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Francesco Demuro (Nadir) und Olga Peretyatko-Mariotti (Leïla). Foto: Donata Wenders
Francesco Demuro (Nadir) und Olga Peretyatko-Mariotti (Leïla). Foto: Donata Wenders
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Lichtspielszenen zwischen Wald und Meer – Wim Wenders’ Operndebüt mit Bizets „Perlenfischern“ an der Staatsoper

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Wim Wenders gehörte zur Gruppe jener Regisseure, die gefragt worden waren, ob sie den derzeit in Bayreuth spielenden „Ring“-Zyklus inszenieren würden. Dass Wenders’ Wagner-Projekt, gemeinsam mit Pina Bauschs Bühnenbildner Peter Pabst, seinerzeit nicht zustande gekommen ist, scheint angesichts seines nachgeholten Musiktheater-Regiedebüts mit George Bizets Oper „Les pêcheurs de perles“ nicht bedauerlich.

Denn Wenders beschränkt sich darin auf ein wenig aussagekräftiges, konzeptionell im Nirgendwo angesiedeltes Opern-Stehtheater, garniert mit einigen Erinnerungs-Filmsequenzen und auf einem Gazeschleier vor dem Bühnengeschehen projizierten Meeresgewoge.

Gerade diese Oper zu inszenieren, war Wenders’ expliziter Wunsch – da er ihre Musik so liebt. Denn jede Nacht hatte er in den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts „Tosca’s Bar“ in San Francisco die Single-Platte mit zwei Gesängen aus dieser Oper in einer Juke Box aufgelegt, bis ihm die Inhaberin der Bar zum Abschied die verkratze Scheibe sogar geschenkt hat.

Auch die Bühnenrealisierung dieser Geschichte gemahnt ästhetisch an die frühen Siebzigerjahre, als sei es eine späte Reverenz an Wieland Wagner, mit reduzierter Szenerie und Einsatz von farbigem Licht. Wenig aussagestark, trotz farbig differenzierter Kopfbedeckungen der dunkel gewandeten Fischer*innen, sind die Kostüme von Montserrat Casanova.

Die Dreiecksgeschichte der Liberttisten Michel Carrés und Eugène Cormons von einer Brahma-Priesterin (Leïla) zwischen zwei Perlenfischern (Nadir und Zurga), war in der Zeitung der Berliner Staatsoper in Kintopp-Manier als eine Sepia-Bildergeschichte in Standbildern vorgestellt worden.

Dem 25-jährigen Georges Bizet hatten „Les pêcheurs de perles“ – trotz der banalen, oberflächlichen exotischen Handlung – einen ersten großen Opernerfolg eingebracht. In der Regel reicht es, wenn ein Komponist einen einzigen Ohrwurm einbaut um das Überleben seiner Oper zu sichern. Und dieser ist hier das Duett der beiden, die selbe Frau liebenden Freude – unverwüstlich zumindest im Konzertsaal, Radio und auf Schallplatte. Der Schluss der Oper wurde mehrfach geändert, doch alle Finale erwiesen sich als unbefriedigend. Daniel Barenboim und Wim Wenders wählten die Urfassung von 1863, mit dem positiven Ende: Zurga legt einen Brand im Dorf, so dass Leïla und Nadir fliehen können.

Das Inselparadies im südindischen Ozean hat Bühnenbildner David Regehr – ebenfalls ein Operndebütant – an einem schräg gelagerten, die Bühnenbreite ausfüllenden Strand angesiedelt, umschlossen vom dichten Wald wehender Vorhänge.

Dort erlebt der – wie in überkommenen Humperdinck-Inszenierungen die Hexe – an einem Stock herbeiwackelnde alte Nourabad (Wolfgang Schöne), dass Leïla ihr Keuschheitsgelübde mit Nadir bricht. Dessen engster Freund Zurga, inzwischen Herrscher der Insel, will die Beiden hinrichten lassen – und erfährt spät, dass Leïla ihm als Flüchtling einst das Leben gerettet hatte; dafür hatte er ihr eine Perlenkette als Dank hinterlassen.

Die frühe Begegnung von Leïla und Zurga hat Wenders in Schwarzweiß verfilmt, und lässt die Sequenz wiederholt über die Szene projizieren. Während das Spiel mit Licht und Farbe auf der Bühne durchaus malerisch wirkt (Licht: Olaf Freese), erscheint der Einsatz der Videosequenzen (von Donata Wenders und Michael Schackwitz), auch mal über die Musik eines Aktschlusses überhängend, als asynchron und beliebig.

Gemessen an der Aussagekraft und Kühnheit anderer heutiger szenischer Interpretationen, wirkt diese Neuinszenierung geradezu wie eine konzertante Darbietung.

Entsprechend konzentriert sich die Aufmerksamkeit auf die musikalische Ausführung. Mit Leidenschaft und Farbigkeit lässt Barenboim, für den diese Oper ein Jugenderlebnis bildete – in Tel Aviv mit Placido Domingo auf Hebräisch –, die Partitur mit der Staatskapelle exquisit aufblühen. Kaum kann der Hörer genug bekommen an der thematischen Grundidee des Ohrwurms, dem berühmten Perlenfischer-Duett „Au fond du temple saint“, welches als Schwur der Freundschaft zwischen Zurga und Nadir bereits im ersten Akt, also noch vor der Pause, erklingt. Doch die Sehnsucht des Hörers nach dieser Ohrwurm-Droge wird in Bizets Partitur thematisch immer wieder gestillt und aufs Neue geweckt.

Die Produktion der Staatsoper weist zwei nicht nur in ihrer Liebe zu derselben Frau große, stimmlich beachtliche Solisten auf: zu den Höhepunkten des Premierenabends gehörte das „À cette voix“ des Tenors Francesco Demuro als Nadir, dennoch überrundete ihn der Bariton Gyula Orendt, als der zwischen Freundschaft, Eifersucht, Rache und Ehrgefühl hin- und hergerissene Zurga, an Ausdrucksintensität und Farbreichtum. Trotz überzeugend zur Schau gestellter Emotionen (auch vor dem Vorhang!) vermochte Olga Peretyatko-Mariotti als Leïla wenig zu berühren. Ihre Koloratur-Bravourarie „Dans le ciel sans voiles“ im zweiten Akt, mühelos und schön gesungen, erntete nur einen Achtungsapplaus. Intensiv und klangvoll in der Stimmgebung der von Martin Wright einstudierte Chor.

Einmal an diesem zwischen Retro-Kino und Opernkonvention angesiedelten Abend fühlt sich der Zuhörer klanglich in ein Dolby Surround-Kino versetzt, wenn das Donnergeräusch nach dem Kuss des Liebespaares im Auditorium aus allen Richtungen dröhnt. Und einmal gab es am Premierenabend unfreiwillige Lacher, als der Bewacher der Leïla im Vorhang-Wald vor Falten den Ausgang nicht zu finden vermochte.

Die erste Opern-Premiere des Filmregisseurs Wim Wenders war zugleich die letzte der Staatsoper im großen Auditorium des Schillertheaters. Beim abschließenden Fest unter dem sommerlich-abendlichen Himmel über Berlin auf dem Hof des Schillertheaters, konstatierte Barenboim, dass Wenders für seine erste Opernregie mehr Applaus geerntet habe als für einen „Oscar“.

Nur ein einsamer Buhrufer hatte beim Schlussapplaus die Position des Regietheaters behauptet, während das Gros des Publikums die sich devot in den Dienst der Musik stellende Inszenierung beklatschte.

  • Weitere Aufführungen: 30. 6., 2. 7. 2017; 13., 15., 21. und 28. 4. 2018

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