Die Tipps der Redaktion für kurz vor Weihnachten, die aber über Jahre hinaus gelten dürften.
romy. Ich werde nie halbe Sachen machen, edel earbooks, ISBN 978-3-940004-03-1
Zum 25. Todes- beziehungsweise 70. Geburtstag der „Kaiserin der Herzen“, den sie am 23. September 2008 feiern hätte können, hat edel CLASSICS dieses opulente „Ohren-Buch“ präsentiert. Es enthält wunderbare großformatige Fotos der Diva, unter anderem von Milton H. Green, samt zwei CDs mit Filmmusik. Zuckerl: Romy singt „La Chanson d’Hélène“ zusammen mit Michel Piccoli. Zum Blättern, Zuhören und Träumen von einer viel geliebten und viel zu früh verstorbenen großartigen Actrice.
Ursula Gaisa
Annett Louisan: Teilzeithippie, Ltd. Edition (inkl. 4 unveröffentlichter Songs plus Video zu „Drück die 1“ plus 16 Movie-Picture-Cards) (Doppel-CD), SMD 105M (Sony BMG)
Sängerinnen beurteilt man bekanntlich ja nicht nach ihrem Aussehen. Und so ist es gewiss nicht jene Mischung aus „Unschuld vom Lande“ und „Lolita“ – geschickt gepaart mit einer dünnen Gören-Stimme, die mich allein zu diesem Tipp verleitetet hätte: Taffe Arrangements, intelligente und dank ihres Mangels an Political Correctness nahezu ehrlich wirkende Texte im Verbund mit wirklich bunten Arrangements machen das Album „Teilzeithippie“ von Annett Louisan derzeit zu meiner meistgestreichelten Ohrwurm-Datensammlung. Total Gender-kompatibel – für Liebhaberinnen und Liebhaber individueller weihnachtlicher Unruhe das ideale Präsent. Bei iTunes schlicht für 9,99 Euro oder zum Beispiel bei Amazon als De-Luxe-Edition mit 2 CDs und Mini Postern samt Video für zirka 17 Euro
Theo Geißler
Steven Galloway: Der Cellist von Sarajevo, 240 Seiten, Luchterhand, ISBN 978-3-630-87279-7, 19,95 Euro
Nach einer wahren Begebenheit: Ein Musiker trotzt der eigenen Todesangst und spielt in den Trümmern von Sarajevo, um den Menschen während der Belagerung der Stadt einen Teil ihrer Hoffnung und ihrer Würde zurückzugeben. Ein eindrucksvoller Roman über die Kraft der Musik!
Barbara Haack
Ekkehard Jost: Sozialgeschichte des Jazz, Zweitausendeins
Nach wie vor ein absolutes Muss für alle, die etwas über die Geschichte des Jazz, abseits einer heroischen Geschichtschreibung oder technischen Feinanalysen, erfahren wollen. Durch die Ergänzung um aktuelle Kapitel zudem ein Beitrag zur Situation um 2000. Dazu passend „Die Jazzmusiker und ihre drei Wünsche“, fotografiert und notiert von Baronesse Pannonica de Koenigswarter (Reclam, Stuttgart) als Beleg, Indiz und Dokument einer langen, durstig tristen Jazzgeschichte.
Martin Hufner
Gershwin: Porgy and Bess (2 CDs), audite 23.405
Dieser erst kürzlich im Archiv von Deutschlandradio Kultur wiederentdeckte Livemitschnitt eines Berlin-Gastspiels der Davis-Breen-Produktion von „Porgy and Bess“ (1952) dürfte an Vitalität und authentischer Ausstrahlung kaum zu übertreffen sein. Die unvergleichliche Leontyne Price ist hier in ihrer vermutlich ersten Aufnahme zu hören. Dazu Cab Calloway als Sportin’ Life und fabelhafte Nebendarsteller.
Juan Martin Koch
Peter Hill und Nigel Simeone: Messiaen, aus dem Englischen von Birgit Irgang, Schott Mainz 2007 ISBN 978-3-7957-0591-6, 29,95 Euro
Jedes Konzerthaus, das etwas auf sich hält, gibt dieser Tage Messiaen: Am 10. Dezember 2008 jährt sich der Geburtstag des französischen Komponisten Olivier Messiaen zum hundertsten Mal. Dutzende von CD-Editionen unterschiedlichster Güte arrondieren diese Aktivitäten. Um sich in diesem akustischen Angebot sicher zurechtzufinden, schadet ein wenig Quellenstudium nichts: Das Standardwerk ist nach wie vor Hills und Simeones Messiaen-Biographie.
