Die Arbeitnehmer von Cats haben den ersten Tarifvertrag in der Musical-Branche erstreikt. Nachdem die Beschäftigten am 15. Januar in den Arbeitskampf getreten waren, musste der Stella-Konzern den Spielbetrieb im Operettenhaus an der Reeperbahn komplett einstellen. 13 Tage vor der geplanten Abschieds-Gala – Cats soll nach 15 Jahren Spieldauer seinen Standort nach Stuttgart verlagern – hatte ein dramatischer Countdown begonnen: Der Arbeitgeber musste einer unerschütterlichen Streikfront ins Auge sehen. Ein desaströser Abgang des Erfolgsmusicals rückte in bedrohliche Nähe. Hinzu kam, dass der Arbeitgeber eine Ausweitung des Theater-Streiks auf andere Stella-Produktionen zu befürchten hatte. Nach elf Tagen Nervenkrieg lenkte der Konzern ein.
Die Arbeitnehmer von Cats haben den ersten Tarifvertrag in der Musical-Branche erstreikt. Nachdem die Beschäftigten am 15. Januar in den Arbeitskampf getreten waren, musste der Stella-Konzern den Spielbetrieb im Operettenhaus an der Reeperbahn komplett einstellen. 13 Tage vor der geplanten Abschieds-Gala – Cats soll nach 15 Jahren Spieldauer seinen Standort nach Stuttgart verlagern – hatte ein dramatischer Countdown begonnen: Der Arbeitgeber musste einer unerschütterlichen Streikfront ins Auge sehen. Ein desaströser Abgang des Erfolgsmusicals rückte in bedrohliche Nähe. Hinzu kam, dass der Arbeitgeber eine Ausweitung des Theater-Streiks auf andere Stella-Produktionen zu befürchten hatte. Nach elf Tagen Nervenkrieg lenkte der Konzern ein.Dieser Ausgang war nicht mehr unbedingt zu erwarten, denn noch wenige Tage vor Vertragsabschluss hatte sich das Stella-Management – anfangs mit trotzigen Durchhalteparolen, später mit beharrlichem Schweigen – in seinem Hauptquartier an der Stresemannstraße einbetoniert (die nmz berichtete). Die Konzernleitung hatte den Boden rationaler wirtschaftlicher Entscheidungen längst aufgegeben, um sich hinter einem ebenso ideologischen wie anachronistischen Schutzwall („Stella muss tariffreie Zone bleiben“) zu verschanzen. So verabsäumte sie es dann auch nicht, ihre Niederlage in ungeahnte Höhen zu treiben und sich mehr und mehr ins „Abseits“ der öffentlichen Meinung zu manövrieren.Daran konnte auch eine Verlautbarung am neunten Streiktag, die Stella beabsichtige, dem Deutschen Bühnenverein beizutreten, nicht mehr rütteln. Nun lautete die neue Parole aus dem Management-Bunker: Tarifverträge für alle Beschäftigten in den Stella-Theatern! In dem Wissen, dass zurzeit alle Tarifverträge zwischen Bühnenverein und IG Medien gekündigt sind und der Arbeitgeberverband keine Tarifverträge für Beschäftigte im Backstage-Bereich vorzuweisen hat, mussten die Gewerkschafter das scheinbar verlockende Angebot der Stella als belanglose „Nebelbombe“ werten.
Welle der Solidarität
Die Hamburger Gazetten unkten bereits: „Jetzt auch Streik beim ‚Phantom‘?“. Kein Wunder, denn der Tarif-Flächenbrand war tatsächlich entfacht: Die Beschäftigten des zweiten Stella-Musicals in Hamburg, „Phantom der Oper“, hatten ihren gewerkschaftlichen Organisationsgrad schlagartig erhöhen können, ohne Zögern eine Tarifkommission gebildet und dem Arbeitgeber eine Frist von zwei Tagen eingeräumt, um Verhandlungsbereitschaft zu erklären.
Die Cats-Mannschaft indes schwebte auf einer Welle internationaler gewerkschaftlicher Solidarität. Sie sorgte dafür, dass während ihrer abendlichen Kundgebungen eine Bombenstimmung herrschte. Die sangesfreu- digen Arbeitnehmer huldigten der „Ästhetik des Widerstands“ und versäumten nicht, sich ein beachtliches Repertoire an Durchhalte-Liedgut zu erarbeiten. Mit Darbietungen wie „Ein Streik, ein guter Streik, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt... und wenn die Stella auch in Scherben fällt“ stimmten sie nicht nur weite Teile des enttäuschten Publikums versöhnlich, sondern unterhielten auch die Kollegen aus den Druckerbetrieben, die mit Glühweinfässern aus dem Hamburger Umland angereist waren. Vor Augen der konsternierten Geschäftsführerin, die sich zur täglichen Beobachtung des Spektakels einen einsamen Fensterplatz im Rangfoyer gesichert hatte, baute dann auch noch die Damenmannschaft des FC St. Pauli Fußballtore auf dem Vorplatz des Operettenhauses auf und forderte die Beschäftigten zu einem Soli-Match. Die Streikfront präsentierte sich gut gelaunt und machte vor allem eines deutlich: Wir werden nicht aufgeben!
Nach zehn erfolgreich bestreikten Vorstellungen hatte der Konzern einen „Abstiegsplatz“ in der Tabelle der Publikumsgunst ergattert. Plötzlich zeigten die Stella-Bosse Einsicht. Drei Tage vor dem drohenden Debakel, die Hamburger Medienwelt hatte bereits einen jammervollen Abgesang auf das einst so glanzvolle Musical-Wunder an der Reeperbahn angestimmt, unterzeichnete die Geschäftsführung den Manteltarifvertrag.
Bis auf die Erhöhung des Jahresurlaubs hatten die Gewerkschafter alle wesentlichen Forderungen durchgesetzt: Besitzstandswahrung für die verbleibenden Beschäftigten bei betriebsbedingten Änderungen der Tätigkeiten, Abfindungen für alle derzeit und zukünftig ausscheidenden Arbeitnehmer sowie Anrechnung von Betriebszugehörigkeiten bei Übernahme in andere Produktionen des Stella-Konzerns.
Cats-Tarif wird Grundlage
Gleiches gilt für den Sozialplan, der nach nervenaufreibenden Formulierungsstreitigkeiten mit der ursprünglich vereinbarten Abfindungssumme (1,825 Millionen) abgeschlossen wurde. Ferner sicherte der Musical-Konzern zu, die Eckdaten des Cats-Tarifvertrages als Grundlage für die anderen Stella-Produktionen zu behandeln und demnächst in Verhand- lungen über Vergütungserhöhungen einzutreten.
Bundesfachgruppenvorstand Peter Faelske, der als Cats-Betriebsratsmitglied den Arbeitskampf hautnah miterlebt hatte, ist mächtig stolz auf seine Kollegen, die „ihre Interessen selbst in die Hand genommen“ haben. Der Streik habe bewiesen, dass dieses „scheinbar antiquierte Mittel“ auch in dieser Zeit enorme Durchsetzungskraft haben kann. Bundesfachgruppensekretär Wolfgang Paul, der als Verhandlungsführer der IG Medien nicht nur bewundernswerte Ausdauer, sondern auch geniales Geschick bewiesen hatte, äußerte sich „zufrieden mit dem Ergebnis“. Weniger bescheiden präsentierte sich die Cats-Belegschaft: Die Ex-Streikfront intonierte Sieges-Hymnen und feierte ihren Erfolg im Vereinsheim des FC St. Pauli bis zum Morgengrauen.