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Ruhrtriennale. Foto: Stefan Pieper
Ruhrtriennale. Foto: Stefan Pieper
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Audiovisuelle Konfrontation: Massive Attack und Adam Curtis bei der Ruhrtriennale

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Revolutionen werden nicht durchs Fernsehen vermittelt, merkte schon der Ur-Rapper Gil Scott Heroen an. Also verändert der nichts, der die Bilder von der Wirklichkeit im Fernsehsessel konsumiert. Um was zu verändern, verlangt es nach härteren Formen der Konfrontationen, die gegebenenfalls auch weh tun müssen. So oder ähnlich konnte man nach dem Auftritt von Massive Attack bei der Ruhrtriennale denken - nach zwei Stunden extrem physischer Konfrontation in der ehemaligen Kraftzentrale des Duisburger Landschaftsparks.

 Massive Attack benannten sich einst nach den Flächenbombardements im Golfkrieg - jetzt „bombardiert“ die Koproduktion mit dem britischen Dokumentarfilmer Adam Curtis die Sinne. Und so wie die monströse Flut der Fernsehbilder vor allem das Unterbewusstsein modelliert, so sind die Zuschauer in der Kraftzentrale des Landschaftsparks Duisburg regelrecht paralysiert nach den zwei Stunden visuellem Overkill und überlauter Soundcollage der britischen Band. Die legendären Mitbegründer des  Triphop-Genres aus Bristol haben bei ihren langjährigen Livekonzerten schon oft mit derartigen Stilmitteln gearbeitet: Während schleppend-melancholische Song-Strukturen,  hypnotische Basslinien und Soundschleife in Trance versetzen, flimmern über die Projektionswand hinter der Bühne die mannigfaltigsten Daten, Fakten, Nachrichten, Wirklichkeiten über den Lauf der Welt. Aufrütteln und das große Ganze sehen, dazu wollen die Briten mit ihren Liveshows anregen.

Dieses Prinzip wurde nun in der Kooperation mit Adam Curtis weitergedacht und dabei exzessiv auf die Spitze getrieben. Massive Attack bewegen sich dabei sehr weit weg vom Prinzip des frontalen, linearen Livekonzerts, stattdessen wird funktionales Klangmaterial geliefert. Das soll hinter den Bildern zurücktreten – und meist waren in dem weitläufigen Gemäuer der Kraftzentrale  nichtmals die Musiker zu sehen, dafür zehn riesige, hufeisenförmig ums Publikum herum gruppierte Projektionsflächen. Und dann geht es auf eine monumentale, irritierende und labyrinthische Reise über den Lauf der Welt, über den Bruch von Zivilisationen, über gescheiterte Träume und Ideen. Für all dies liefern die kaleidoskopisch zusammenmontierten Filmschnipsel, Bildstrecken und Textfragmente ein irgendwie zufällig wirkendes, aber dennoch aussagekräftiges Material. Der Aufstieg und Fall des Sowjetimperiums aber auch der Ost-West-Konflikt im ganzen, findet sich reich mit Bildquellen dokumentiert. Versuche, Widersprüche des menschlichen Zusammenlebens durch sozialtechnisch konzipierte Wohnanlagen aufzuheben, scheitern und nur die tristen Bauruinen bleiben stehen. Wir sehen jubelnde Massen, aber auch Menschen in Schutzanzügen, jene todgeweihten Liquidatoren in Terschnobyl. Zwischendurch dann wieder Menschen, die zu Rockmusik, Disco oder auch Twist herumtanzen, Massive Attack haben hier einiges zu tun, um ständig eine bunte Mischung von Stilen zu zitieren. Das ungleichzeitige, das auf diesem Globus gleichzeitig stattfindet, drängt sich in dieser labyrinthischen Bilderflut bedrängend auf. Kinder in Afghanistan. Das Ehepaar Ceauscesu vorm Erschießungskommando. Wladimir Putin in einer betont kalten Aura. Donald Trump in überladenem Glitzerambiente. Fast zwei Stunden Stehen, sich diesem visuellen Overkill aussetzen, dabei die brutale Lautstärke der oft hektischen, ganz und gar nicht meditativen oder hypnotischen Soundcollagen von Massive Attack aushalten – das ist Konfrontation genug, ja fast schon harte Arbeit, die hier vom Zuschauer zu leisten ist.

Das ganze folgt durchaus einer stimmigen Dramaturgie, ja transportiert in fast schon wissenschaftlicher Strenge eine These: Nämlich jene vom Paradigmenwechsel beim Umgang der Machteliten mit dem Lauf der Welt. Einst wollten Utopien die Welt verändern,  was so viele politische Ideen und technische Innovationen produzierte. Doch je mehr davon nach hinten losging, stagnierte, erstarrte oder zerstört wurde, umso mehr hat sich eine allgemeine Desillusionierung wieder ausgewirkt und damit das gegenwärtige kollektive und politische Handeln aufs Verwalten des Bestehenden zurück geworfen. Die „durchgemanagte“ Welt ist das Szenario von heute, welches im weiteren Verlauf  Show illustriert wird. Risiken ausschalten, überwachen und zensieren ist das Programm von heute. Donald Trump beschäftigt einen Experten für Wahrscheinlichkeitsrechnung, um die Erfolge und Misserfolge seiner Finanzspekulationen vorherzusehen. Vor allem die Digitalisierung sämtlicher Lebensbereiche erlaubt deren völlige Verwaltbarkeit. Beindruckende Bilder für all dies gibt es zuhauf, der Strom reißt in der Kraftzentrale genauso wenig ab, wie jene der Fernsehbilder, die auch immer neu sind, obwohl vielleicht Stillstand herrscht. Der Große Punblikumsmagnet war hier mnatlich die Britische Band. Deren Anteil an dieser auf die Dauer doch latent aufgebläht wirkenden Show verflüchtigt sich doch etwas zu stark, wenn die Klangwelt, mit der diese Band so ein Markenzeichen für sich ist, im überspannt-collagenhaften, leider manchmal auch schon beliebig wirkenden stehen bleibt.

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