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Viele Schritte in die Zukunft

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Die Lüneburger Musikschule als Projektpartnerin der UNESCO-Schulen Ostniedersachsens
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Als Kathy Kelsh Anfang der 90er-Jahre zum ersten Mal einen Gottesdienst in der altehrwürdigen St. Johannis Kirche zu Lüneburg besuchte, wurde sie vom Pastor noch mit der Frage überrascht, ob sie „als Gastarbeiterin“ in die Stadt gekommen sei. Inzwischen kennt man die Amerikanerin in Lüneburg, als Musikerin, als Geigenlehrerin und seit fünf Jahren auch als Orchesterleiterin. Das von ihr geführte Streichorchester „Strings!“ der Musikschule der Stadt Lüneburg ist eine feste Größe im Musikleben der Region geworden, ist in den vergangenen Jahren auch in die USA, nach Frankreich und Spanien gereist, pflegt den Austausch mit Partner-Musikschulen in diesen Ländern.

Anfang Juli 2005 steht Kathy Kelsh wieder in Lüneburgs berühmtester Kirche. Ihr Orchester hat eben zum ersten Mal die Kantorei von St. Johannis begleitet; das dürfen sonst nur professionelle Ensembles. Nach dem Konzert spricht Heinz-Jürgen Rickert, Landeskoordinator der UNESCO-Projekt-Schulen in Niedersachsen, sie an. Ob sie  „Rhythm is it!“ kenne? Natürlich! – Sie hatte den Dokumentarfilm Ende 2004 im Kino gesehen, war fasziniert von der Energie der Bilder und der Musik, begeistert von den jungen Tänzerinnen und Tänzern, beeindruckt von der Perfektion der Berliner Philharmoniker bei Strawinskys „Sacre“. Mit einem Schlagzeuger der Philharmoniker, der damals dabei war, hatte sie lange über das pädagogische Konzept diskutiert, über die Arbeit des Choreographen Royston Maldoom, der für dieses Projekt im Education-Programm der Berliner Philharmoniker 200 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit unterschiedlichster tänzerischer Vorbildung zusammengeführt hatte. Und den im Film dokumentierten Ausspruch von Dirigent Sir Simon Rattle, „Royston, that’s fucking unbelievable!“, hatte ihr jüngster Sohn längst zum geflügelten Alltagswort umfunktioniert. Kein Wunder also, dass Kathy Kelsh spontan zusagt, als Heinz-Jürgen Rickert sie und die „Strings!“ einlädt, bei einem Tanzperformance-Projekt der ostniedersächsischen UNESCO-Schulen mitzuwirken. Als Rickert berichtet, die Lüneburgerin Kerstin Kessel, Balletttänzerin und erfahrene Tanzpädagogin, übernehme Choreographie und Einstudierung, ist sie endgültig für das Projekt gewonnen.

Rickerts Konzept ist von „Rhythm is it!“ inspiriert, Gemeinsamkeiten beschreibt er so: „Schülerinnen und Schüler werden mit ihnen nur partiell vertrauter Musik konfrontiert und entdecken dabei ihre eigene Kreativität. Sie lernen, ein Verantwortungsgefühl jenseits persönlicher Befindlichkeiten zu entwickeln, ein kollektives Vorhaben durch individuelle Kraftanstrengung zum Erfolg zu führen und sich dabei auch durch schwierige Phasen im Rahmen der Probenarbeit nicht entmutigen zu lassen.“

Doch in anderen wichtigen Punkten gibt es Unterschiede, die das Lüneburger Projekt einzigartig machen: Während Royston Maldoom unerfahrene Kinder und Teenager mit gut trainierten, mindestens semiprofessionellen Tanzkompanien kombinieren konnte, sollen in Lüneburg ausschließlich Schulkinder aus den Klassen 7 bis 10 auf der Bühne stehen, die bis dahin höchstens mal bei der letzten Klassenfete als Tänzer aufgefallen sind. Inhaltlich setzt die Lüneburger Performance sich unmittelbar mit der Erlebniswelt der Jugendlichen auseinander. Dazu Heinz-Jürgen Rickert: „Im Mittelpunkt stehen die Schülerinnen und Schüler, ihre Schritte, ihre Bewegungen, ihre Motivationen, ihre Bedürfnisse und Wege. Es geht um Banales und Besonderes, um Alltag und Aufbruch, um Lernen und Leben. Teenager tanzen eine Handlung, die sich um jugendliche Themen rankt wie Aggression, Orientierungslosigkeit, Gruppenzwänge, aber auch um Freundschaft, Vertrauen, Party und natürlich um Liebe.“ Titel des Projektes: „Wohin gehst Du? – Schritte in die Zukunft“. Für die Erzählung einer konkreten, jugendgemäßen Handlung hat die Choreographin Kerstin Kessel Szenen entwickelt, deren musikalische Ausgestaltung sich zunächst als schwierig erwies; geeignete Streichorchestermusik ließ sich einfach nicht finden. Erst als Kathy Kelsh der Tänzerin ein Stück aus eigener Feder vorstellte, das sie in den 80er-Jahren mit der Fusion-Band „Kathy Kelsh Group“ in den Berliner Clubs gespielt hatte, vorstellte, sprang der Funke über. Nach und nach schrieb Kelsh nun die Musik für alle acht Szenen, es entstand eine Musik, die klassische Streicherklänge ebenso bietet wie HipHop-Grooves und minimalistische Klangschleifen. Zu ihrer Realisierung werden die „Strings!“ durch eine kleine Jazz-Combo verstärkt.

Seit Januar 2006 wird nun geprobt, 350 Schülerinnen und Schüler aus den fünf UNESCO-Projekt-Schulen von Lüneburg bis Lüchow haben sich beworben, mitmachen können nur 100. Damit die Tänzerinnen und Tänzer (der Anteil der Jungen liegt bei erstaunlichen 50 Prozent) mit Musik arbeiten können, mussten die „Strings!“ schnell zu ersten Ergebnissen kommen und diese auf CD aufnehmen. In einer gemeinsamen Projektwoche im Juni werden dann Bühne und Orchester zusammengeführt. Premiere ist am 1. Juli 2006 im Theater Lüneburg. Weitere Auftrittsorte sollen Hitzacker, Wolfsburg, Hannover und Bremen sein. Eine Tanzperformance für Jugendliche, getanzt und gespielt von Jugendlichen – in der Region Lüneburg steigt die Spannung. (Informationen zum Projekt findet man im Internet unter www.wohin-gehst-du.net

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