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Alcina - Eine wertvolle italienische Opernausgrabung von Giuseppe Gazzaniga in Oldenburg. Foto: Oldenburgisches Staatstheater
Alcina - Eine wertvolle italienische Opernausgrabung von Giuseppe Gazzaniga in Oldenburg. Foto: Oldenburgisches Staatstheater
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Alcina - Eine wertvolle italienische Opernausgrabung von Giuseppe Gazzaniga in Oldenburg

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Georg Friedrich Händels 1735 entstandenem „dramma per musica“ „Alcina“ geht die heidnische Zauberin Alcina unter: ihre abgelegten Liebhaber hat sie auf einer verlassenen Insel in Tiere, Pflanzen oder Steine verwandelt und nun hat sie sich in ihr neuestes Opfer Ruggiero wirklich verliebt. Alcina, die über 800 Jahre alte Figur aus Ariosts „Orlando furioso“ aus dem 16. Jahrhundert, ist in dieser Vertonung inzwischen häufig auf den Opernspielplänen anzutreffen, behandelt sie doch ein zeitlos aktuelles Thema: die Welt der Vernunft steht gegen die Welt des Gefühls, der Sehnsucht nach ihm, die wir immer behalten werden. Aber Händel war nicht der einzige, der sich mit den parodistischen Elementen, den fantastischen Übertreibungen in einer überbordenden Erzähllust von Ariost beschäftigt hat.

Nun haben die Oldenburger eine Alcina ausgegraben, die eine Fülle fantastischer Musik, eine Fülle fantastisch differenzierter Rollen und eine Fülle von parodistischer Situationskomik vorlegt: „Alcina“ von Giuseppe Gazzaniga, ein damals bekannter Opernkomponist, der heute nicht einmal mehr in Musikgeschichten über die Oper des 18. Jahrhunderts vorkommt: sein „dramma giocoso per musica“ wurde 1772 uraufgeführt.

Dieser wertvolle Fund in Zusammenarbeit mit den Schwetzinger Festspielen ist sicher dem Regisseur Christoph von Bernuth zu verdanken, stellvertretender Intendant in Oldenburg, der sich in vielen verschiedenen Konzeptionen Alter Musik erfolgreich tummelt. Seine „Alcina“ von Gazzaniga feierte nun eine viel bejubelte Premiere: die vier Männer – drei Tenöre und ein Bass - , die auf Alcinas Insel landen und sich schwören, auf deren berühmte Verführungskünste nicht zu reagieren, sind ein Engländer, ein Franzose, ein Italiener und ein Spanier und werden durch einen fünften Deutschen – Bariton - , der ein katastrophales Italienisch spricht, ergänzt. Bernuth spielt mit den Klischees der Charaktere – der Engländer kocht erstmal Tee - , und läßt am Ende einen Heißtluftballon mit der Europafahne hochgehen. Insgesamt versteht der Regisseur es glänzend, die musikalisch so reichen Ensembles und Arien mit ebenso ernsten wie witzigen Emotionen aufzuladen.

Alcina treibt so ihre Spielchen: erst verpasst sie den Männern einen Vergessenheitstrunk, der in einem Saufgelage endet, das nur so durchknallt vor Glück und Energie. Dann müssen die Kandidaten verschiedene Verhaltensaufgaben erfüllen. Der Franzose und Alcina werden kurze Zeit wirklich so etwas wie ein Paar: Anlass für großen Gesang von Johannes Leander Maas. Glänzend die explosiv karikaturale Position des Deutschen: Florian Götz. Auch die anderen SängerInnen verfügen über Kenntnis und Erfahrung der historischen Aufführungspraxis: Gabe Clark, Mark Serdiuk, Joao Fernandes und die Frauen Bogna Bernagiewicz (Lesbia), Melanie Lang (Clizia) und vor allem Martha Eason als Alcina: mit roter Hose, schwarzer Glitzerbluse, rotem hüftlangen Zopf singt sie sich virtuos durch ihre ambivalente Rolle, bevor sie untergeht. Der Dirigent Vito Cristofaro und die MusikerInnen des klein besetzten Staatsorchesters machen es möglich, dass man diese inspirierte farben- und facettenreiche Musik bald wiederhören will. Insgesamt: ein hinreißender Abend in zeitlosen fantastischen Kostümen ( Mathilde Grebot) und einem ebensolchen, atmosphärisch dichten Bühnenbild (Piero Vinciguerra) über die Unmöglichkeit (Vernunft) und die Unsterblichkeit (Gefühl) der Liebe. Und zwar: Irgendwann, überall und Irgendwie, wie es zu Anfang im Übertitel steht.

Weitere Aufführungen: 20. und 29.20 um 19.30., 31.10. und 6.11. um 18 Uhr, 11.11., 14.,17. und 27.12. um 19.30., 20. und 29.1 2023 und 15.2.23 um 19.30

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