Im März dieses Jahres haben die Regierungsfraktionen den Antrag „Künstlersozialversicherung stärken“ in den Deutschen Bundestag eingebracht. Sie haben damit Anschluss an eine Diskussion genommen, die auf Regierungsebene seit Ende des letzten Jahres geführt wird. Nachdem auf dem Erlassweg bekannt gegeben worden war, dass die Künstlersozialabgabe zum 01. Januar 2005 von 4,3 Prozent auf 5,8 Prozent steigen wird, haben die Verwerter künstlerischer und publizistischer Leistungen sich in einem Aktionsbündnis zusammengefunden, um gemeinsam für eine Begrenzung der Künstlersozialabgabe einzutreten.
Ins Visier haben sie dabei auch ihre Berufskollegen genommen. Denn noch immer kommen nicht alle Abgabepflichtigen ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Künstlersozialabgabe nach. Das schafft Wettbewerbsnachteile für diejenigen, die sich an Recht und Gesetz halten, weshalb von den Verwertern selbst eine bessere Erfassung der Abgabepflichtigen eingefordert wird. Eine größere personelle Ausstattung der Künstlersozialkasse soll dazu beitragen, den Kreis der Verwerter, die ihrer Abgabepflicht nachkommen, zu erweitern. Der oben genannte Antrag der Regierungsfraktionen unterstützt dieses Ziel nachdrücklich. Doch zugleich scheinen die Regierungsfraktionen nicht nur die Verwerter stärker an die Kandare nehmen zu wollen, es werden zusätzlich verschärfte Kontrollen für die Versicherten gefordert.
Als Problem wurde von allen Abgeordneten der Anstieg an Versicherten gesehen. Die Abgeordnete Angelika Krüger-Leißner (SPD) rief die Zahlen noch einmal in Erinnerung. Im ersten Jahr des Bestehens waren gerade mal 12.000 Künstler und Publizisten versichert, heute sind es rund 140.000. Ein Ende des Zuwachses ist derzeit noch nicht abzusehen.
Outsourcing-Strategien
Als Grund für den Zuwachs an Versicherten wurde in den Redebeiträgen der Abgeordneten Outsourcing-Strategien der Unternehmen angeführt. Es ist sicherlich richtig, dass in einigen Branchen Outsourcing-Strategien bestehen und diese zweifelsohne dazu führen, dass ehemals fest angestellte Mitarbeiter nun teilweise als freie Mitarbeiter arbeiten und über die Künstlersozialversicherung versichert sind. Vor allem Verlage und die Medienbranche werden in diesem Zusammenhang angeführt.
Andere Bereiche
In anderen Bereichen wie zum Beispiel bei Bildenden Künstlern trifft diese Beschreibung aber überhaupt nicht zu. Bildende Künstler waren niemals bei Galeristen angestellt und werden es voraussichtlich auch in der Zukunft nicht sein.
Von einem arbeitnehmerähnlichen Status für in der Künstlersozialversicherung versicherte freiberufliche Künstler und Publizisten zu sprechen, wie es die Abgeordnete Silvia Schmidt in ihrer Rede formuliert, geht daher fehl. Auch sollte, wenn man den Anstieg der Versichertenzahl beklagt, ehrlicherweise dazu gesagt werden, dass in den vergangenen Jahren die Selbstständigkeit propagiert wurde und in einigen Bundesländern die Kultur- und Medienbranche als Hoffnungsbranche behandelt wurde. Bereits seit mehr als einem Jahrzehnt werden für das Land Nordrhein-Westfalen Kulturwirtschaftsberichte erstellt, in denen das Wachstum dieser Branche hervorgehoben wird.
Erst im vergangenen Herbst hat Kulturstaatsministerin Weiss bei der Vorstellung der Studie „Kulturberufe in Deutschland“ hervorgehoben, dass der Arbeitsmarkt Kultur mit der Mehrzahl an Selbstständigen den künftigen Arbeitsmarkt antizipiert (siehe hierzu auch den Beitrag von Zimmermann in „politik und kultur“ 2/2005). Der Arbeitsmarkt Kultur und daraus folgend der Anstieg der in der Künstlersozialversicherung Versicherten ist also wesentlich komplexer als dass er allein mit dem Outsourcing erklärt werden könnte.
Distanz und Kälte
Trotz der Anklage des Outsourcings erstaunt die Distanz und Kälte mit der die Situation der Künstler beschrieben wird. Kaum ein Abgeordneter lässt die Gelegenheit aus, die Frage zu stellen – und sei es indirekt –, ob denn alle Versicherten tatsächlich zu Recht in der Künstlersozialversicherung versichert sind.
So lädt nach Auffassung der Abgeordneten Birgitt Bender (Bündnis 90/Die Grünen) die Vorausschätzung der Einkommen zum Missbrauch geradezu ein. Auch ist sie der Meinung, dass im Vergleich zu anderen Selbstständigen die in der Künstlersozialkasse Versicherten Privilegien genießen. Selbstständige müssen ansonsten alleine die Beiträge zur Sozialversicherung aufbringen und erhalten keinen fiktiven Arbeitgeberanteil. Ihres Erachtens wird es immer schwieriger, selbstständige Tätigkeit und abhängige Beschäftigung voneinander sauber zu unterscheiden. Bender schlussfolgert daraus, dass alle Sondersysteme in der Sozialversicherung in Frage gestellt werden sollten.
Die Abgeordnete Vera Lengsfeld (CDU/CSU) geht noch einen Schritt weiter, sie sagt klipp und klar: „... Im Prinzip ist heute jeder Einzelne dazu aufgefordert, eine eigenständige Vorsorge zu treffen. Das gilt auch für Künstler. Dass deren Einkommen so gering ist und sie ihre Vorsorge mit einem durchschnittlichen Gehalt von 11.100 Euro im Jahr kaum bewältigen können, ist nicht Sorge des Staates. Wir müssen eine stärkere Eigeninitiative der Versicherten fordern.“
Heiße Debatte zur KSK
Demgegenüber erinnerte der Abgeordnete Hans-Joachim Otto (FDP) daran, dass die Künstlersozialversicherung Grundlage der sozialen Absicherung selbstständiger Künstler ist und der Bundeszuschuss ein Beitrag des Staates zur Künstler- und zur Kunstförderung ist. Damit wird nochmals klargestellt, dass die Künstlersozialversicherung eine sozial- und kulturpolitisch wichtige Errungenschaft ist. Auch der Abgeordnete Matthias Sehling (CDU/CSU) hebt auf den Bundeszuschuss ab und sieht als eine Maßnahme zur Absenkung der Verwerterabgabe die Wiederanhebung des Bundeszuschusses auf 25 Prozent.
Insgesamt versprechen die zu Protokoll gegebenen Reden eine heiße Debatte zur Künstlersozialversicherung. Beide Oppositionsfraktionen, CDU/CSU und FDP, haben für die nun anstehenden Ausschussberatungen eigene Anträge zur Stärkung der Künstlersozialversicherung angekündigt. Es bleibt abzuwarten, welche Schwerpunkte dort gesetzt werden.