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v.l.n.r. Kelsey Lauritano (Suzuki) und Heather Engebretson (Butterfly). Foto: Barbara Aumüller.
v.l.n.r. Kelsey Lauritano (Suzuki) und Heather Engebretson (Butterfly). Foto: Barbara Aumüller.
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Globalisiertes Liebes-Elend – Die Oper Frankfurt bietet eine entschlackte „Madame Butterfly“

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Ist-Status: Unser koloniales „Erbe“ der letzten fünfhundert Jahre fällt uns derzeit auf die Füße; um Frauenrechte steht es trotz „Besser-Wissen“ aus den letzten dreihundert Jahren noch immer nicht so „recht“… und in der US-amerikanischen Weltpolitik klaffen Anspruch und Wirklichkeit entlarvend auseinander – alles eine ideale Ausgangslage für eine zeitgemäße Interpretation von Puccinis allzu oft behämter Japanoiserie.

Frankfurts Neuinszenierung bekam im Ansatz einen zusätzlichen Reiz: Intendant Loebe wählte den für Werkbesonderheiten mehrfach ausgezeichneten amerikanischen Regisseur R.B. Schlather. Er war sich mit Kostümbildnerin Doey Lüthi und Bühnenbildner Johannes Leiacker einig: keine Japanoiserie. Nur von ferne waren aus dem Zen-nahen Wabi Sabi die zwei schmucklosen, bühnenhohen Schiebewände entlehnt, die vor und hinter dem Spielpodium wechselnde Räumlichkeiten andeuteten, mal grau, mal schwarz, mal weiß (Licht: Olaf Winter). Spannend an den Wänden waren die zwei Fensterrechtecke, die gegen und miteinander verschoben unterstrichen, dass unsere Wahrnehmung immer wieder „ausschnittweise“ ist.

Noch radikaler: alle Bühnenfiguren – der Chor eine grässliche Party-Truppe (aber sehr feinsinnig in den Piano-Fernwirkungen; Einstudierung: Àlvaro Matute); die Hochzeitsbeamten wie eingekaufte Proll-Typen von der Straßenecke; Makler Goro ein geldgieriger Clown; die Bediensteten europäisch-schwarz; Konsul Sharpless im Dauer-Smoking – und als die Vorderwand beiseite fährt, steht Braut Cio-Cio-San im knallroten schulterfreien Abendkleid wie eine Model-Puppe aus „Vanity Fair“ auf einem kleinen Podest. Dazu kontrastiert der doch patriotisch-auftrumpfende Marine-Leutnant Pinkerton dann nicht in einer angemessenen Sommer—Uniform, sondern eher in einem Kostümmissgriff: braune Slipper, beige Bermudas und knallbuntes Sommerhemd – selbst am Ende kommt er im geschmacklosen Kombi-Anzug. Ähnlich befremdlich blieb der ganz westlich im hellen Sommeranzug auftretende Fürst Yamadori – während um den Auftritt des Butterfly verstoßenden Onkel Bonze im traditionellen Priester-Look plötzlich Rauch wallte wie in einer romantisierenden Inszenierung. Dass Butterfly für die Hochzeitsnacht eine Art Swarowski-Glitzerkleid trug und dies auch drei Jahr später am Ende, gehört zu den anderen Inkonsequenzen… bis hin zur Inschrift des Harakiri-Messers, die Butterfly eigentlich japanisch senkrecht lesen müsste…

Den durch das Weglassen des historisch-kulturellen Rahmens gewonnenen Freiraum für den zwischenmenschlichen „Clash-of-cultures“ nützte Regisseur Schlather im 1. Akt wenig überzeugend – was auch am späten Einspringen von Tenor Vicenzo Costanzo liegen mag, dessen stählerne Forte-Höhe etwas aus dem Rahmen fiel. Doch der sonstige musikdramatische Horizont wurde von Dirigent Antonello Manacorda und dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester vielfältig aufgespannt: da war ein unsentimental schneller Einstieg fern aller Räucherstäbchen-Schwelgerei, da waren feine Piano-Ziselierung um Blütenzauber, Summ-Chor und Morgendämmerung - und dann fulminante Dramatik im Zwischenspiel wie im Finale. So führte er die zart-kleine, äußerlich perfekt passende Heather Engebretson in der Titelrolle klug disponierend von der Geisha-Puppe zur bitter Scheiternden in einer männer-dominierten Welt – was ihr „lirico-spinto“-Sopran gut gesteigert bewegend Klang werden ließ. Doch Frankfurter Vokalqualitäten auch neben ihr: die warme Mezzo-Anteilnahme von Kelsey Lauritano als Suzuki, die sich zu einem leidvollen Fast-Zusammenbruch am Ende steigerte. Und über alle schmerzlichen Brüche hinweg – sein Kniefall vor dem kleinen Sohn Butterflys geriet zum Mini-Drama - suchte der Konsul Sharpless von Domen Križaj mit seinem hilflos begütigenden Bariton-Samtgold darüber hinweg zu tönen, dass unsere Welt nicht so ist, wie sie sein könnte – gerade auch für Frauen in aller Welt.

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