Andreas Kolb
Robert Schneider: Die Offenbarung (Roman), Aufbau Verlag 2007, ISBN 3-351-03212-9
Nie gab es größere Differenzen zwischen Musikwissenschaft und Hobbyforschung. Robert Schneiders „Die Offenbarung“ enttarnt mit Hilfe unterschiedlichster Charakterzeichnungen einerseits die Absurditäten der Musikforscher-Szene, sein naiv-unbeholfener Held hingegen berührt die Herzen des Lesers. Der Roman erzählt die Geschichte des Organisten/Komponisten/Hobbyforschers Jacob Kemper, einer nicht nur in der Kunst, sondern vor allem im Leben gescheiterten Existenz. Zu ihm vermeintlich zustehender Weltgeltung will er mit einer Partitur gelangen, die er im morschen Gebälk der Naumburger Kirchenorgel findet. Dabei handelt es sich nicht um irgendeine Partitur, sondern um das letzte Werk Johann Sebastian Bachs. Die Lektüre des apokalyptischen Autographen versetzt Kemper in einen Trancezustand, aus dem er sich nur schwer befreien kann. Wirklichkeit und Phantasie verschwimmen. Wird Bach, der am Schluss des Romans auch noch seinen Auftritt erhält, oder die Partitur es schaffen, die Seele des Romanhelden gesunden zu lassen? Ironie, Satire, aber auch Tiefsinn und Ernsthaftigkeit machen diesen Roman aus. Den Musik-liebhaber wird’s amüsieren.
Barbara Lieberwirth
Martina Hügi: Die Sechs Lebensalter in Bild, Wort und Musik, Musik Verlag Nepomuk, Basel 2008, 42 Seiten, mit Audio-CD, 16,90 Euro, ISBN 978-3-907-92-7
Schon ungewöhnlich, dass und wie eine junge Frau von zwanzig es versteht, ihren Gedanken zum Werden, Sein und Vergehen künstlerischen Ausdruck zu verleihen, diese zu vermitteln und zum Mit- und Nachdenken anzuregen versteht. Gemalt, gedichtet, in Musik gefasst sind ihre Reflektionen über die Lebensstationen zwischen Geburt, Erwachsen-Sein und Lebensende. Bild, Wort und Klang deuten sich gegenseitig, und ihre Gefühle finden in eigenen Improvisationen am Klavier Ausdruck, lassen die Sinne meditieren, rühren im Tiefsten die Seele an.
Eckart Rohlfs
Bücher über Musik lese ich (mit wenigen Ausnahmen) immer lustloser. Das Wichtigste erfährt man aus den Noten, und zwar aus den erklingenden. Darum ein paar lose CD-Vorschläge: Luigi Nonos Prometeo (Experimentalstudio Freiburg, André Richard; Leitung: Peter Hirsch, Kwamé Ryan; col legno WWE 2SADC 20605) steht ganz oben auf der Wunschliste, denn das ist wirklich eine ungemein präsente und packende Aufnahme des vielleicht wichtigsten Musiktheaterwerks in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts.
Einen Brückenschlag zwischen Moderne und Bach unternimmt der Akkordeonist Denis Patkovic (Johann Sebastian Bach: Goldberg-Variationen; Jukka Tiensuu: Zwischenspiele; hänssler CD 98527) auf ganz fesselnde Weise. Es sind neue kreative Zugänge zum scheinbar Allzu-Vertrauten, das plötzlich wieder ganz fremd vor uns steht. Das könnte einem auch so vorkommen, wenn man die Einspielung der Beethoven-Sinfonien mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen unter Paavo Järvi (bei Sony/BMG) hört. Denn man vernimmt revolutionäre Energie, die nicht gleich wieder im dicken Pathos kleben bleibt, sondern ganz leichtfüßig daher kommt. Und für die Jazzer möchte ich nur auf die großartige Begegnung von Chick Corea mit der fantastischen japanischen Pianistin Hiromi (BIEM/SABAM 0888072308275) verweisen. Was sich hier „abspielt“ ist einfach nur toll.
Reinhard Schulz
Manuel Negwer: Villa-Lobos. Der Aufbruch der brasilianischen Musik, Schott, Mainz 2008, 277 Seiten, Abb., CD, 22,95 Euro, ISBN 978-3-7957-0168-0
Sein ästhetischer Anknüpfungspunkt war die französische Musik, die er in den 1920er-Jahren in Paris kennen lernte; Inspiration holte er sich überwiegend in der Lebenswelt seiner brasilianischen Heimat, für die er – auch in Anbiederung an Diktator Vargas – eine eigene Musiksprache zu entwickeln suchte. Dass Villa-Lobos dabei ohne Scheu unterschiedliche Kulturen der Musik zusammenbrachte, machen nicht zuletzt seine weithin bekannt gewordenen „Bachianas Brasileiras“ deutlich. Ein flüssig geschriebenes Portrait mit kulturgeschichtlicher Einbettung und vielen Streiflichtern auf das kompositorische Werk. Auf der beiliegenden CD interpretiert Villa-Lobos an Klavier und Gitarre eine kleine Auswahl eigener Stücke.
Michael Wackerbauer