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v.l.n.r. AJ Glueckert (Edrisi; im Rollstuhl), Łukasz Goliński (König Roger) und Sydney Mancasola (Roxana) sowie Statisterie der Oper Frankfurt. Foto: Monika Rittershaus
v.l.n.r. AJ Glueckert (Edrisi; im Rollstuhl), Łukasz Goliński (König Roger) und Sydney Mancasola (Roxana) sowie Statisterie der Oper Frankfurt. Foto: Monika Rittershaus
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Allerlei Symbolistisches von Ratio und Rausch – Karol Szymanowskis „Król Roger“ an der Oper Frankfurt

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Schon 1920 konstatierte der Frankfurt später eng verbundene Kritiker Hans Heinz Stuckenschmidt, dass die Musikwelt dem Kulturland Polen zwei Größen verdankt: den „elegischen Ekstatiker Chopin“ und den „ekstatischen Elegiker Szymanowski“. Dennoch kam es erst jetzt zur Frankfurter Erstaufführung des 1926 fertiggestellten und dann opernweltweit zwar wiederholt gespielten, aber doch in vieler Hinsicht besonderen Werkes. Nach einer begeisternden Bregenzer Festspielaufführung 2009 war Kritiker Wolf-Dieter Peter gespannt auf einen anderen Ansatz.

Ein geglückter Einstieg: aus dem sonnig-heißen Juni-Tag ins Theaterdunkel mit abgedunkeltem Orchestergraben und dunklem Zwischenvorhang; allmählich Ruhe; kein Auftrittsapplaus für den Dirigenten; ein mögliches Sich-Lösen aus bisheriger Realität; in die Stille die ganz leisen Tam-Tam-Schläge; dann wie aus einer anderen Welt die leise schwebenden Chor-Melismen; dann erst hebt sich langsam der Vorhang – doch wir sind nicht in einer Kirche…

Bühnenbildner Johannes Leiacker zeigt einen abstrakten Tempel von Übermorgen: etwa im 600.Stockwerk eines Imperiums, „dort wo das Leuchten der Sterne die Körper durchdringt“, wie gesungen wird – über das Androiden-Zentrum von Ridley Scotts visionärem „Blade Runner“ hinaus – ein fantastisch weiß-edler Raum umgeben von gestaffelten Leuchtröhren im Irgendwo; doch trotz ordentlich dastehender Gefolgschaft in eher heutigen schwarzen Kostümen und Anzügen samt dunklen Sonnenbrillen: irgendetwas ist nicht Ordnung, zwei umgestürzte schwarze Stühle und in der Mitte ein umgestürzter Spiegeltisch.

In diesem Einheitsbühnenbild für die drei Akte übernimmt dann die Regie Johannes Eraths: zwei Ordnungspersonen (ehemals Hoher Priester und Gouvernante) meist steif erstarrt, ein gewichtiger Mann im Rollstuhl (ehemals der Weise Edrisi), ein Mann und eine Frau (ehemals König Roger und Königin Roxane), dazu dann aber später ein Kind, vergreiste Figuren im dunklen Hintergrund; dazu dann eine Eule am Rollstuhl; später ein angezündeter und wieder ausgeblasener Kerzenleuchter, verführerisch rote Lotusblumen vom weißgewandeten, lässig selbstgewissen Guru (früher ein als Hirte verkleideter Dionysos), von Roxane, dem Kind und vielen Frauen; auf der schrägen Decke abstrakte Videos und konkrete von schön auslaufender Meeresbrandung zu Rauschen der Musik, dann auch mal Roxane- und Roger-Porträts überspülend… nur…?

Leider verunklärend künstlerisch bis künstlich

Wer Werkkenntnis besaß, fand Anhaltspunkte: In die kühl durchrationalisierte (Handels-Finanz-Digital-KI)-Schwert-Herrschaft König Rogers (eigentlich im normannischen 12.Jahrhundert, aber schon nahe an der Moderne Friedrichs II. von Hohenstaufen) bricht ein verführerisch singender Hirte (eigentlich Dionysos, jetzt zu wenig LSD-Papst Leary-nahe) ein, verheißt Befreiung, Fröhlichkeit, Sinnlichkeit und lustvolle Entgrenzung – dem verfallen Königin Roxane, zunehmend viele Frauen, dann alle (hier bis auf den mal kurz Rollstuhl-befreiten Edrisi und das Kind, das aber von den roten Lotusblumen des Hirten begeistert ist und mit einem rätselhaften Körbchen zurückbleibt). Nach halbherzigem Gerichtsverfahren, Halbverfallenheit und seltsamem Spiel mit der Krone ringt sich Roger aber in der aufgehenden Sonne zu Klarheit und Luzidität durch… doch Regisseur Johannes Erath hatte der symbolistischen Handlung weitere, nicht auf Anhieb sinntragende Symbolismen eingefügt – und: statt sie erhellend und konkret gesellschaftspolitisch auf sehr heutige Politikverheißungen oder Selbstoptimierungsräusche zu beziehen eben leider verunklärend künstlerisch bis künstlich – so reizvoll hübsch Roxanes beginnende Enthemmung im Öffnen ihrer strengen Staatsfrisur zur wallenden Mähne und ihr Wechsel in ein durchsichtiges Schleiergewand über schwarzen Dessous und ein späterer Auftritt mit exotischen Fächerfortsätzen an Händen und Kopf waren (Kostüme: Jorge Jara). Insgesamt: keine erhellende Stellungnahme zum sehr aktuellen Konflikt „Maß und Ausschweifung“, „Ratio und Irrationalismus“, „Vernunft und Fantasy“.

feingezeichnete Klarheit

Aber die Musik! Wer feingezeichnete Klarheit, langsam mitreißende Steigerung und rauschhafte Klangekstase mag, der verfällt Karol Szymanowskis „Król Roger“ – und der Interpretation des Frankfurter Museumsorchesters unter Sylvain Cambreling. Da mögen hardrockende Rammsteiner Hunderte von Watts aufbieten – ein Szymanowski-Fortissimo übertost sie reizvoller. Dazu gibt es Liedhaftes, einen Hauch von alter Kirchenmusik, chromatische Verzückung (über Wagner hinaus) hin zu überbordendem Tonrausch (Skriabins „Poème de l’exstase“ grüßt). Doch Cambreling deckte den zwischen Ferne und Nähe changierenden Chor (Bravi an alle und die Leiter Tilman Michael wie Markus Ehmann) und seine Solisten nie zu: vom ruhigen Edrisi-Tenor AJ Glueckerts hin zum auch mal gleißenden Dionysos-Tenor von Gerhard Schneider und dem rätselhaft schönen Roxana-Sopran von Sydney Mancasola – sie alle Ensemblemitglieder und zumindest beim ersten Hören so idiomatisch sicher im polnischen Text, dass der Unterschied zum polnischen Star-Bariton-Gast Łukasz Goliński als unsicher schwankendem Roger nicht erkennbar wurde. Goliński wirkte vokal derart wuchtig-füllig und souverän agierend, dass der Musiktheaterfreund sich da eine konkrete Formung der Figur wünschte: wenn auch sehr kurz und knapp endet das Werk in der Hinwendung Rogers zum Licht in reinem C-Dur – in unseren Orientierungswirren keine eindeutige Aussage wert?

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