„Musikschulen in Veränderung“: So lautete der Titel der diesjährigen Hauptarbeitstagung des Verbandes deutscher Musikschulen. Austragungsort war Hamburg, und diejenigen, die bereits zur Bundesversammlung anreisten, durften sich über den spektakulären Blick von der Elbphilharmonie-Plaza über den Hamburger Hafen freuen, bevor sie den Kleinen Saal des von Hamburgern und Besuchern aus aller Welt inzwischen geliebten Konzerthauses betraten. Der zweite Teil der Tagung fand am folgenden Tag in der als Austragungsort bestens geeigneten Staatlichen Jugendmusikschule Hamburg statt.
Überhaupt sorgten die Gastgeber – neben der Jugendmusikschule hatte sich auch das Hamburger Konservatorium intensiv an den Vorbereitungen beteiligt – für eine reibungslose Organisation, für eine tolle Tagungsatmosphäre und für beeindruckende musikalische Umrahmungen. „Eine Stadt zwischen Elphi und JeKi“, so beschrieb Ulrich Rademacher, Bundesvorsitzender des VdM, die Musikstadt Hamburg im Rahmen eines Empfangs von Bildungssenator Ties Rabe im Alten Rathaus: Hochkultur und musikalische „Graswurzelarbeit“, so Rademacher, ergänzen sich in der Hansestadt aufs Beste.
Bundesversammlung
Dass sich Musikschulen in Veränderungsprozessen befinden, ist nicht neu, mussten sie sich doch in den letzten Jahren auf zahlreiche neue Aufgaben, neue Strukturen und neue Herausforderungen einstellen. Der VdM hat stets zeitnah reagiert – mit politischen Statements und Forderungen, aber auch mit Fortbildungen und Hilfestellungen für seine Mitglieder. Bei der Reaktion allerdings macht der Verband nicht Halt, sondern versucht immer wieder, proaktiv vorauszudenken und Veränderung mitzugestalten. Um beides, Reaktion und Aktion, sollte es nun während der zwei Hamburger Tage gehen.
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher bestätigte in seinem Grußwort die Bedeutung, die der Musik und der musikalischen Bildung in seiner Stadt zukomme. Ausdrücklich lobte er die Arbeit der beiden VdM-Musikschulen und verwies auch auf das intensive Education-Programm der Elbphilharmonie. Ulrich Rademacher startete mit einem persönlichen Statement zur aktuellen ECHO-Diskussion in die Versammlung (s. linke Seite). Dann skizzierte er zwei Themenkomplexe, die im Zentrum der Veranstaltung stehen sollten: „der Erneuerungs- und Veränderungsbedarf angesichts neuer gesellschaftlicher Herausforderungen, der manche zu mutigen, kreativen und zukunftsweisenden Visionen inspiriert, anderen eher schlaflose Nächte bereitet“. Stellvertretend nannte er den Zusammenhalt der Gesellschaft, die Digitalisierung und die Inklusion. Das zweite Thema: „die politische Verantwortung für musikalische Bildung“. Ausführlich beschrieb der Bundesvorsitzende die zahlreichen Erfolge, die die Musikschularbeit, aber auch die Arbeit des Verbandes seit ihrer Gründung gezeitigt haben. Verschiedene Papiere feiern just in diesem Jahr runde Jubiläen, so die Auf- und Ausbaupläne für Musikschulen (50 Jahre), der Ergänzungsplan musisch kulturelle Bildung zum Bildungsgesamtplan (rund 40 Jahre), dem eine Reihe von Landesmusikplänen folgten, oder die Konzeption kulturelle Bildung des Deutschen Kulturrates (30 Jahre). Auch in der jüngeren Vergangenheit konnte der VdM zum Beispiel mit der Erneuerung seines Strukturplans, dem gemeinsamen Positionspapier der Kommunalen Spitzenverbände, dem KGSt-Gutachten Musikschule und mit mehreren eigenen Positionspapieren erfolgreich inhaltlich und politisch agieren. Aber, so Rademacher, „das leise Aushöhlen dieser Qualitäten, Ökonomisierung allenthalben, Konsumorientierung und utilitaristisches Denken bedrohen das Erreichte“. Die Musikschulen könnten dem durchaus selbstbewusst etwas entgegensetzen. „Zeigen wir also der Gesellschaft, was wir können, und fordern wir die Rahmenbedingungen ein, die wir für unseren Dienst an den Menschen brauchen. Denn wir verbrauchen kein Geld, sondern wir wandeln Geld um in Bildungschancen.“ Der Politik müsste glaubhaft zweierlei vermittelt werden: „Erstens, dass wir sie in der Sorge um dringend benötigten Nachwuchs, gerade im ländlichen Raum der neuen Bundesländer, nicht alleine lassen und zweitens, dass wir dabei unsere Verantwortung für Qualität nicht vernachlässigen.“
