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Visual Piano Lichtkunst. Foto: Jan Kubon
Visual Piano Lichtkunst. Foto: Jan Kubon
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Die Faszination der unperfekten Perfektion – Lichtkünstler und Organist treffen sich in Magdeburg

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Mit einer beeindruckenden Mischung aus Licht und Klang setzten der Lichtkünstler Kurt Laurenz Theinert und der Organist Stefan Nusser den Höhepunkt bei der Museumsnacht im Kunstmuseum Magdeburg.

Das romanische Mittelschiff der Telemann-Konzerthalle des Kunstmuseums Magdeburg ist in tiefes Dunkel gehüllt. Die imposante Jemlich-Orgel aus dem Jahr 1979 setzt ein und es erklingt die Toccata Adagio in C-Dur von Bach. Sofort ergreifen grafische Muster aus der bizarren Lichtwelt des Installationskünstlers Kurt Laurenz Theinert den Raum und füllen die brüchigen Wände des Kirchenschiffs mit faszinierenden Lichtskulpturen. In scheinbar perfekter Symbiose agieren die beiden Künstler. Theinert an seinem Visual Piano und Nusser an der Konzertorgel. Eine eigenartige Stimmung irgendwo zwischen Neugier und Ehrfurcht erfasst die circa 500 Besucher des Licht-Ton-Events. Die Reise in eine Welt voller Klang und Licht hat begonnen.

„Es gibt keinen technischen Link zwischen uns beiden“ (Kurt Laurenz Theinert)

Lichtinstallationen in Kombination mit Musik sind spätestens seit den Hoch-Zeiten von Pink Floyd nichts besonderes mehr. Rockkonzerte und Open-Air Klassikevents bedienen sich schon lange der intensitätssteigernden Wirkung von Licht. In der Regel steuert eine Software die Beamer, Laptops und Laser nach genauestens vorher festgelegten Algorithmen und Zeitplänen. Sowohl Musiker als auch Lichtkünstler sind in einem engen technischen Korsett gefangen. Und genau hier liegt der Unterschied zur Performance der Künstler Theinert und Nusser. Es gibt keinen technischen Link zwischen den beiden, keine Datennabelschnur verbindet sie. Was sie tun, tun sie aus der reinen Intuition heraus. Das wechselseitige Reagieren der beiden aufeinander ist die Grundidee der Performance. Die Individualität als kreatives Restrisiko ist kalkuliert. Nusser spielt seine Konzertorgel und Theinert sein Visual-Piano. Das ist ein kleines 2 1/2 oktaviges modifiziertes Midi-Keyboard, auf dem jeder Taste ein bestimmter Befehl zur Steuerung der Lichteffekte zugeordnet ist. Wenn man es genau nimmt, spielen hier zwei Tasteninstrumente im Duett. Das eine sieht man, das andere hört man und ähnlich wie in jedem Klangkörper kommt es dabei natürlich zu minimalen zeitlichen Differenzen. Theinert sieht in dieser vermeintlichen Imperfektion aber genau den Reiz seiner Arbeit:

„Würde man jedes Stück lichtmäßig genauestens durchkomponieren und takten, würde nicht nur die emotionale Ebene verloren gehen - die Gäste meiner Lichtkonzerte wären auch sehr schnell gelangweilt. Einfach weil alles perfekt wäre und der Geist nichts mehr zu tun hätte.“

„Unser Gehirn mag es gefordert zu werden.“ (Kurt Laurenz Theinert)

Genau die kleinen Verschiebungen in Zeit und Raum mag unser Gehirn. Menschen neigen dazu, besonders viel Spass an Dingen zu haben, die eben nicht unendlich perfekt sind. Der menschliche Geist jubiliert, wenn er intellektuelle Freiräume findet, in denen er sich betätigen kann und in denen er das fast Perfekte zur Perfektion hinvollenden darf. „Natürlich sind die Möglichkeiten zu improvisieren, wenn man ein notiertes Stück spielt nicht übermäßig groß“, beschreibt Nusser den Grad an Freiheit, den er als Organist im ersten Teil der Aufführung hatte, „gerade wenn es ein bekanntes Stück von Bach ist. Aber klar ist auch, dass mich die Lichtfiguren von Laurenz natürlich beeinflussen, sowohl in der Intensität meines Spiels als auch in der Nuancierung einzelner Töne und Phrasen.“ Die Klangfarbe des Spiels auf der Orgel und die gespielte visuelle Farbe des Visual Pianos an den Wänden der romanischen Kirchenhalle fügten sich im ersten Teil des Konzertes zu einer ästhetischen Einheit, die sicher auch Bach sehr gut gefallen hätte. Die Zuschauer und Zuhörer jedenfalls waren begeistert. Den zweiten freieren Teil des Konzertes bildete eine Improvisation.

Satie trifft auf Klee? Die Sache mit den Vergleichen

Nun ist das mit den Vergleichen ja immer so eine Sache. Man hört und sieht gerne, was man hören und sehen will und assoziiert Kunst, die einem vertraut erscheint, immer gern mit großen Namen. Die minimalistischen, immer wiederkehrenden Melodien, umbaut mit rhythmischen, sich ständig wandelnden und aufbauenden Phrasen lassen den Namen Satie als Leuchtturm für die musikalische Bestimmung durchaus zu. Satie ist auch insofern kein schlechter Name, als dieser Künstler immer auch mit Namen der bildenden Kunst wie Man Ray oder Jean Cocteau in Verbindung gebracht wird. Die grafischen Lichtmuster, Flächen und Strukturen, die Theinert an die Wände der Kirche projiziert, erinnern in ihrer Ambivalenz aus Luftigkeit und Strenge immer mal wieder an das grafische Werk von Paul Klee. Aber wie gesagt, mit den Vergleichen ist das immer so eine Sache und entscheidender als die Einordnung der Aufführung in feste künstlerische Kategorien erscheint es mir, hier ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass den beiden Künstler etwas gelungen ist, was man in der heutigen Zeit bei multimedialen Projekten leider viel zu selten antrifft. Der Technik, die durchaus notwendig ist, um solche Art von Kunst entstehen zu lassen, setzten die beiden Menschlichkeit und Emotion mit in den virtuellen Orchestergraben.

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