18. Februar 1947: ein Dienstag in einem der kältesten Winter seit Menschengedenken, die „Bizone“ war gerade gegründet, die erste Ausgabe des „Spiegel“ war kurz zuvor erschienen, das Berlin der Trümmerfrauenzeit erlebte diesen Tag leicht bewölkt mit Schnee. Berlin, 18. Februar 1947: der Geburtstag des späteren „Mr. Jugend musiziert“, Reinhart von Gutzeit. Wie vielfältig und wirkungsmächtig die Karriere des Musikers, Musikschullehrers, Hochschul-Rektors, Musik-Funktionärs und Publizisten verlaufen würde, hat zu diesem Zeitpunkt vermutlich niemand geahnt.
Wie sehr Reinhart von Gutzeit nun nach 75 Lebensjahren noch jung geblieben ist, wie humorvoll und mit verschmitztem Lächeln der fünffache Familienvater und mehrfache Opa auf Wichtigkeiten und Nichtigkeiten des Lebens blickt und diese einzuordnen vermag – nicht selten Karl Valentins Gedanken folgend „In der Wirklichkeit ist die Realität oft ganz anders“ – ist für Menschen wie mich, die eine Zeitlang einen Teil seines Wirkens begleiten durften, in vieler Hinsicht faszinierend.
„Un(-)bedingt“ – ist Reinhart von Gutzeits Einstellung zu Menschen wie seine Haltung zur Kunst. Die Ambivalenz dieses Begriffs zwischen „bedingungslos“ offen zu Menschen zu sein und „konsequent“ die künstlerische Auseinandersetzung mit Musik im Blick zu haben, ist bei Reinhart von Gutzeit in allen Stationen seines Wirkens miteinander vereint: als Violin- und Klavierschüler an der Musikschule Düsseldorf, bereits mit 18 als Lehrer an der Musikschule Meerbusch, im Studium (und AStA) an der Kölner Musikhochschule, als Musikschulpädagoge und Leiter der Musikschulen in Rheinbach und Bochum, als Lenker von Hochschulen, zunächst des zur Anton Bruckner Privat Universität entwickelten Bruckner-Konservatoriums Linz und schließlich als Rektor der renommierten Universität Mozarteum Salzburg.
Bereits früh zeigte sich der homo politicus Reinhart von Gutzeit: Im AStA der Kölner Musikhochschule kritisierte er einerseits pointiert die Führungsschwäche des seinerzeitigen Rektors Heinz Schröter, andererseits wirkte er maßgeblich bei Konzeption und Begleitung des damals modellhaften Hochschulneubaus in der Dagobertstraße mit. Dass bei ihm künstlerisch-pädagogisches Wirken auch weiterhin stets mit einer Orientierung zu den Dimensionen politischen Handelns einherging, zeigte sich nicht nur in den genannten Führungspositionen an Musikschulen und Hochschulen, sondern und vielleicht gerade auch in der Vielfalt seiner ehrenamtlichen Funktionen. Reinhart von Gutzeit war von 1990 bis 1996 Bundesvorsitzender des VdM – in dieser Zeit von Wende und Wiedervereinigung steuerte er gemeinsam mit Ulrich Marckardt den Zusammenschluss und das Zusammenwachsen der westdeutschen und ostdeutschen Musikschulen in einen gesamtdeutschen Verband mit der dann größten Mitgliederzahl von deutlich über 1.000 Musikschulen. Den VdM hat er in der Zeit seines Vorsitzes auch im Kreis der Europäischen Musikschul-Union engagiert vertreten. Bis heute ist er dem VdM als sein Ehrenvorsitzender verbunden – seit 25 Jahren ist ihm der Medienpreis „LEOPOLD – Gute Musik für Kinder“ als dessen Juryvorsitzender und launiger Präsentator der Preisverleihungen im WDR Herzensangelegenheit.
Reinhart von Gutzeit hat aber auch über ein Vierteljahrhundert bundesweite Verantwortung getragen für den Wettbewerb „Jugend musiziert“ und ihn auf allen seinen Ebenen weiterentwickelt, dessen Breite und Qualität ausgebaut, vielfach innovative Entwicklungen darin gestaltet und gleichzeitig das Profil, den Spirit und die Identität von „Jugend musiziert“ erhalten und gewahrt.
Dass Praxis und Pädagogik im Musikschulkontext durch wissenschaftliche Fundierung unterlegt werden müssen, war Reinhart von Gutzeit früh bewusst: 1983 gründete er gemeinsam mit seinem Freund Ulrich Mahlert die Zeitschrift „Üben und Musizieren“ – beide waren jahrzehntelang fachlich Herausgeber dieses auch für die Hochschulausbildung wichtigen Periodikums.
Reinhart von Gutzeit wusste in den Jahren der Verantwortung für VdM und für „Jugend musiziert“ immer auch, dass es darum geht, die Positionen und Interessen dieser Organisationen im größeren Kontext zu vertreten und für deren Ziele dort Akzeptanz zu erwirken. In seiner langjährigen Funktion als Präsidiumsmitglied des Deutschen Musikrates war er Gesicht und Stimme der Musikschulen wie auch des Wettbewerbes „Jugend musiziert“. Für seine Verdienste wurde ihm nicht nur mit Ehrenmitgliedschaften und Ehrenvorsitzen gedankt – der Bundespräsident hat Reinhart von Gutzeit 2019 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse für sein jahrzehntelanges gesellschaftliches Engagement in den geschilderten Wirkungsfeldern verliehen.
Zurück zu Vitalität und Humor: Wer einmal das gemeinsam von Harald Schoneweg und Reinhart von Gutzeit über lange Jahre gebildete „SchonZeit“-Duo mit seinen frechen Programmen erleben durfte, kann ermessen, dass bei allem ernsthaften Einsatz für Kinder und Jugendliche, für Musikschule und Hochschule, für den Wettbewerb „Jugend musiziert“ und für das Musikleben insgesamt, die Liebe zum Leben und die Leichtigkeit der Sinne beim Musiker wie beim Menschen Reinhart von Gutzeit stets als Motivationsimpulse für die Verfolgung großer Ziele erhalten geblieben sind.
Der VdM und auch ich persönlich wünschen Reinhart von Gutzeit alles erdenklich Gute zum 75. Geburtstag. Ad multos annos!