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Foto: Joseph Marcinsky.
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Die Diva und das Bild: Giacomo Puccinis „Tosca“ am Staatstheater Košice

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Die wegen der Pandemie von Februar auf den 10. Mai verschobene Premiere von Giacomo Puccinis „Tosca“ im Staatstheater Košice wurde durch die Realität hinter der nur 100 Kilometer entfernten Grenze zur Ukraine eingeholt. Der Bassbariton Mihály Podkopájev konnte nicht wie vorgesehen mitwirken, weil er zum Kriegsdienst für die Ukraine eingezogen wurde und deshalb nicht in die Slowakei reisen durfte. „Nach über zwei Monaten“ sagt Operndirektor Roland Khern Tóth, „ist es wichtig, trotz der Katastrophen eine Normalität aufzubauen, und dadurch die Menschen zu stärken.“. Die Atmosphäre in der Stadt mit dem zweitgrößten Theater und dem größten Denkmalschutz-Quartier der Slowakei wirkt ruhig. Nationalflaggen der Kriegsgegner sind in der Altstadt und an deren Rändern nicht zu sehen.

Das neubarocke großdimensionierte Theater liegt im Zentrum der Altstadt von Košice. Hier werden Eintretenden die Schwingtüren aufgehalten. Die Rosenübergabe auf der Bühne beim langen Schlussapplaus hat Format. Trotz viel Publikum in Alltagskleidung adelt dieses Ambiente einen Theaterbesuch zu etwas Besonderem. Auf dem Spielplan stehen derzeit im Musiktheater Kálmáns „Die Herzogin von Chicago“ in einer eigenen Bearbeitung und Donizettis „Roberto Devereux“. Mit Titeln wie „Werther“ und einem dreistündigen Ballettabend über „Rudolf Nurejew“ sucht das Theater Košice nach überregionaler Beachtung. Die nächsten bekannten Theaterstädte Budapest und Bratislava sind mit 260 km bzw. knapp 400 km so weit entfernt, dass man sich nicht so ohne weiteres „nur“ für einen Kulturabend auf den Weg macht. Gerade deshalb sind Produktionen wie „Tosca“ wichtig, um die Neugier und Zuneigung des einheimischen Publikums zu bewahren.

Sogenanntes Regietheater gibt es in der Slowakei selten bis gar nicht. So sind es bereits kleine Änderungen, die in dem fast vollen Prunkbau mit 550 Plätzen bemerkt und mit früheren Produktionen verglichen werden. Das zweitgrößte Theater der Slowakei mit einem zweiten Haus für Schauspiel feiert sein 75-järiges Bestehen als Staatstheater. Doch will man die Institution bald wieder in „Nationaltheater“ umbenennen und sich damit von dem 1947 im Sozialismus eingeführten Namen Staatstheater distanzieren.

Eigens für die „Tosca“-Neuproduktion wurde ein Bild der international durchstartenden Künstlerin Lucia Tallová erworben, das erst am Ende von Puccinis blutiger Oper nach dem Sensationsdrama von Victorien Sardou ganz zu sehen ist. Davor sind Teile von schwarzen Hängern bedeckt. Die schwarzen und weißen Bogenlinien in allen Schattierungen von Novembergrau bilden einen krassen und deshalb wirkungsvollen Kontrast zum Zuschauerraum in Rot und Gold mit dem stark ansteigenden Parkett, das sogar bei wenig Bühnenlicht nie ganz dunkel wird. Die Sängerin Floria Tosca springt nach Entdeckung ihres Notwehr-Mords an dem römischen Polizeichef Scarpia und der Erschießung ihres Liebhabers Mario Cavaradossi nicht von der Engelsburg, sondern verharrt an der Rampe. Die Soldaten um sie erstarren. Tosca, besser die Linien ihres Kleids, verschmelzen mit dem Gemälde Tallovás hinter ihr.

Puccinis sonst schicksalsmächtig aufschreiende Akkorde klingen milde und fast wehmütig. Auch davor sind Schmerzlaute eher selten. Das Theaterorchester hat einen sehr ausgeprägten Puccini-Gestus. Sanft, singend und dabei transparent. Der erfahrene Dirigent Peter Valentovič will das brachiale Werk aus der Verismo-Ecke herausholen. Das passt vor allem zu der langen Szene der Diva Floria Tosca mit dem sie erpressenden und fast vergewaltigenden Scarpia. Die Gast-Sopranistin Karine Babajanyan und der Bariton Marián Lukáč liefern ein Kammerspiel, in dem es auch um Attraktivität und fast so etwas wie illegitime Sympathie geht. Keine Espressivo-Olympiade, dafür ein diplomatisches Gipfeltreffen der schönen und gut akzentuierenden Stimmen. Alle deklamatorischen Stellen erklingen deutlich prononciert. Gemeinhin hört man in der gerne eher forsch und schroff genommenen „Tosca“ nicht, dass Puccini sich selbst als Komponist der kleinen Dinge bezeichnete. Hier ist die Szene so fein entwickelt, dass Toscas berühmte Arie „Vissi d'arte“ ein aus dem Drama entstehender Klagelaut wird. Karine Babajanyan, die Tosca zuletzt an den großen Berliner Bühnen, der Wiener Staatsoper, an der Oper Leipzig und in Paris gesungen hatte, genießt dieses Kammerspiel auf Höhe einer souveränen Partiengestaltung. Der Abend enthält fein abgestufte Nuancen, weil der Regisseur Anton Korenči nicht jede Geste übertreiben lässt. Boris Hanečka steckte Tosca in statuenhafte textile Gebilde mit imponierenden Flügelärmeln. So entstand ein insgesamt mehr lyrischer Grundton mit wenigen und dafür desto wirkungsvolleren musikalischen Kraftfeldern. Michal Lehotský ist ein mehr kräftiger als zärtlicher Cavaradossi mit festen, sicheren Tönen. Michal Onufer (Abgelotti), László Havasi (Sciarrone), Maksym Kutsenko (Spoletta) und Jana Hrubovcaková (Hirt) belegen, dass an dem Haus ein solides und breit einsetzbares Ensemble im Einsatz ist. Der Chor meistert seinen einzigen Auftritt zum Te Deum packend.

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