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Was sagt der uns denn noch: Hanns Eisler?

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Vom zwiespältigen Umgang mit dem Erbe des kommunistischen Komponisten
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Berlin, Gendarmenmarkt. Im Rücken des Schauspielhauses die Hochschule für Musik Hanns Eisler. Wintersemester, Vorlesungsreihe Wer war Hanns Eisler?

Berlin, Gendarmenmarkt. Im Rücken des Schauspielhauses die Hochschule für Musik Hanns Eisler. Wintersemester, Vorlesungsreihe Wer war Hanns Eisler? So unglaublich wie wahr: „Kaum einer unserer Musikstudenten weiß, wer der Namenspatron der Schule ist.“ Andreas Wehrmeyer, Dozent für Musikgeschichte an der Hochschule, zuckt mit den Achseln. Keine Ahnung vom Schöpfer der DDR-Nationalhymne, Verfasser von Arbeiterkampfliedern, Bühnen- und Filmmusiken, vom Mitarbeiter Brechts. In der Nazizeit USA-Emigrant, dort Professor für Musiktheorie und Kompositionslehre und noch davor Schönberg-Schüler. Also: Wer war Hanns Eisler?

Wehrmeyer organisierte Eisler-Spezialisten. „Wir im Lehrkörper haben gedacht, es könnte für das ganze Haus als integrierende Veranstaltungsreihe wichtig sein, diesen Mann vorzustellen.“ Integrieren von was? Studenten und Lehrkörper, Jung und Alt? Oder nicht eher: östliches und westliches Kulturerbe? Ost und West saßen denn auch im Publikum wie auf dem Podium zusammen.

Kontroverse zwischen Komponist und Kommunist

Um die Einordnung der kompositorischen Leistung des Künstlers in den musikalischen Kontext sollte es in den Vorlesungen gehen. Und tatsächlich: ,,Die meisten Streitpunkte gab es in der Einschätzung der Qualität seiner Musik“, so Wehrmeyer. Das schon, doch es kam, wie es kommen musste: Keine Einschätzung ohne unterschwelliges Mitschwingen von Polit-Positionen:

  • Eislers bedeutende Schaffensphase lag in den 20er- und 30er-Jahren als hochbegabter Schönberg-Schüler. Sein Spätwerk aus der DDR-Zeit fällt im Vergleich dazu ab. Hingegen: Eislers Werk weist eine Einheit des Schaffens und der Ansätze aus.
  • Eisler lehnte die Arbeiter- und Kampflieder der sozialdemokratischen Bewegung als zu lieblich und lyrisch ab. Und schuf mit modernen Mitteln aggressives Liedgut: Roter Wedding, Solidaritätslied. In der DDR aber komponierte er die „Neuen deutschen Volkslieder“, in denen das Kämpferische zugunsten von genau jenen Lyrismen zurücktrat. Entweder war es das Nachlassen seiner Schöpferkraft oder ein Anpassen an die DDR-Verhältnisse.
  • Es handelte sich um eine normale Entwicklung im künstlerischen Schaffensprozess und damit innerhalb des Gesamtschaffens um eine andere Qualität.
  • Man kann Eislers musikalische Substanz nicht von der politischen Botschaft trennen und sagen: Die Qualität der Musik ist so hoch, dass man nach dem Zusammenbruch des Sozialismus über den Text hinweg sehen könnte.
    Weiter im Kontext gegensätzlicher Wortmeldungen:
  • Eisler hatte eine aus dem 18. Jahrhundert stammende Arbeitshaltung: Elemente aus seinen Kampfliedern, Film- und Bühnenmusiken benutzte er für spätere Werke. Was untypisch für das 20. Jahrhundert ist. Ein Qualitätsproblem.
  • Selbstzitate sind im 20. Jahrhundert in den verschiedensten Künsten gang und gäbe. Fragen der Qualität berührt das nicht.
  • Die Bühnenarbeiten Brecht-Eislers wie „Die Mutter“, „Die Maßnahme“ sind für den heutigen Zuschauer eine unzumutbare Verdoppelung der inhaltlichen Aussage: die Musik steht dem politischen Gestus des Lehrstücks zu nahe.
  • Angesichts der Globalisierung, der weltweiten Vertiefung der Kluft zwischen Arm und Reich, haben Brecht-Eisler-Produktionen einen ganz neuen, aktuellen Wert.
  • Eisler hat keine Chance, heute als Komponist von Rang geschätzt zu werden, weil Zeitgenossen wie Schönberg oder Strawinski viel kühnere Sachen komponiert haben.
  • Wagner hat Kühneres als Verdi komponiert, und doch wird Verdi mehr als Wagner gespielt.

Haltungen und Gegenhaltungen. Dazu Wehrmeyer: „Was die unterschiedlichen Einschätzungen angeht, so wäre es einfach zu behaupten, dass es wesentlich ein West-Ost-Problem ist. Mehr eins der Wahrnehmung: für jemanden, der Hitlerfaschismus, Krieg und Nachkrieg erlebt hat, kann Eisler sehr viel bedeuten.“

Wehrmeyers beruhigende Hypothese: „Mir scheint es ein Generationsproblem.“ Um so beunruhigender. Die junge Generation von Musikstudenten interessierte sich für die Vorlesungsreihe nämlich überhaupt nicht. „Darüber waren wir im Lehrkörper sehr enttäuscht.“
Also nichts mit Integrieren an der Hochschule für Musik Hanns Eisler. Was auch immer zu integrieren gewesen wäre. „Das hat mit Eislers Musik selbst zu tun. Sie gehört eben nicht zum üblichen Repertoire des 20. Jahrhundert.“ Dann also: weniger über Eisler, mehr Eisler spielen!

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