„Die Kunst ist ein Vorreiter der Gesamtgesellschaft. Alle politischen und sozialen Entwicklungen, die diese durchmacht, lassen sich in fast allen Fällen 20, 30 oder 40 Jahre vorher exakt durch Phänomene innerhalb der Kunst erkennen. Sie ist also ein entscheidender Seismograf für die Gesamtgesellschaft, und das bedeutet auch, dass die Gesetze, die in der Kunst gelten, für alles im Leben gelten.“
Alexander Pereira
im Kleinen Haus zu delmenhorst – stets am 11.11. – versammelt sich seit nunmehr zweiunddreißig jahren ein hoch aufmerksames publikum aus der region, um jeweils neueste musiken dieser welt zu erfahren von aktuell und international allerbesten interpreten, die konzerte geraten in jeder hinsicht außergewöhnlich und muten kräftig zu, das Ensemble Musica Negativa von heinz klaus metzger und unter leitung von rainer riehn eröffnete den reigen 1969 mit seinem début-konzert. es gab abende, an denen das gesamtlicht abgeschaltet wurde, um im dunkeln besser-anders hören zu können, so wurden auch schon einmal programmzettel verteilt blanco ohne angaben, um sich vorurteilsfrei zu öffnen, oder programmauflistungen ließen die abfolge offen für freie zuordnungen; denn das programm entsteht allemal im konzert! seltsame gleichzeitigkeiten ereigneten sich von musiken und auch aufführungsorten, so wurden zuletzt bei NEUE MUSIK IN DELMENHORST in foyer und saal simultan unterschiedliche konzerte veranstaltet, während im konzentrierten über-all zusätzlich experimentelles tanztheater die szene aufwühlte, für mancherlei überraschung sorgte und begeisterte neugierde auslöste, es gab zahlreiche uraufführungen, werke von hespos, paul hindemith, evangelisti, cage und vielen anderen. sogar ein internationaler komponistenwettbewerb wurde einmal realisiert mit uraufführungen von letztlich 59 werken aus aller welt für sopran, klavier, zwei akteure und laien-streichorchester. gefordert waren kompositionen von einer minute dauer!
in kurzer zeit von drei jahren gab es die KULTURREIHE HOYERSWEGE als zentrum aktueller taten. kein zusätzlich überflüssiges angebot von kulturkonsum, sondern ein herausforderungsprogramm vielfältiger erscheinungen aktueller kultur, um im „gasthaus“, jenem ort des sich-treffens, neue impulse zu bewegtem gespräch zu geben, um verkarstungen zu stoppen, sinne nachzuschärfen, neue hoffnung anzuregen. dilettanten, fachleute von internationalem niveau und künstler von weltrang gastierten unentgeltlich bei den vom gastronom werner scheitza und hespos insgesamt 16 auf den weg gebrachten veranstaltungen im Hof Hoyerswege am südrande von delmenhorst. diese private initiative wider den trüben geschmack verstand sich auflehnend gegen falsche einsparung und schlaffe ängstlichkeit, setzte TATzeichen, wagte kontroverse reizprogramme: „der mai ist gekommen, die bäume werden braun“, „ansichten zur krebsbekämpfung“, „braucht der fortschritt den krieg der sterne?“... und neue musik war immer mit im spiel: lauren newton, vinko globokar, harry sparnaay, trio basso, makoto shinohara, francoise déslogères, free music communion, graciela paraskevaidis, coriún aharonián, der new yorker Z’ev und viele andere.
seit november 1990, einmal monatlich am mittwoch abend, trifft sich intern wechselnd eine bunte schar freier unternehmer quer aus den berufssparten in ganderkesee, um sich anregend miteinander auszutauschen zu gesellschaftlich aktuellen fragen, um in praxis dinge zu tun, die eigentlich nicht gehen, um „spielZeugs“ zu entwickeln anstoß-quer zum alltag und praktische patenschaften zu leisten für initiativen, die gesellschaftlich von animierendem reiz sind.
