Landestheater Halle, Theater des Friedens, so hieß das Dreispartenhaus in der Händelstadt, dessen Inszenierungen nicht nur im Rahmen der jährlichen Händelfestspiele überregional wahr genommen wurden. Zu Beginn der Spielzeit 1984/85 hatte am ersten Wochenende im September auch hier ein vielerorts gespieltes liebenswertes-ironisches musikalisches Lustspiel seine Premiere, dessen doppelbödige Pointe, dass der große Lauf der Welt sehr oft von kleinen Schwächen abhänge, gerne lächelnd auch in der DDR bestätigt wurde.
„Das Glas Wasser“ nach Eugène Scribe, mit der Musik von Bernhard Eichhorn und Roland Sonder-Mahnken, ein gesamtdeutscher Erfolg, nicht zuletzt wegen der Verfilmung durch Helmut Käutner, in einer Hörspielfassung bei „Litera“ erschienen, hatte seine Fans.
Als naiver, feuriger und gut aussehender Fähnrich Arthur Masham, begehrt von rivalisierenden Damen der allerhöchsten royalen englischen Gesellschaft, selbst in eine energische Juwelenhändlerin verliebt, stand Axel Köhler auf der Bühne des Hallenser Opernhauses. Dass dieser junge Bariton, noch als Gast, wenig später als Papageno unter Regisseur Andreas Baumann im festen Vertrag, einmal als Countertenor eine weltweite Karriere machen würde, ahnte damals niemand, der Sänger auch nicht. Das ganz große Sängerglück, das spürte er, würde sich als Bariton aber nicht einstellen, vielleicht das mittlere, in diesem Stimmfach genügte er den eigenen Ansprüchen nicht. Entweder, so kann er heute lächelnd sagen, wirst du Förster oder Altus, denn die Falsettstimme hatte er immer mal beim Ausflug in die heiteren Gefilde nach Art der Comedian Harmonists ausprobiert.
Bisher war ja alles gut verlaufen. Musikalische Familie im erzgebirgischen Schwarzenberg, Goldmedaillen bei den Jugendausscheiden der DDR und Auftritte im Dresdner Kulturpallast bei Heinz Quermann förderten den musikalischen Berufswunsch. Das Gesangsstudium an der Dresdner Hochschule bei Thea Menzer ist erfolgreich, die Begegnung mit der Gesangspädagogin Marianne Kupfer folgenreich. Sie hat ihn nie für einen Bariton gehalten und ermutigt ihn ernsthaft sein Talent des männlichen Singens in den hohen Lagen zu vervollkommnen.
Was in der Heimatstadt mit Händel beginnt, klingt bald in den Ohren der Dirigenten, Regisseure, Festivalleiter und Plattenproduzenten des weltweit neu belebten Feldes der Alten Musik. Barockopern werden zu Top-Positionen der Spielpläne, und im internationalen Chor der Meistersinger der Falsettkunst ist Axel Köhler ein anerkannter und geschätzter Sänger. Lang ist die Liste der Produktionen, klangvoll das Resultat vieler Aufnahmen. Immer ist es die Direktheit des individuellen Klanges, die mitklingende Freude am Singen, die Lust an der besonderen Herausforderung dieser grenzüberschreitenden Kunst, mag sie erregend, provokant oder in ihrer sinnlichen Spiritualität den Alltag vergessen machen.
Ausgereizt ist diese Kunst für Axel Köhler, der sie auch im Kontext großer Kollegen der Pop-Kultur sieht längst nicht, er sieht Chancen für neue Klangdimensionen, losgelöst von barocken Traditionen.
