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Die Komponistin Milica Djordjević bei der Probe. Foto: Astrid Ackermann
Die Komponistin Milica Djordjević bei der Probe. Foto: Astrid Ackermann
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Flüssiges Silber – Zur Uraufführung von Milica Djordjevićs Quicksilver bei der BR-Musica Viva

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Aufgeregt sitzt Milica Djordjević im gut besuchten Münchner Herkulessaal; in wenigen Minuten eröffnet ihre Komposition Quicksilver das Orchesterkonzert der Musica Viva des Bayerischen Rundfunks. „Sehr lange“ hat sie darauf hingearbeitet, „akribisch recherchiert und experimentiert“, flüstert sie noch über die Stuhlreihen, bevor es losgeht. Bislang ist die aktuelle Preisträgerin des Komponisten-Förderpreises der Ernst von Siemens Musikstiftung eher kammermusikalisch in Erscheinung getreten; nun hat die serbische Wahlberlinerin gezeigt, dass sie auch die große Form beherrscht.

Quicksilver dynamisiert sich wie das namengebende chemische Element Hg zu Klang gewordener Materie. Es sind nicht besonders ungewöhnliche Spieltechniken oder extravagante Dynamiken, die dieses Werk ausmachen; vielmehr besitzt die Komposition wie das flüssige Silber eine enorme Oberflächenspannung. Diese übersetzt und amalgamiert Djordjević in innere Spannung, indem sie tropfenförmige Impulse und flächige Klangwolken schraffiert, die perlend und wabernd eine enorme Intensität entwickeln.

Vor dem eigentlichen Kompositionsprozess nehmen Milica Djordjevićs Werke zunächst grafische Formen an, bevor diese zu Klang werden. Mit feinen Strichen steckt sie das Klangfeld ab und übt sich in spannungsgeladener Reduktion. Die junge Komponistin verspürt „kein Bedürfnis nach großen Pinselschwüngen“ und was entsteht, ist kein opulentes Gemälde, sondern eine pointierte Grafik wie aus der gespitzten Feder eines mit Blei gefüllten Stiftes. Zu Beginn ist das klingende Skizzenblatt fast weiß, nur von feinen Linien durchzogen, die sich wie ein Spinnennetz ausbreiten; erst im prozesshaften Verlauf der Komposition wendet sich das Blatt und konturieren zunehmend dunkle Schraffierungen das Klangbild, bevor der fast klassisch donnernde Schlussakkord silbrige Schwärze darüber ausbreitet.

Beim Hören der rhythmischen Schichtungen und den räumlichen Bewegungen der Komposition mag man unwillkürlich an Iannis Xenakis und seine fein gezeichneten und doch von großer Intensität gekennzeichneten Werke denken; die schleifenden Glissandi von Quicksilver erinnern an die fein ziselierten und wabernden Klangwolken seines frühen Meisterwerks Metastasis.

Sehr zu Recht freut sich Djordjević über die Arbeit mit „diesem tollen Orchester“ und dem „unglaublichen Dirigenten“: Peter Rundel hat auf dem Podest eine besondere, lässige und elegante Art, mit der er das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in seinen Bann zieht – weil der ehemalige Geiger des Ensemble Modern die Musik auch als Interpret zu denken und dem Publikum zu vermitteln versteht.

Nachdem sich Milica Djordjević ihren Applaus abgeholt hat, wartet mit „Der Goldene Steig“ von Nikolaus Brass noch eine weitere Uraufführung und mit György Ligetis Konzert für Violine und Orchester ein Klassiker der Postmoderne. – Aber das ist eine andere Geschichte, und wird ein andermal erzählt: in der NMZ-Printausgabe vom Februar.

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