die die Schüler und ihre Familien ohne „bürokratische Hindernisse“ erhalten würden) wäre nur schwer nachweisbar.
Zu Frage 3 „Wie ist Ihre Haltung zu der Tatsache, dass staatliche Förderung für Fortbildung nur angestellten Lehrkräften zugutekommen kann?“
Selbstverständlich können in Baden-Württemberg freiberuflich tätige Lehrkräfte an Fortbildungen für Musikschullehrkräfte teilnehmen, die vom Land mit Mitteln aus dem Landesjugendplan gefördert werden.
Zu Frage 4 „Wie ist Ihre Haltung zu einer institutionellen Förderung des Berufsverbandes der freien/privaten Musiklehrer?“
Die institutionelle Förderung eines Berufsverbandes obliegt nicht der kommunalen Zuständigkeit.
Mit dieser Stellungnahme ist natürlich in keiner Weise die pädagogische Qualität und gute Arbeit der zahlreichen Lehrkräfte angesprochen, die im DTKV Mitglied sind und an öffentlichen Musikschulen im VdM beschäftigt sind, sei es als angestellte oder als freiberuflich tätige Lehrkräfte. Ob deren Funktionäre allerdings – zumal nach der Erfahrung gescheiterter Petitionen – wirklich deren Interessen vertreten, wird sicher innerverbandlicher Diskussion obliegen.