Hoch im Norden, hinter den Deichen, eine Grundschule auf dem Dorf. Schulleiter Hans-Wilhelm Nottelmann ist sichtlich nervös. Wir schreiben Freitag, den 27. Januar 2006, heute hat Wolfgang Amadeus Mozart Geburtstag. Eine komplette vierte Schulklasse hat Platz genommen, die Bühne gehört zuerst den Schülern. Ein „Little Amadeus“ mit Perücke und Brokatjacke tritt an, die Schülerin Anne Döhren (zehn Jahre) von der Grund- und Hauptschule in Wacken (Schleswig-Holstein) hat die Rolle souverän drauf, sie hat Mozart gelernt und ihn verstanden, moderiert das Thema und sagt die Künstler an.
Es treten Astrid Kiesslich (Bratsche) und Anatol Masleij (Geige) auf – und der Schulleiter staunt. „Als ich heute morgen die Schüler mit ihren Baseball-Käppis hier lautstark reinkommen sah, da bekam ich Angst vor einem Fiasko – die zarte klassische Musik und diese Grundschulkinder von heute, deren Sozialisation sinnlich-musische Wahrnehmung kaum kennt.“ Die Schule war gut vorbereitet. Für den „Little Amadeus Aktionstag“ hatte man sich angemeldet und von der Homepage der Veranstalter die Tipps und den Plan heruntergeladen. Das Ergebnis konnte sich sehen und hören lassen, nochmals Schulleiter Nottelmann: „Umso größer war mein Erstaunen, wie sehr die beiden Künstler Kiesslich und Masleij mit Charme und Witz, mit Virtuosität und pädagogischem Geschick die Schüler beeindruckten. Von der ersten bis zur letzten Minute nahmen diese daran teil, vollkommen störungsfrei und beteiligten sich äußerst aktiv.“ Stellvertretend für knapp 400 deutsche Grundschulen, die an diesem Tag mitgemacht hatten, bedankte er sich und schrieb den wohl wichtigsten Satz in ein Dankschreiben. „Der Little Amadeus Aktionstag hat an unserer Schule der Klassik eine Tür aufgemacht.“
Die Idee zur Vernetzung und gemeinsamen Mobilisierung von Musikschulen, Orchestern, Musikern und Musikpädagogen für den 250. Geburtstag von Wolfgang Amadeus Mozart entstand im Zusammenhang mit der TV-Sendung „Little Amadeus“ (KI.KA/ARD). Initiatoren waren die Macher der TV-Serie Peter Will (Gateway4M, Musik- und Filmproduzent) und Winfried Debertin (TV-Produzent, Erfinder der Figur Little Amadeus) sowie der bekannte Trompeter Otto Sauter. Unterstützer waren die Deutschen Musikverbände*, angeschrieben wurden circa 14.500 Grundschulen, das Ergebnis dieses ersten Laufs war gut: 838 Schulen meldeten sich schriftlich zur Teilnahme an, das via Internet kostenlos zur Verfügung gestellte didaktische Material wurde circa 30.000 Mal von der Website heruntergeladen, 384 Schulen konnten kostenlos Musiker beziehungsweise Ensembles vermittelt werden, die den Kindern Mozart vorspielten und ihre Instrumente vorstellten – Klassik zum Anfassen und Anhören. Für den Ideengeber Peter Will ist der Verbund aus erfolgreicher TV-Serie und Aktionstag eine langfristige Aktivität, ein nächster Aktionstag soll folgen, Ratgeber und weitere Aktionsformen werden bereits konzipiert, in Vorbereitung ist die Gründung einer Stiftung, die zukünftig das Dach dieser Klassikförderung sein soll. Will: „Die Klassik hat ein Image-Problem, das liegt aber nicht an der Musik oder der Qualität alter oder neuer Künstler, die sie interpretieren und darbieten. Der Aktionstag und die TV-Serie beweisen, dass man Klassik zeitgemäß und dennoch ohne falsche Anbiederung an den Zeitgeist popularisieren kann.“ An der musikalischen Gestaltung der TV-Serie wirkte auch Wolf Kerschek als führender Komponist mit, er erklärt, warum gerade die Musik bei Little Amadeus mehr als Begleitung und deshalb so erfolgreich ist (bester Serienstart auf KIKA seit Start des Senders!): „Wir arbeiten fast ausschließlich live mit echter Orchestermusik, die komplett neu eingespielt wurde. Wenn ein Kind eine Little-Amadeus-Folge sieht, hat es das Leitthema in Variationen gehört, erlebt Klassik, Mozartgeschichte und ein Filmereignis. Die heutige Erfahrung der Jugend heisst HipHop, Dance oder Rock – Little Amadeus erweitert die Wahrnehmung der Kids, sie bekommen Lust auf eine andere musikalische Sprache, geschaffen wird so insgesamt mehr Akzeptanz für die Klassik.“ Für den Aktionstag verbündeten sich auch der Deutsche Musikrat, der Verband Deutscher Musikschulen und der Verband Deutscher Schulmusiker gemeinsam mit den Veranstaltern, um eine „pädagogische Allianz“ auf den Weg zu bringen. So hat das Little Amadeus Projekt im ersten Jahr viel erreicht. Nochmals Will: „Wir werden uns jetzt um verbesserte Planung und Vorbereitung bemühen, hierüber sind wir bereits mit unseren Partnern im Gespräch – der nächste Aktionstag kommt bestimmt!“