da das phänomen „geld“ in diesem verantwortungsvollen gesprächskreis kein thema ist, können phantasie und gedanken mutig und frei kommunizieren. aus dieser „Keimzelle Wahrnehmung“ wurde 1993 die WIESE GMBH, „gesellschaft zur förderung sozialer, kultureller, ökologischer und wirtschaftlicher projekte“. die „wiese gmbh“ besteht aus tatsächlichen wiesen als erprobungsfeldern, die zugleich anregung sind, weitreichende vernetzungen mit anderen „wiese“-unternehmungen zu beginnen zu einer NORDEUROPÄISCHEN KULTURSTRASSE und in der spanne rotterdam – st. petersburg ereignisse, innovationen, mitwirkungen, selbsthilfen,... auf den weg zu bringen, eine „ameisenstraße“ zu verwirklichen voll neuer begegnung, unterhaltung, inter-regionaler initiative von öffentlicher ausstrahlung.
„EXPO-midi/musique future antérieure“ hieß die zehnteilige konzertreihe, zu der das kulturamt der stadt delmenhorst hespos im expo-jahr beauftragte. musiken des unmittelbaren gestern und heuteJETZT zu anregender information für zeitgenössische geister präsentierten sich in halbstündigen solokonzerten an sonntagen jeweils um 12.00 uhr auf dem delmenhorster wolle-industriegelände mitten in der stadt. diese serie mit den jeweils besten ihres faches und neuester musik geriet zu einem überwältigenden publikumserfolg. mie mike aus tokyo am akkordeon, georg friedrich schenck aus düsseldorf klavier, daniel kientzy aus paris an saxophonen, der tubaist melvyn poore aus köln, die vogelstimme ute wassermann aus berlin, die georgische sopranistin maja tabatadse, der schlagzeuger ulrik spies aus berlin am sensible metal (s. photo), der schlagzeugende matthias kaul, und der fabelhafte vinko globokar mit seinen kompositionen für posaune –, sie alle waren highlights dieser serie.
verwirklicht wird jetzt UMAC, die vision von einem interdisziplinären wurzelwerk: vielfältige disziplinen wie wissenschaft und politik, wirtschaft und kultur in einer weise miteinander zu verflechten, dass etwas neues, noch nicht gewusstes, noch nicht gekanntes heranwächst wie ein rhizom. es geht darum, miteinander quer-zu-denken – voneinander zu lernen.
erkenntnisreiche prozesse voller wandlung und entfaltung. alles, was wir dabei fragend gestalten, muss aufwecken, in bewegung halten und das denkempfinden in vibration versetzen. solche vibrationen müssen voll beziehungsreicher augenblicke sein, die losgelöst von alteingefahrenem, von dumpf vertrautem, unbekanntes eröffnen und universelle weiten herstellen. kleinkariert läuft hier nichts... seit vielen jahrhunderten schon treiben wir immer mehr in die enge, ersticken vollends in blind-bastelndem fortschritt. zunehmende unruhe über beharrlichen stillstand und angeregt von globalisierungen und sich wandelnder gesellschaften versteht sich die mit dem gestalter jürgen engel vor kurzem gegründete Universitaere Manufactur Com-Position (UMAC) zeitgenössisch als solche längst überfällige erweiterung, wichtig ist uns, außenseiterisch anstoß zu geben und neuAndere erkenntnisse zu fördern – als revolutionäres handeln.
komponieren –, das heißt anstiften, heißt TÄTER sein –, in den partituren ebenso wie in gesellschaftlichem umfeld.
meine ermunternde einladung an die JUNGEN: stiftet an zu TATEN! bleibt lebendig! wehret dem geld und der dummheit! eröffnet eure vielfalt von ZUKUNFTSWERKSTATT! so wie die junge juliane klein mit editorischer unruhe, johannes harneit mit den erfindungsreichen varianten seiner MomentsMusicaux, die überraschungsreichen NeuNoNeits, wie michael reudenbach mit seinen aachener spottlights und holger klaus und seinem aspect... immer weiter – viel mehr und ganz anders neuFrech.