Neues zu entdecken, dem Neuen Raum zu geben und dafür Strukturen zu schaffen, Traditionen zu befragen und sie in zeitgemäße Kontexte zu stellen, dabei mit dem Publikum auf Augenhöhe zu bleiben, das wird die künftige Aufgabe für Axel Köhler sein. Das 25jährige Bühnenjubiläum begeht der Sänger, der sich seit etlichen Jahren auch einen Namen als Regisseur gemacht hat, in neuer Funktion. Er ist seit wenigen Wochen künstlerischer Leiter Direktor der Oper in Halle, in gemeinsamer künstlerischer Verantwortung mit dem Generalmusikdirektor Karl-Heinz Steffens, für den als ehemaligen Soloklarinettisten der Berliner Philharmoniker ebenfalls ein neuer künstlerischer Lebensabschnitt beginnt. Die Entscheidung für diese Funktion, für das konstruktive und dienliche Verhältnis zum Ensemble bringt es mit sich, dass der Sänger Axel Köhler in Halle kaum mehr zu erleben sein wird, der Regisseur aber in Maßen regelmäßig und gerne, zu Hause und soweit es die Zeit erlaubt auch anderswo. Nächster Termin, „Die Zauberflöte“, am 07. November am Landestheater Innsbruck, „Gräfin Mariza“, am 22. Januar 2010 an der Staatsoperette Dresden, und dann, am 7. Mai hebt sich in Halle der Vorhang für „Die Blume von Hawaii“, erste Inszenierung in neuer Position.
Natürlich gibt es Pläne und Gestaltungswünsche, Ideen für spannende Korrespondenzen zwischen den Operntraditionen, etwa denen der barocken Schätze dieser Stadt mit denen der Jubilare Verdi und Wagner des nicht allzu fernen Jahres 2013. Dem bereits im Repertoire des Hauses stehenden „Don Carlo“ werden weitere vor allem späte Opern des Komponisten folgen. Das gilt auch im Hinblick auf Wagner, dessen „Tannhäuser“ in dieser Saison inszeniert wird. In Koproduktionen mit anderen Opernbühnen, etwa Ludwigshafen, wo Steffens ebenfalls als GMD wirkt, lassen sich auch weitere Projekte in größeren Dimensionen angehen.
Auf dem Hintergrund der Sommerdebatte um das „Regietheater“ interessieren natürlich die Ansprüche an eine zeitgemäße Regie im Musiktheater. Für Axel Köhler dürfen die zu inszenierenden Stücke nicht zum Anlass für pure Selbstdarstellungen des Regisseurs werden, die individuelle Herangehensweise, mag sie auch ungewöhnlich sein, bisweilen sogar provokant, ist damit aber nicht gemeint. Kriterium ist auch die Authentizität des Ergebnisses im Verhältnis zum Werk. Kostüm, Ambiente, Spielweise sind nicht grundsätzlich Garanten für Zeitgemäßheit, die spüren die Zuschauer immer dann, wenn es gelingt die handelnden Menschen in ihren Situationen so spannend darzustellen, dass das Publikum eine Art der emotionalen Berührung oder Herausforderung erfährt, die den Gang ins Theater rechtfertigt. Das erreicht kein Arrangeur, das ist die Kunst der Regisseure, deren Intensität und Wahrhaftigkeit sich Axel Köhler an „seinem“ Opernhaus wünscht, das schließt den konstruktiven Diskurs nicht aus, den Erkenntnisgewinn im Team und im Dialog mit den Zuschauenden.
Und die Visionen, die Wünsche? Die kommen mit den Aufgaben, und die wiederum sind für Axel Köhler immer wieder unverhofft und ohne eigenes Zutun auf ihn zu gekommen, wie gerade jetzt wieder. Solche Herausforderungen anzunehmen lässt sich auch mit Glück umschreiben und schließt wiederum Verzicht und Neuordnung der Prioritäten ein. Der Sommer in Rheinsberg, im 20ten Jahrgang, wird ohne ihn stattfinden müssen, darauf, dass er bald wieder Zeit finden wird, mit den Studierenden der Dresdner Opernklassen zu arbeiten hofft ganz sicher nicht nur er.
Was bleibt? Dank im Rückblick und Glückwunsch im Blick auf die Zukunft.