*Schirmherrschaft: Deutsche Mozart-Gesellschaft
Unterstützt und begleitet von:
Deutscher Musikrat, Verband Deutscher Musikschulen e.V., Verband Deutscher Schulmusiker e.V., Deutsche Phono-Akademie e.V., Deutsche Orchester Vereinigung e.V., Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände e.V. BDMV, Arbeitskreis für Schulmusik e.V., Musikkorps der Bundeswehr, KI.KA Der Kinderkanal von ARD und ZDF
Exemplarischer Einblick ins Amadeus-Konzept
Zur Episode „Die gestohlene Uhr“ – Ausstrahlung am 17. Juni 2006 in der ARDInhaltsangabe der Episode: Amadeus möchte sich mit einem Lied beim Kompositionswettbewerb um die „Goldene Nadel von Salzburg“ bewerben. Der ehrgeizige Devilius und die hinterhältige Ratte Monti wollen dies verhindern, damit Devilius’ Neffe Mario den Preis gewinnen kann. Mit Hilfe einer Taschenuhr und einer gestohlenen Mozart-Melodie lassen sie Amadeus als Dieb und Plagiator dastehen. In einer gruseligen Friedhofsszene wollen Amadeus und seine Freunde Mario schließlich ein Geständnis abringen. Wird dieses Geständnis Amadeus von den Vorwürfen reinwaschen oder gewinnt Mario am Ende die „Goldene Nadel von Salzburg“? Zur musikalischen Gestaltung: Die Episode „Die gestohlene Uhr“ beginnt mit der Arie „Ein Mädchen oder Weibchen“ aus der Oper „Die Zauberflöte“ KV 620. Amadeus spielt dieses Thema zu Beginn auf dem Klavier. Im weiteren Verlauf spielt das tänzerische Motiv die tragende Rolle, denn Amadeus bewirbt sich damit bei einem Kompositionswettbewerb. So taucht es in verschiedenen Formen auf, zum Beispiel auf der Flöte gespielt oder sogar als Glockenspiel in einer Taschenuhr. Amadeus’ innere Unruhe beim gemeinsamen Essen mit der Familie wird durch das flirrende Geigenthema des letzten Satzes der „Kleinen Nachtmusik“ KV 525 dargestellt. Im Kontrast dazu einige Szenen später der Sicherheit verströmende 3. Satz des „Hornkonzert Nr.4“ KV 495, als Amadeus und Kajetan den rettenden Plan erstellen.
Stimmen zum
Little Amadeus ProjektChristian Hoeppner (Generalsekretär DMR), Hans Bäßler (Vizepräsident DMR, Bundesvorsitzender vds), Matthias Pannes (Generalsekretär VdM):
Musik muss wieder Hauptfach werden in unserem Denken und Handeln! Das Musizieren in Schule und Musikschule prägt Kinder in ganz besonderer Weise. Der fortschreitende Ausfall von Musikunterricht an den Schulen und die Kürzungen bei den Musikschulen verwehren aber immer mehr Kindern den Zugang zur Welt der Musik. Deshalb fordern der Deutsche Musikrat, der Verband deutscher Schulmusiker und der Verband deutscher Musikschulen, dass jedes Kind, egal welcher sozialen oder ethnischen Herkunft, die Chance auf eine qualifizierte musikalisch Bildung haben muss. Der Aktionstag Little Amadeus&Friends bietet eine weitere Möglichkeit, das Bewusstsein für den Wert der Kreativität zu wecken und somit diesem Ziel ein Stück näher zu rücken.Michael Haentjes (Vorstandsvorsitzender der Deutschen Phonoverbände):
Musik hat bekanntlich viele Namen. Wer sich aufmacht, diesen Namen ein Gesicht, eine Geschichte und eine kleine Inszenierung zu geben, der verdient Anerkennung und Respekt, vor allem, wenn er sich der Klassik und den Grundschulen in einem seltenen Bündnis widmet und scheinbar Unmögliches möglich machen möchte. Als die Ideengeber und Organisatoren wegen Unterstützung bei der Deutschen Phono-Akademie 2005 anfragten, war unsere Sympathie hierfür leicht zu haben. Denn seit mehr als einem Jahrzehnt hat sich die Deutsche Phono-Akademie in ihrer Arbeit schwerpunktmäßig auch auf die Grundförderung von Musik für allgemeinbildende Schulen konzentriert, sie kümmert sich mit erfolgreichen Projekten um Ideen und praktische Anregungen für mehr und besseren Musikunterricht, vorrangig im Bereich der Haupt-, Grund- und Realschulen. Dass es derartiger Initiativen bedarf, um Kindern und Jugendlichen die geniale und zeitlose Musik des „Little Amadeus“ nahe zu bringen, ist bedauerlich und eher unwürdig, dass dieses aber an diesem Tag mit so viel positiver Resonanz bei Schülern, Pädagogen und Eltern funktionierte, stimmt hoffnungsvoll. Positiv ist auch das Bekenntnis der Macher zu Nachhaltigkeit und weiteren Aktionstagen, was wir als Partner auch zukünftig weiterhin gerne unterstützen – die Kinder haben es einfach verdient! Weiter so!