Seit einigen Jahren küren der Landesmusikrat Schleswig-Holstein und der Landesmusikrat Berlin ein Instrument zum Instrument des Jahres. Im vergangenen Jahr war dies das Fagott, und dieses Jahr? Die Gitarre oder die Bağlama (Saz), oder beide? Man geht 2013 getrennte Wege. Der Norden hat die Gitarre, Berlin hat die Bağlama. Von außen wird sie weitgehend als Instrument wahrgenommen, dessen Verbreitung vor allem auf das Gebiet der Türkei bezogen ist. Bağlama ist eine Langhalslaute und tatsächlich keineswegs ein bloß türkisches Musikinstrument. Die Verbreitung von Langhalslauten des Typs Bağlama reicht vielmehr, wie der Projekt-Koordinator des Bağlama-Jahrs für den Berliner Musikrat, Nevzat Çiftçi, weiß, von Fernostasien bis in den Balkan herein.
Das Instrument, ursprünglich von „Bauern, Nomaden und umherziehenden Dichtersängern zur Liedbegleitung gespielt“, hat im Zuge der Arbeitsmigration auch in Deutschland und verschiedenen anderen europäischen Ländern Eingang gefunden, schreibt Çiftçi in einer kleinen Vorstellung des Instruments.
Es hat nicht nur die Grenzen der Länder überwunden, sondern auch seinen alten in der traditionellen Musik wurzelnden Boden verlassen und entwickelt sich unter dem Einfluss von Pop/Rock, Jazz oder der klassischen Musik Westeuropas weiter. Bei dem Festival für aktuelle Musik, MaerzMusik, gab es ein Konzert mit Taner Akyol (Bağlama) und dem Ensemble Adapter und am 10. Oktober kommt ein „Konzert für Bağlama und Orchester“ von Sinem Altan mit dem Landesjugendorchester Berlin zur Uraufführung. Längst gibt es auch deutschstämmige Bağlama-Spieler. Noch ist deren Zahl eher klein, präzise Daten liegen leider nicht vor.
Dass die Bağlama ein nicht zu unterschätzendes Instrument ist, zeigt auch ihre Präsenz als Soloinstrument beim Wettbewerb „Jugend musiziert“ in einigen Bundesländern (seit elf Jahren in Berlin) und die Tatsache, dass man sich der Mühe unterzogen hat, einen VdM-Lehrplan für das Instrument zu entwickeln.
Musikschule
Wie schwierig es ist, dieses Instrument auch für den Unterricht in den Griff zu bekommen, zeigte ein Kongress, der zu Beginn der Veranstaltung abgehalten wurde. In drei Podien widmete man sich neuen „Bağlama-Schulen und der Unterrichtsmethodik“ (hier vor allem der neuen Bağlama-Schule von Erol Parlak), befasste man sich mit ^“Entstehung und Erfahrungen mit dem neuen VdM-Lehrplan Bağlama“ sowie der Selbstorganisation der Bağlama-Spieler und Lehrer.
Der neue VdM-Lehrplan für die Bağlama orientiert sich grundsätzlich an bestehenden für andere Instrumente, was zum Beispiel die Lehrstufen betrifft. Gleichwohl waren auch bei der Abfassung einige Konflikte zu bewältigen: Welche Instrumentengröße ist für den Unterrichtsstart zu empfehlen, soll man mit oder ohne Plektrum spielen, welche Stimmung des Instruments soll gewählt werden? Gerade die letzte Frage ist von besonderem Reiz, kennt die Bağlama doch eigentlich um die 20 Stimmungen, die man im 20. Jahrhundert identifizieren konnte. Diese auf zwei herunter zu kürzen, mag didaktisch legitim sein, sie ist gleichwohl eine Reduktion der Möglichkeiten. Das trifft interessanterweise auch auf die Größen der Instrumente zu. Mittlerweile gibt es standardisiert vier (Bass, Tenor, Alt, Sopran), aber ursprünglich, so Çiftçi, gab es darüber hinaus mehrere verschiedene Bağlama-Größen.
Hochschule
An den Hochschulen ist die Bağlama allerdings noch nicht angekommen. Will heute ein an der Bağlama ausgebildeter junger Musiker seine Spielweise zur „Reife“ bringen, muss er entweder an ein Konservatorium nach Istanbul gehen oder nach Rotterdam an die World Music Academy. Nur dort ist eine Hochschulausbildung möglich. An den deutschen Musikhochschulen wird das Thema zwar diskutiert, Nevzat Çiftçi erwähnt Orte wie Essen, Berlin und Köln, doch über den Planungsstand ist nichts Genaues in Erfahrung zu bringen. So kommt es zu der etwas absurden Situation, dass man sich in einigen Musikschulen mit dem Instrument befassen kann, aber die Didaktik und Methodik des Instruments nicht offiziell gelehrt werden. Über die aktive Bağlama-Szene konnte man sich im Eröffnungskonzert zum Instrument des Jahres an der Universität der Künste auch akustisch informieren. Sechs unterschiedliche Ensembles und Solisten führten die Virtuosität der instrumentalen Behandlung ebenso vor wie ihre traditionelle Verwurzelung an anderer Stelle. Nevzat Akpınar und Taner Akyol loteten dagegen die Geschmeidigkeit, die technische und emotionale Vielfarbigkeit des Instruments aus. Im Zusammenspiel des Jugendorchesters der Musikschule Fanny Hensel mit einem Bağlama-Ensemble kam es dann durchaus auch zum interkulturellen Zusammenspiel. Gewiss waren da die Welten rein optisch auch getrennt.
In eigens für das Deutsch-Türkische Jugendorchester geschriebenen Stücken war aber gegenseitiger Respekt und Achtung bis in die Nasenspitzen zu spüren.