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Schuldenbremse ist Bildungsbremse

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Alarm bei Musikschulen in Berlin und NRW-Großstädten
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Die Alarm- und Hilferufe aus den Bildungs- und Kulturbereichen reißen nicht ab. Ob Volkshochschule, ob Theater und Oper, ob kommunale/bezirkliche Jugendeinrichtungen oder Musikschulen – über allen schwebt schon seit langem der Kürzungshammer. Aber inzwischen schlägt der Hammer häufiger, als er schwebt – und, wie so oft, auf die schwächste Ebene, die Kommunen und Bezirke.

Heute haben wir es mit einer Krise zu tun, die selbst Hardliner in Chef- und Regierungsetagen kalt erwischt hat. Die können sich allerdings mehrheitlich mit Jahresgehältern bis in Millionenhöhe relativ entspannt zurücklehnen. Wirklich kalt erwischt es die „unteren“ Eben in den Kommunen und damit eben auch die Musikschulen in nie dagewesenen Dimensionen. Landauf, landab tickern Meldungen über drastische Kürzungen bis hin zu bereits eingeplanten Schließungen.

Besonders hart angegangen werden die Musikschulen in Berlin und den nordrhein-westfälischen Großstädten einschließlich der Kulturhauptstadtregion: Dortmund, Tempelhof-Schöneberg, Pankow, Friedrichshain-Kreuzberg, Wuppertal, Duisburg.

Am Beispiel von zwei der zwölf Bezirksmusikschulen sei dies verdeut-licht:
Die Etats der Musikschulen Leo Kestenberg (Tempelhof-Schöneberg) und Friedrichshain-Kreuzberg werden in den Haushaltsjahren 2010 und 2011 um jeweils deutlich über 100.000 Euro gekürzt. Das sind pro Jahr rund 100 Schülerplätze. Das sind entsprechend starke Einkommenskürzungen für die freiberuflichen Lehrkräfte. Zur Erinnerung: 90 % des gewaltigen Unterrichtsaufkommens wird in Berlin von mehr als 2.000 Honorarkräften geleistet.

Auf die Widersprüchlichkeiten solcher Kürzungsmaßnahmen haben wir immer wieder hingewiesen: 100.000 Euro Kürzung bedeuten 90.000 Euro Einnahmeverlust! 100 Schüler verlieren den Unterricht, beziehungsweise können ihn nicht aufnehmen für eine tatsächliche Einsparungssumme von spärlichen 10.000 Euro pro Jahr. Mit Blick auf die Fixkosten (Gebäude, Verwaltung, etc.) schrumpft das Einsparpotential um ein Weiteres, indem es die Kostendeckung deutlich verschlechtert.

Angesichts der regelmäßigen zusätzlichen Stellenkürzungen zeichnen sich immer stärker die negativen Folgen in der Breitenbildung und der Qualität des Unterrichtsangebots ab. Weil Honorarkräfte zudem aus statusrechtlichen Gründen keine administrativen Aufgaben erledigen sollen – der Rechnungshof schaut da seit Neuestem sehr genau hin –, andererseits keine Stellen geschaffen werden, sind sowohl die Organisation der Fachbereichsstrukturen als vor allem auch die Kooperation mit den allgemeinbildenden Schulen nicht mehr im erforderlichen Maße gewährleistet.

Fehlende Stellen und Einkommenskürzungen drängen Kernbereiche der Musikschulen in den Privatbereich: Instrumentalunterricht findet zunehmend wieder in Wohnzimmern statt, die Kooperationslehrer/-innen schließen sich neuerdings zu Vereinen zusammen, die an den Musikschulen vorbei direkt mit Grundschulen und Gymnasien Verträge abschließen. Das vom Bildungssenat ausdrücklich angestrebte Ziel der engeren Verzahnung von Schule und Musikschule wird damit unerreichbar.

Hier rächt sich, dass die seit Gründung der Ganztagsschule von der Fachgruppe Musik immer wieder angemahnte Festlegung von Rahmenbedingungen nicht umgesetzt wurde. Ebenso wurden unsere bereits zu Beginn der Berliner Verwaltungsreform vorgetragenen Warnungen bezüglich der irrwitzigen Haushaltssystematik abgetan. Niemand wollte sich damals vorstellen, dass diese den Musikschulen das Genick brechen wird. Heute wissen sie es besser.

Aus dem freien Schweben im weiten Berliner Raum wird nun der freie Fall.
Seit den 80ern und 90ern nimmt das Tempo der Krisen zu. Haben wir uns schon daran gewöhnt? Sind wir schon glücklich, wenn Kürzung einmal geringer ausfällt, als befürchtet? Haben die Zyniker, die noch immer unverfroren die kreative Kraft ins Feld führen, welche angeblich aus Armut und Entbehrung erwächst, uns schon mürbe und müde gemacht?
Geben wir uns also drein, weil wir ja schließlich an der aktuellen Krise nichts ändern können? Die Fachgruppe Musik sagt klar: Nein, jetzt erst recht! Denn: Niemand bestreitet mehr ernsthaft den Reichtum musikalischer Bildung mit seinen positiven Auswirkungen auf den ganzen Menschen. Das allein wäre schon Grund und Motivation genug, nicht zuzulassen, dass die Folgen von Banken- und Wirtschaftsmissmanagement auf Lehrkräfte, Kinder und Jugendliche abgewälzt werden. Die Haushalte der Bezirke werden vom Land global festgelegt, unterteilt in Pflichtaufgaben (z.B. soziale Transferleistungen) und freiwillige Aufgaben (z.B. Musikschulen). Zwar wurden die Globalsummen der Berliner Bezirke vom Land auch mit Blick auf die Musikschulen für den Doppelhaushalt 2010/11 sogar erhöht. Das Geld kommt jedoch oft nicht oder nicht ausreichend in den bezirklichen Musikschulen an.

Deshalb fordern wir vom Land die Zweckbindung der Mittel und endlich die überfällige Zuordnung der Musikschulen zu den Pflichtaufgaben, wie es das Schulgesetz vorgibt.

Wir fordern zudem und gerade wegen des beginnenden Absturzes die Einrichtung fester Stellen und befinden uns dabei in bester Gesellschaft mit dem Landesverband deutscher Musikschulen, dem Landesmusikrat und – ja tatsächlich – mit dem Bildungssenat, der sich im vergangenen Jahr einvernehmlich mit den Stadträten den Forderungen seiner eigenen „Expertenkommission“ nach mehr Stellen angeschlossen hat. Und solange die Stellen nicht in ausreichendem Maße kommen, werden wir verstärkt auch auf den Abschluss eines Tarifvertrages nach §12a TVG drängen, der neben der Bezahlungssystematik unter anderem essentielle Dinge regelt, wie Mutterschutz, Krankheitsschutz, Kündigungsschutz und Alterssicherung.

Und wenn bei Ihnen, geneigte Leserin und geneigter Leser, wegen des neuerlichen Etatschwundes Ihrer Kommune für Ihre Musikschule das haushalterische Gespräch euphorisch-rettungsbeseelt auf „Umwandlung von festen Stellen in Honorarmittel“ kommen sollte, dann seien Sie aufs allerhöchste gewarnt. Oder wie wir Berliner sagen: „Nachtijall, ick hör dir trapsen!“

Stefan Gretsch, Vorsitzender Fachgruppe Musik

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