Im gesetzlichen Dschungel des Arbeitsrechts gerät man schnell auf undurchsichtige Pfade. Dabei ist der wichtigste Wegweiser der zugrunde liegende Arbeitsvertrag. Für Musikschullehrkräfte gibt es, wie in sehr vielen anderen Branchen auch, unterschiedliche Arbeitsverträge. Deshalb muss zunächst grundsätzlich geklärt werden, um welchen Vertrag es sich überhaupt handelt.
Honorarvertrag
Viele Musikschullehrkräfte schließen mit ihrem Arbeitgeber einen Honorarvertrag ab. Im Gegensatz zu Arbeitnehmern, das heißt „abhängig Beschäftigten“, die Lohn bzw. Gehalt erhalten, nennt man die Vergütung von freiberuflichen, selbstständigen Arbeiten Honorar. Ein Honorarvertrag ist zunächst eine schriftliche Vereinbarung zwischen zwei Vertragspartnern über eine vom Auftragnehmer zu erbringende Dienstleistung und ein vom Auftraggeber nach Erhalt der Dienstleistung zu zahlendes Honorar.
Es muss sich um eine selbstständige Tätigkeit seitens des Auftragnehmers handeln. Der Auftragnehmer ist freier Mitarbeiter und verantwortlich für die Entrichtung von anfallenden Steuern und gegebenenfalls Sozialabgaben. Freie Mitarbeit bedeutet, dass der Mitarbeiter kein Arbeitnehmer des Betriebs ist. Er übt seine Tätigkeit nicht nach Weisungen aus und ist nicht eingegliedert in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Der freie Mitarbeiter hat keine arbeitsrechtlichen Ansprüche. Das bedeutet beispielsweise:
• kein bezahlter Urlaub,
• keine Entgeltfortzahlung bei Krankheit,
• keine Entgeltfortzahlung an Feiertagen,
• kein Kündigungsschutz,
• kein Anspruch auf Tarifgehalt.
Deshalb sollte das Honorar für freie Mitarbeit auch deutlich höher sein als das Gehalt für einen vergleichbaren Angestellten. Nicht zu vergessen auch deshalb, weil der Arbeitnehmer selbst für Steuern und Sozialabgaben zuständig und die Rentenerwartung extrem niedrig ist.
Bei einem Honorarvertrag, der ohnehin meist befristet ist, kann man also davon ausgehen, dass lediglich die Kündigungsfristen, die der Vertrag selbst enthält, einzuhalten sind. Ein Kündigungsschutz besteht nicht! Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) gilt nur für Arbeitnehmer, also für abhängig Beschäftigte. Freie Mitarbeiter bzw. Personen, die als Selbstständige für einen Betrieb arbeiten, werden in dieser Hinsicht nicht geschützt.
Tarifvertrag
Der Tarifvertrag ist ein Vertrag zwischen den Tarifvertragsparteien, also zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften – wie zum Beispiel im Falle der meisten kommunalen Musikschulen der Gewerkschaft ver.di und dem Verband kommunaler Arbeitgeber (VKA). Dort gilt dann für alle fest angestellten Arbeitnehmer der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) oder es werden freie Mitarbeiter engagiert. Angestellte an Musikschulen in anderer Trägerschaft mit kommunaler Einflussnahme, zum Beispiel eingetragener Verein (e. V.), Zweckverband, GmbH etcetera, werden meistens in Anlehnung an den TVöD bezahlt oder behandelt.
Das Arbeitsrecht (also auch das Kündigungsschutzgesetz) gilt für alle abhängig Beschäftigten, aber tarifliche Besonderheiten wie etwa „Unkündbarkeit“ oder Zusatzversorgung gelten nur für wirklich tarifgebundene Beschäftigte. Diese haben im TVöD auf Grundlage des Tarifvertragsgesetzes (TVG) die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien geregelt.
Liegt einem Arbeitsverhältnis zwischen einer Musikschullehrkraft und der Kommune also ein Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) zugrunde oder haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag vereinbart, dass der Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden soll, so gelten für diese Musikschullehrkraft die Regelungen des TVöD und auch des Kündigungsschutzgesetzes.
Weitere Arbeitsverträge
Selbstverständlich kann es auch Angestellte an privaten Musikschulen geben. In diesem Fall handelt es sich um Arbeitsverträge, deren Formvorschriften zwar zwingend sind, die jedoch den Vertragsparteien großen Verhandlungsspielraum für die Inhalte lassen. Unterschiede können sich aus Befristungen, Urlaubsansprüchen, dem Einkommen und der Arbeitszeit ergeben.
Als Haustarifvertrag wird ein Abkommen zwischen dem Management und den Arbeitnehmervertretern (Gewerkschaft) des jeweiligen Unternehmens bezeichnet, in dem Lohnhöhe, Arbeitszeiten und andere Arbeitsbedingungen der dort Beschäftigten geregelt werden.
Kündigungsschutz
Bei einem befristeten Arbeitsverhältnis (nicht zu verwechseln mit der Probezeit!) endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Frist. Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) greift erst, wenn das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht und nicht befristet ist. Es soll die Arbeitnehmer vor willkürlicher Kündigung schützen. Nach dem Gesetz sind Kündigungen nur zulässig, wenn sie sozial gerechtfertigt sind, das heißt wenn sie personenbedingt, verhaltensbedingt oder betriebsbedingt sind.
Bei der personenbedingten Kündigung liegen die Gründe für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses in der Person des Arbeitnehmers. Zum Beispiel wenn er aufgrund fachlicher, persönlicher oder gesundheitlicher Gründe seine Arbeit nicht mehr ausführen kann.
