Inmitten der farbenfrohen Herbstkulisse des Teutoburger Waldes traf sich der neugewählte Vorstand der Bundesfachgruppe Musik zur ersten gemeinsamen Tagung im „Bunten Haus“ in Bielefeld. Von Beginn an wurde deutlich, der Erhalt des Status quo für Musikschaffende kann nicht die Motivation für die nächsten Jahre sein, sondern es geht darum, Verbesserungen für das Berufsbild insgesamt zu erwirken. „Wertschätzung“ lautete wiederholt das Stichwort, mit dem nicht nur die von ver.di ausgearbeiteten Basishonorare für freischaffende Künstlerinnen und Künstler inzwischen öffentlich diskutiert werden. Auch die Eingruppierungsfrage für Pädagoginnen und Pädagogen an Musikschulen im öffentlichen Dienst – und vor allem monetäre Wertschätzung könnte das Berufsbild Musiker:in in den kommenden Jahren aufwerten.
Wer, wie, was – wieso, weshalb, warum?
Als Kind der „Generation Sesamstraße“ bezeichnete sich ein Vorstandsmitglied in der Vorstellungsrunde; ausgerüstet mit der wertvollen Fähigkeit, Fragen zu stellen. Im Kontext der Wertschätzung ist es sicher nicht verkehrt, auch ein Wieso, Weshalb oder Warum zu fragen – für das Gremium standen an diesem Wochenende jedoch vorrangig die Antworten auf die ersten drei W-Fragen des Liedes im Vordergrund: Wer erledigt wie was? Und das möglichst effektiv!
Wer erledigt wie was?
Nach den Umstrukturierungen und Organisationswahlen in ver.di sind im nun deutlich größeren Bundesvorstand Hochschul- und Honorarlehrkräfte, Soloselbstständige sowie Lehrkräfte an kommunalen Musikschulen und solchen des Landes vertreten – unter ihnen auch einige Personalräte. Durch die erweiterte Expertise bietet sich dem geschäftsführenden Vorstand die Möglichkeit, kleine, effiziente Arbeitsgruppen für einzelne Themenfelder zu bilden, wie jüngst zur Erarbeitung des Positionspapiers zum Umgang mit generativer künstlicher Intelligenz. Auf gesetzlicher Ebene fehlen nach wie vor Regulierungen des Einsatzes von generativer KI, daher wird es voraussichtlich noch Anfang 2024 eine Onlineveranstaltung für die Mitglieder der Fachgruppe zu diesem Thema geben.
Auch zur Einkommensteuerfreiheit für Künstlerinnen- und Künstlerstipendien bildete sich bereits die „AG Selbstständige“ und entwickelte eine Forderung zu gleichen Rechtsverhältnissen auf Bundes- und Länderebene. Stipendien werden bundesweit steuerrechtlich noch unterschiedlich behandelt. Weil eine Besteuerung nachträglich weitreichende finanzielle Folgen zur Konsequenz haben kann, beispielsweise bei den Beiträgen zur Künstlersozialkasse, ist das Bundesfinanzministerium aufgefordert, eine Klarstellung an seine Finanzämter zu formulieren. Die für Stipendiatinnen und Stipendiaten wichtige Forderung wird vom Bundesvorstand nun an die innerhalb von ver.di spartenübergreifende „AG Kunst und Kultur“ weitergeleitet.
Die „AG Selbstständige“ wird auch zukünftige Entwicklungen im Blick behalten, um möglichst schnell auf häufig spontan auftretende Problemstellungen reagieren zu können. Die vielerorts immer noch eingesetzten Honorarkräfte mit zum Teil deutlich prekären Arbeitsbedingungen werden ebenfalls durch diese AG betreut. Lutz Fußangel und Adriana Balboa sind hier die beiden Ansprechpersonen, Unterstützung werden die beiden von der ver.di-Kulturbeauftragten Ina Stock erhalten.
Schwerpunkt Arbeitszeiterfassung
Spätestens seit dem „Stechuhrurteil“ des Europäischen Gerichtshofes im Mai 2019 und allerspätestens mit dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichtes im September 2022 ist klar, Arbeitszeit muss erfasst werden. Grundsätzlich ist der Bundesfachgruppenvorstand der Auffassung, dass es an Musikschulen keiner Ausnahme von der Arbeitszeiterfassung bedarf. Zu betonen ist, dass das Augenmerk auf der quantitativen Erfassung liegen soll und mit ihr kein Instrument zur Leistungskontrolle geschaffen wird. Ist die Berechnung der reinen Unterrichtszeiten noch vergleichsweise einfach – gleicht ein Stundenplan doch einem Dienstplan –, stellt die Erfassung der Zusammenhangstätigkeiten das eigentliche Kernproblem dar. Der Vorstand ist einstimmig der Meinung, die zeitliche Lage der Zusammenhangstätigkeiten sollte, bis auf wenige Ausnahmen, wie beispielsweise Konferenzen oder Schulveranstaltungen, in der Souveränität der Lehrkräfte bleiben. Es gibt bereits Erfahrungen an Musikschulen, die die Zusammenhangstätigkeiten erfassen – untätige Musikpädagoginnen und -pädagogen sind dabei selten entdeckt worden, vielmehr trat oftmals das Gegenteil zu Tage. So stellen sich bei einer vollständigen Erfassung zukünftig vielleicht Fragen wie: Ab wann stehen Überstundenzuschläge zu? Wie wird mit Mehrarbeit umgegangen? Und ist der Ferienüberhang arbeitszeitrechtlich überhaupt noch vertretbar? Klar ist bereits heute, der Erfassungszeitraum muss ausreichend groß gewählt werden, da viele zeitintensive Zusammenhangstätigkeiten saisonal anfallen, wie beispielsweise der Wettbewerb Jugend musiziert oder die Durchführung von Musikfreizeiten.
