Verständlich, dass nach der Wende die meisten Bands keine Lust mehr hatten, mit der in eine GmbH umgewandelten Firma (DSB) zusammenzuarbeiten. Die Undergroundbands fanden nach der Wende bei westdeutschen Independent-Labels dankend Aufnahme. Die Hoffnungen der einstigen Stars jedoch, einen Major-Vertrag zu bekommen, erwiesen sich als böse Illusion. Von Silly zum Beispiel, deren Album „Februar“ noch 1989 in Kooperation zwischen dem sozialistischen Monopolisten und der BMG Ariola erschienen war, verlangte der Major, sich in eine Art Münchener Freiheit umzuwandeln. Die Mehrzahl der profilierten Ostbands blieb die Erfahrung nicht erspart, von den Majors der westlichen Plattenindustrie als etwas Fremdes abgelehnt zu werden.
Wer in der DDR eine Platte produzieren wollte, war gezwungen, den VEB Deutsche Schallplatten als Partner zu akzeptieren. Als einziger Tonträgerproduzent des Landes konnte er sich vorbehalten, verbindliche Verträge nur mit wenigen renommierten Künstlern zu unterschreiben. Neuen Bands stand er bestenfalls ein Debütalbum zu. Tantiemen für Leistungsschutzrechte erhielten die Künstler – bis auf wenige Ausnahmestars – ebenso wenig wie ein Honorar, das sich an der Anzahl verkaufter Platten orientierte. Die aus heutiger Sicht utopisch hohen Absatzzahlen vergütete der VEB lediglich mit einer Pauschale. Verständlich, dass nach der Wende die meisten Bands keine Lust mehr hatten, mit der in eine GmbH umgewandelten Firma (DSB) zusammenzuarbeiten. Die Undergroundbands fanden nach der Wende bei westdeutschen Independent-Labels dankend Aufnahme. Die Hoffnungen der einstigen Stars jedoch, einen Major-Vertrag zu bekommen, erwiesen sich als böse Illusion. Von Silly zum Beispiel, deren Album „Februar“ noch 1989 in Kooperation zwischen dem sozialistischen Monopolisten und der BMG Ariola erschienen war, verlangte der Major, sich in eine Art Münchener Freiheit umzuwandeln. Die Mehrzahl der profilierten Ostbands blieb die Erfahrung nicht erspart, von den Majors der westlichen Plattenindustrie als etwas Fremdes abgelehnt zu werden. Nur live bringt KohleMusiker verdienten in der DDR ihr Honorar fast ausschließlich durch Liveauftritte. Deren Höhe legte eine staatliche Einstufungskommission fest. Studioarbeit gehörte nicht zum Alltag, denn bis Anfang der 80er Jahre existierten nur wenige staatliche Studios beim Rundfunk der DDR und dem Platten-VEB. Wer eine LP produzieren konnte, betrachtete das als Höhepunkt in der künstlerischen Karriere.
Vor dem ersehnten Gang ins Studio hatten die Musiker also genug Zeit, neue Songs live zu testen und musikalisch zu experimentieren. Existenziellen Erfolgsdruck kannten die Künstler nicht – es sei denn, sie legten sich wie die Gruppe Renft (die Band wurde 1975 verboten, weil sie die deutsche Teilung zum Thema machte) direkt mit dem System an. Die Mehrzahl der DDR-Bands wusste gekonnt Songs mit Inhalten zwischen den Zeilen zu schreiben. Durch die Spannung zwischen den politischen Verhältnissen und dem widerstrebenden Lebensgefühl der in ihr geborenen Generation konnte eine eigenständige DDR-Rockmusik entstehen.
Im kommerziellen Geschäft gelten umgekehrte Prämissen. Das Livespiel verkommt immer mehr zur Nebeneinkunft. Nur wer Veranstaltern ein fertiges Produkt, möglichst mit dem Verweis auf Verkaufszahlen, vorlegen kann, vermag höhere Gagen auszuhandeln. Die Majors der Musikindustrie lassen sich kaum noch auf die langfristige Entwicklung natürlich entstandener No-Name-Bands ein, von denen sie zwei, drei Plattenflops einkalkulieren muss – es sei denn, sie haben ein Indie-Label unter Vertrag, um das Risiko nicht allein tragen zu müssen.
Nützliche Seilschaften
Die ersten Labels aus dem Osten gaben sich Namen, in denen sich die Beziehung zur DDR-Musikszene widerspiegelte. Während Barbarossa auf Traditionen des politischen Liedes hindeutete, verwies Löwenzahn auf die Herkunft seiner Gründer aus der Folkmusik. Grauzone wollte auf das aufmerksam machen, was sich zwischen offiziell anerkannter Kultur und Underground entwickelt hatte. Und Buschfunk machte sich die alte Erfahrung zum Labelmotto: Informationen, die nur für wenige Ohren bestimmt sind, sprechen sich garantiert herum.
So eng abgesteckt, wie es die Namen signalisieren mögen, blieb das Repertoire der Labels jedoch nicht. Mit den Jahren öffneten sie sich nicht nur weiteren musikalischen Stilistiken, sondern auch Künstlern aus den alten Bundesländern. Nach der Wende ging es ihnen aber zunächst darum, Künstlern aus dem eigenen Umfeld Produktionsmöglichkeiten zu schaffen und damit den Bestand der ostdeutschen Musikszene zu wahren. Da die Mehrzahl der Westfirmen die alten Bands und deren Vorgeschichte kaum kannten, schätzten sie den Ostmarkt und dessen besondere regionalen Bedürfnisse falsch ein – und ignorierten ihn. Das war die Chance für die Ostlabels.
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