Bei der verhaltensbedingten Kündigung liegt der Grund in einem Fehlverhalten des Arbeitnehmers. Zum Beispiel wenn er eine Vertragspflicht erheblich, in der Regel schuldhaft verletzt hat, Diebstahl begangen oder „blau gemacht“ hat. Der Arbeitgeber, der eine verhaltensbedingte Kündigung ausspricht, muss in der Regel den Arbeitnehmer zuvor wegen eines gleichartigen Pflichtverstoßes abgemahnt haben.
Von einer betriebsbedingten Kündigung spricht man, wenn sachliche Gründe (z. B. Auftragsrückgang oder Rationalisierung) zu einer Unternehmerentscheidung führen, die ihrerseits den Wegfall des Arbeitsplatzes des betroffenen Arbeitnehmers odereiner Mehrzahl von Arbeitsplätzen zur Folge hat. Bei betrieblich bedingten Kündigungen ist die Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG zu beachten. Von mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern ist derjenige zu kündigen, der die besten Sozialdaten hat, das heißt der am wenigsten von den Folgen der Kündigung getroffen wird. Als Kriterien der Sozialauswahl dürfen seit der Neufassung des KSchG ab dem 1. Januar 2004 ausschließlich die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, bestehende Unterhaltspflichten und möglicherweise vorliegende Schwerbehinderung herangezogen werden.
Der Haken
Wie so oft gibt es auch beim Kündigungsschutzgesetz einen Haken: Es findet keine Anwendung bei Betrieben, die weniger als zehn Arbeitnehmer beschäftigen. Und leider sind Musikschulen mit weniger als zehn Arbeitnehmern keine Seltenheit.
Bis 31. Dezember 2003 genügte für die Anwendbarkeit des KSchG eine Zahl von mehr als fünf Arbeitnehmern. Wer nach dieser Altregelung Kündigungsschutz hatte, behält diesen Kündigungsschutz auch weiterhin, wenn mit ihm (zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung) noch mehr als fünf „Altarbeitnehmer“ im Betrieb beschäftigt sind. Scheiden allerdings solche „Altarbeitnehmer“ aus dem Betrieb aus und sinkt dadurch dieser Schwellenwert auf fünf oder darunter, verlieren alle übrigen ihren bisherigen Kündigungsschutz. Dann ist allein die Kleinbetriebsgrenze von mehr als zehn Arbeitnehmern nach der neuen Rechtslage maßgebend.
Die Änderungskündigung
Nicht selten greift der Arbeitgeber zur sogenannten Änderungskündigung. Der Arbeitgeber kann nicht einzelne Teile des Arbeitsvertrags separat kündigen, eine solche Teilkündigung wäre unzulässig. Möchte er dennoch einzelne Teile des Arbeitsvertrags verändern oder beseitigen, braucht er das Einverständnis des Arbeitnehmers. Wenn das Einverständnis verweigert wird, kann er zum Mittel der Änderungskündigung greifen. Er macht also zugleich mit der Kündigung das Angebot, das Arbeitsverhältnis durch vertragliche Übereinkunft zu geänderten Bedingungen fortzusetzen.
Wenn aber das Arbeitsverhältnis unter das KSchG fällt, braucht der Arbeitgeber auch für eine Änderungskündigung einen sozial gerechtfertigten Grund. Dies sind dieselben Gründe, die auch für eine ordentliche Kündigung gelten, also entweder personenbedingt, verhaltensbedingt oder betriebsbedingt. Bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung muss der Arbeitgeber den Nachweis führen, dass ihm wegen dringender betrieblicher Erfordernisse die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nur auf der Grundlage der von ihm gewünschten geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist.
Tipp für den Ernstfall
Annahme der Änderungskündigung unter Vorbehalt: Bei einer Änderungskündigung kann ein Arbeitnehmer das Änderungsangebot ablehnen und klagen. Verliert er den Prozess, ist das Arbeitsverhältnis beendet. Gewinnt er, hat er einen Weiterbeschäftigungsanspruch zu den alten Vertragsbedingungen. Er kann aber auch die Änderung der Vertragsbedingungen „unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung“ annehmen und gerichtlich überprüfen lassen. Dieser Vorbehalt ist innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens aber innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung gegenüber dem Arbeitgeber zu erklären. In diesem Fall prüft das Gericht die soziale Rechtfertigung jeder einzelnen Änderung. Fehlt diese auch nur für eine einzelne Veränderung, und sei es die nebensächlichste, ist die gesamte Änderungskündigung sozial nicht gerechtfertigt. Der Arbeitnehmer hat dann einen Weiterbeschäftigungsanspruch zu unveränderten Bedingungen.
Ist die Änderungskündigung dagegen sozial gerechtfertigt, verliert der Arbeitnehmer den Prozess und muss die geänderten Bedingungen annehmen, behält aber seinen Arbeitsplatz.
Fazit
In jedem Fall steht fest: Man ist gut beraten, sich über seine Rechte zu informieren. Dabei helfen Gewerkschaften, die für ihre Mitglieder eine Rechtsberatung anbieten. Hilfe bekommt man als Musikschullehrkraft mit Tarifvertrag in einer kommunalen Musikschule beim Personalrat, anderenfalls, sofern vorhanden, beim Betriebsrat.
Petra Stalz unterrichtet an der Musikschule Velbert und ist Mitglied im ver.di- Bundesfachgruppenvorstand Musik. Ulrich Heß ist Mitglied des ver.di-Landesfachgruppenvorstands Musik NRW.
- Zuerst erschienen in: üben & musizieren 6/2017. Mit Genehmigung der SCHOTT MUSIC GmbH & Co. KG, Mainz – Germany