Bei aller Bedeutung der politischen und strukturellen Arbeit artikulierte Rademacher am Schluss seiner Eingangsrede einen Wunsch: „Ich wünsche mir eine Musikschule, die durch die Musik selbst und die Leidenschaft derer, die sie vermitteln, zum Lieblingsort für Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senioren wird, die zur Begegnung der Generationen, der Kulturen, der Stile einlädt, in der die Freude an der Musik geteilt wird.“
Im internen Teil der Bundesversammlung ging es um aktuelle Projekte und Themen der Verbandsarbeit. Sibylle Gräfin Strachwitz, Vorsitzende der Bundeselternvertretung der Musikschulen, skizzierte die Arbeit auf Bundesebene und der Musikschul-Eltern vor Ort. Sie appellierte an die Musikschulleitungen und -träger, die Eltern in ihrer Region für diese wichtige ehrenamtliche Arbeit zu motivieren. Die neue europäische Datenschutz-Grundverordnung, die viele neue bürokratische Pflichten mit sich bringt, war ebenso Thema wie das Urteil des Bundessozialgerichts zum Thema Honorarlehrkräfte an Musikschulen. Dieses erläuterte der langjährige VdM-Justiziar Wolf Steinweg. Das Revisionsurteil, so Steinweg, habe das Urteil des Landessozialgerichts NRW aufgehoben und in wichtigen Bereichen Klarheit gebracht. Das „Aber“ folgte auf dem Fuße: Entscheidend seien immer noch die Umstände im Einzelfall; eindeutige Rechtssicherheit sei nicht gegeben. Steinweg empfahl den Musikschulen eine Revision der Honorarverträge und schloss mit den Worten: „Rechtssicherheit gibt es nur mit Anstellungsverhältnissen.“
Über den aktuellen Stand beim Projekt „Kultur macht stark“ berichteten Volker Gerland als Vorsitzender der Jury und Dirk Mühlenhaus, Projektleiter im VdM. „Kultur macht stark 1“ wurde erfolgreich abgeschlossen, „Kultur macht stark 2“ inzwischen – bei großer Nachfrage – gestartet. Verbesserungen soll es bei der Bedienung der Datenbank geben. Die Forderung, auch festangestellte Lehrkräfte in die Programme einbeziehen zu können, wurde vom Ministerium allerdings bedauerlicherweise abgelehnt.
Hamburger Memorandum
„Veränderung“ als Grundthema bestimmte die Hauptarbeitstagung an beiden Tagen. Eines der vom VdM benannten Felder der Veränderung ist die Digitalisierung. Hierzu wurde in der Bundesversammlung ein „Hamburger Memorandum“ diskutiert und beschlossen, in dem Unterstützung auf dem Weg der Musikschulen in die digitale Welt gefordert wird (Abdruck des Memorandums siehe linke Seite!).
Austausch und Diskussion
Der Tag 2 der Hauptarbeitstagung galt – jenseits von Verbands-Formalia – der inhaltlichen Diskussion. Den Auftakt machte eine von Bundesgeschäftsführer Matthias Pannes moderierte Podiumsdiskussion zum Thema „Beschäftigungsverhältnisse an Musikschulen“. Auf dem Podium: Armin Augat, Geschäftsführer des Kommunalen Arbeitgeberverbands Bayern, Jörg Freese, Beigeordneter des Deutschen Landkreistages, Rechtsanwalt Wolf Steinweg und Ulrich Rademacher. Hier ging es erneut um Vertragsverhältnisse, um die dazu gefällten Gerichtsurteile und um den zukünftigen Umgang mit dem Thema „Honorarverträge“. Einen ausführlichen Bericht zu dieser Diskussion lesen Sie in der kommenden Ausgabe der nmz.