Eine bundesweit einheitliche Regelung wäre aus Sicht des Vorstandes wünschenswert, daher wird sich die „AG Arbeitszeiterfassung“ unter der Regie von Gabor Scheinpflug zeitnah zusammensetzen, um rechtzeitig die Weichen für die Zukunft aus gewerkschaftlicher Sicht zu stellen und sich auf mögliche Konsequenzen vorzubereiten. Gleichzeitig wird an einer Strategie gearbeitet, wie Musikschulpädagoginnen und -pädagogen umfassend an das Thema Arbeitszeiterfassung herangeführt werden können. Eine Fortsetzung der Onlinefortbildungsreihe der Fachgruppe Musik biete sich hierfür an. Sie wurde im vergangenen Jahr von den Mitgliedern der Fachgruppe gut angenommen und soll sich nun weiter etablieren. Der geschäftsführende Vorstand wurde zur entsprechenden Planung beauftragt.
nmz-Redaktionsteam
An diesem Wochenende stand auch die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesfachgruppe Musik auf der Tagesordnung. Das Redaktionsteam für die nmz wird fortan alle zwei Monate Artikel zur Gewerkschaftsarbeit aus dem Bereich der Fachgruppe Musik veröffentlichen.
Mit der weiteren Öffentlichkeitsarbeit wurde der geschäftsführende Vorstand beauftragt: neben der Pflege der ver.di-Website soll unter anderem der Flyer der Fachgruppe neu aufgelegt werden, mit Facebook und Instagram ausgiebig die Social-Media-Kanäle bespielt werden. Außerdem ist ein Infopaket für Präsentationen in Musikhochschulen zur Mitgliedergewinnung in Vorbereitung.
Tarifarbeit
Ein Großteil der Gewerkschaftsarbeit spiegelt sich im Bereich Tarifarbeit wider, sind die Gewerkschaften doch der Verhandlungspartner der Arbeitgeberverbände. Aktuell laufen Verhandlungsrunden für die Beschäftigten der Länder, dies betrifft neben Berlin und Hamburg auch die Kolleginnen und Kollegen der Musikschule Bremen. Die Fachgruppe Musik darf sich glücklich schätzen, mit Franziska Gröpl ein Mitglied der Bundestarifkommission in ihren Reihen zu wissen. Sie stellte am Tagungswochenende noch einmal klar, dass Musikschullehrkräfte im öffentlichen Dienst bei der letzten Eingruppierungsrunde quasi herabgruppiert wurden, da die Verwaltungsbereiche im Gegenzug aufgewertet wurden. Arbeitsinhalte in Musikschulen haben sich seitdem deutlich verändert – es stellt sich also die Frage, inwieweit der Tarifvertrag den tatsächlichen Arbeitsalltag aktuell noch realistisch abbildet. Und auch wenn der Fachkräftemangel den Arbeitsmarkt zurzeit in einen „Arbeitnehmer“-Markt verändert, wird ein höheres gewerkschaftliches Engagement seitens der Musikschulpädagoginnen und -pädagogen für eine höhere Wertschätzung der geleisteten Arbeit nötig sein; korreliert jeder Tarifabschluss doch unmittelbar mit dem Organisationsgrad der Betriebe. Die „AG-Tarifarbeit“ wurde daher mit der Ausarbeitung niederschwelligen Infomaterials beauftragt, welche Möglichkeiten für Lehrkräfte im Raum stehen könnten. Der langersehnte neue Ratgeber für Musikschullehrkräfte, der wesentliche Teile der Tarifarbeit beinhaltet, befindet sich inzwischen auf der Zielgeraden und steht kurz vor der Veröffentlichung.
Netzwerkarbeit
Zu guter Letzt wurde auch über die Vernetzung auf bundesweiter und europäischer Ebene gesprochen. Der Bundesfachgruppenvorstand ist bereits seit vielen Jahren beispielsweise durch Gabor Scheinpflug in der FIM („International Federation of Musicians“) und Martin Ehrhardt im Deutschen Kulturrat sowie im Deutschen Musikrat vertreten. Es wurde insgesamt deutlich, dass das unregulierte Thema der Künstlichen Intelligenz allen Verbänden zunehmend Sorgen bereitet.
Nach einem produktiven und gut gelaunten Wochenende ist der Fachgruppenvorstand nun auch intern besser vernetzt und konnte viele richtungsentscheidende Beschlüsse verabschieden. Abschließend bleibt die Frage zu beantworten, wer eigentlich für das Erreichen der von ihm gesteckten Ziele verantwortlich ist: Das Gremium hat sicher einen lenkenden Charakter, kann in letzter Instanz aber nur so durchsetzungsstark sein, wie die Summe seiner zugehörigen Gewerkschaftsmitglieder. Also bleibt es der Bundesfachgruppe Musik für die Erreichung der gesteckten Ziele insgesamt zu wünschen, dass der Beitrittsschwung aus der letzten Tarifrunde im öffentlichen Dienst anhält und sich möglichst viele Musikerinnen und Musiker weiter solidarisch in der Kulturgewerkschaft ver.di zusammenfinden, um gemeinsam das Morgen zu gestalten!
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