World Café und Arbeitsgruppen
Im Anschluss waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der HAT gefragt. Zunächst in sehr angeregten Diskussionen in einem World Café, dann in vertiefenden Arbeitsgruppen beschäftigten sie sich mit den verschiedenen für Musikschulen derzeit besonders relevanten Veränderungsthemen: Gesellschaftliche Veränderungen, digitale Veränderungen, Veränderungen des schulischen Umfelds, Berufsbild und Beschäftigungsverhältnisse, Berufsnachwuchs und Aus- und Weiterbildung sowie Inklusion. Die Ergebnisse des World Cafés fanden – nach kurzer Präsentation – Eingang in die Arbeitsgruppen. Hier wurden Ideen, Forderungen, Fragen diskutiert und formuliert.
Die Arbeitsgruppe „Musikschule und Digitalisierung“ beschäftigte sich mit verschiedenen Unterthemen: Was bedeutet die Digitalisierung für die Leitung und Verwaltung? Was verändert/verbessert sich in der Kommunikation zwischen Lehrkräften, Eltern und Schülern? Wie können digitale Medien für die Öffentlichkeitsarbeit genutzt werden? Und – ganz wichtig – wie können sie im Unterricht eingesetzt werden? Der VdM ist hier gefordert, die Musikschulen zu unterstützen. Dabei gehe es, so Friedrich-Koh Dolge, der die Ergebnisse der AG präsentierte, um die „digitale Ergänzung“: Das Analoge müsse immer mitgedacht werden. Kernaufgabe der Musikschulen ist und bleibt der Unterricht „face to face“. „Das aktive Musizieren wird das letzte Refugium in der digitalen Gesellschaft sein, wo der Mensch Mensch sein kann und darf“, so Dolge, stellvertretender Bundesvorsitzender des VdM.
In der Arbeitsgruppe „Aus- und Weiterbildung“ präsentierte Barbara Stiller, Professorin an der Musikhochschule Bremen, Fort- und Weiterbildungsformate. Besonders intensiv diskutiert wurde die – bisher kaum genutzte – Möglichkeit für Musikschullehrkräfte, die bereits im Beruf stehen, noch einen Master-Studiengang in einer Hochschule in Weiterbildungsmodulen berufsbegleitend zu absolvieren. Gemeinsam mit dem Bundesvorsitzenden des Bundesverbands Musikunterricht (BMU), Michael Pabst-Krueger, leitete Sigrid Neugebauer-Schettler die AG zum Thema „Schulische Veränderungen“. Die Teilnehmer brachten hier ihre Erfahrungen aus bestehenden Kooperationen ein. Wie schon im World Café, war auch hier ein Thema die „Augenhöhe“ zwischen den Partnern – und die „Chemie“, die zwischen den Lehrkräften vor Ort stimmen muss. Der kontinuierliche Dialog zwischen den Verbänden wird im September auf dem Bundeskongress des BMU fortgesetzt.
Schließlich ging es in einer AG um gesellschaftliche Veränderungen. Auch hier wurden Themen aus dem World Café vertieft und ergänzt. Verändertes Empfinden von Zeit, verändertes Freizeit-Verhalten, aber auch die Ökonomisierung der Bildung spielten hier eine Rolle.
Im Abschlussplenum bedankten sich Ulrich Rademacher und Friedrich-Koh Dolge bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für das rege Interesse und die Diskussion. Dolge fasste die Handlungsaufträge noch einmal zusammen, die Ergebnis der zwei Tage in Hamburg waren. Dabei geht es um Ressourcen für die Musikschularbeit, um eine fachlich-pädagogische Dimension, um das Thema Administration und um die gesellschaftliche Dimension der Verbands-aufgaben.
Das Engagement in den Diskussionen zeigte, dass der Verband mit seiner Themensetzung in diesem Jahr richtig lag. Der Bundeskongress vom 17. bis 19. Mai 2019 in Berlin wird hier sicher ansetzen. Das Motto lautet dann: „Musik teilen – Menschen gewinnen!“